Felix Perrefort / 13.07.2022 / 14:00 / Foto: Imago / 44 / Seite ausdrucken

Masters of Datenchaos

Die Corona-Evaluation kritisiert die miserable Datenlage, die von der unsinnigen nationalen Teststrategie produziert wurde. An ihr hatte Christian Drosten genauso wenig etwas auszusetzen wie Lothar Wieler. Beide versuchen nun die Evaluation mit durchsichtigen Kontaktschuld-Vorwürfen zu diskreditieren.  

Weil die Datenlage zu schlecht sei, plädierte Christian Drosten in einer durchgestochenen E-Mail an den Sachverständigenausschuss, die Corona-Maßnahmen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit nicht zu evaluieren. Dieselbe Datenlage bildete jedoch nicht nur für die gesamte Corona-Politik die Grundlage, sondern auch für die Prognosen des Top-Virologen, die stets so düster wie unfreiwillig komisch waren.

Einerseits wird also eine stabile Datenlage vorausgesetzt, wenn mit ihr Maßnahmen wie Schulschließungen, Maskenpflichten, 2G-Regelungen und dergleichen begründet werden, während sie andererseits nicht gegeben sein soll, wenn die Bewertung ihrer Wirksamkeit ansteht. Offensichtlich haben sich die ergriffenen Maßnahmen auf den Verlauf der Zahlen nicht so ausgewirkt, wie angenommen wurde, als sie autoritär durchgesetzt wurden.  

So verkündete ein von Drosten im Dezember 2020 mitverfasstes Plädoyer der Leopoldina für einen harten (dann auch umgesetzten) Lockdown: 

Die Erfahrungen aus vielen anderen Ländern (z.B. Irland) im Umgang mit der Pandemie zeigen: schnell eingesetzte, strenge Maßnahmen über einen kurzen Zeitraum tragen erheblich dazu bei, die Infektionszahlen deutlich zu senken. 

Weil entsprechende Korrelationen retrospektiv nicht nachzuweisen sind, die – wie es in der Evaluation heißt ­– „Gegenüberstellung von Maßnahmenindex und Inzidenz kein eindeutiges Bild“ ergibt, wollte Drosten die Bewertung der Maßnahmen verhindern. Denn er wusste, dass sie ein schlechtes Licht auf seine Tätigkeit als die Regierung beratender Maßnahmen-Hardliner werfen würde.

Mit der Verhinderung der Maßnahmen-Evaluation war er nicht erfolgreich. Daher greift der Beleidigte nun seine ehemaligen Kollegen an, indem er eine raunende Recherche der „Riffreporter“ zustimmend verbreitet, in der bereits die Forderung nach einem Ende der Maskenpflicht an Schulen als „fragwürdig“ und Querdenker-verdächtig denunziert wird. Und es wird noch konfuser: Die Evaluation würde „nicht einmal den Ansprüchen an eine wissenschaftliche Seminararbeit im Studium genügen.“

Der Musiker Paul van Dyk riet daraufhin Drosten dazu, sich doch einmal über den Begriff „Anstand“ zu belesen, da er hier ein erhebliches Defizit habe – wie übrigens auch Lothar Wieler, der das Schurkenstück ebenfalls auf Twitter teilte. Tim Röhn antwortete ihm darauf: „Ist das Ihr Ernst, Herr Wieler? Anstatt auf Kritik einzugehen, feiern Sie einen Text ab, der via Kontaktschuld-Unfug den Evaluationsbericht, der das Versagen Ihrer Behörde belegt, diskreditieren soll? Sie sind ohne jeden Zweifel die falsche Person in diesem so wichtigen Amt.“

RKI betrieb Arbeitsverweigerung 

Die Dreistigkeit der beiden, den Vorwurf mangelnder Wissenschaftlichkeit zu erheben, wo doch die von ihnen zu verantwortende Datenlage allen diesbezüglichen Ansprüchen spottet, erklärt sich aus dem politmedialen Rahmen, in dem „die Zahlen“ tagein, tagaus gepredigt wurden, als würden sie göttliches Schicksal offenbaren. Noch heute flimmern die Angaben zu „Neuinfektionen“ über den Tagesschau-Bildschirm, spricht man über „Inzidenzen“, als hätten sie einen aussagekräftigen Gehalt. 

Dabei weiß doch bereits der Alltagsverstand: Beobachte ich einen Gegenstand mit einer Lupe, um meine Beobachtungen anschließend festzuhalten, so sollte ich sie dabei stillhalten. Bewege ich sie nach links und rechts, nach oben und unten, so verändert sich damit das Erscheinungsbild des Gegenstands. Um Beobachtungen verallgemeinerbar und vergleichbar zu machen, muss ich also für einheitliche Messbedingungen und geeichte Messinstrumente sorgen. Solche basalen Standards missachtete die nationale Teststrategie konsequent, etwa durch unterschiedliche Testkapazitäten, uneinheitlich geeichte PCR-Tests und über die Testung variierender Bevölkerungssegmente. Auch hier gilt: Man musste kein Experte sein, um die Produktion des Datenchaos zu erkennen, zu dem die Politik nun gekommen sein will wie die Jungfrau zum Kind. 

Jeder einzelne Bundestagsabgeordnete hätte wissen können und müssen, dass an diese Teststrategie nie und nimmer Grundrechtsseinschränkungen von erheblicher Tragweite gekoppelt werden dürfen, so man sich nicht in eine wissenschaftlich daherkommende Bananenrepublik verwandeln möchte. 

Die Verstöße gegen die Gebote seriöser Datenproduktion, -erhebung und -präsentation hat Thomas Maul auf Achgut.com in einer sechsteiligen Artikelreihe bereits im Dezember 2020 dokumentiert. Auch Gunter Frank kritisierte hier seinerzeit: 

Das RKI hat bis heute nicht das kleine Einmaleins der Epidemiologe umgesetzt, nämlich die Einrichtung repräsentativer Kohortenstudien, um Licht ins Dunkel des Infektionsgeschehens und der tatsächlichen Wirkung der Schutzmaßnahmen zu bringen.

Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde zudem eine Stellungnahme des Netzwerks für Evidenzbasierte Medizin, die im August 2020 auf viele Missstände hinwies

Jegliche Maßnahmen sollten entsprechend wissenschaftlich begleitet werden, um den Nutzen und Schaden bzw. das Verhältnis von Nutzen und Schaden zu dokumentieren. Es werden insbesondere randomisierte Studien dringend benötigt um die politischen Entscheidungen angemessen zu stützen.

Bekanntlich betrieb das RKI lieber Arbeitsverweigerung und propagierte sinnlose und schädliche Freiheitseinsschränkungen. Dieses Staatsversagen muss Konsequenzen haben. 

Hob ich in meinem ersten Beitrag zur veröffentlichten Evaluation die darin konstatierte Verfassungswidrigkeit des Infektionsschutzgesetzes hervor, sei hiermit betont, dass die Maßnahmen dem Bericht zufolge obendrein auf unzureichender Datenbasis standen. In diesem Sinne hat Volker Boehme Nessler im Cicero ganz Recht, wenn er in ihm „politischen Sprengstoff“ erkennt und darlegt, „warum ein zweiter Blick in den Evaluationsbericht zur Pandemiepolitik lohnt“. Weil wirkungslose Maßnahmen nicht verfassungsgemäß sein können, schließt er: „Die Urteile des Karlsruher Gerichts zur Bundesnotbremse waren demnach klare Fehlentscheidungen.“

Die Corona-Maßnahmen mit ihren verheerenden Konsequenzen warten auf juristische Aufarbeitung. Lothar Wieler, Christian Drosten, aber auch Angela Merkel und Jens Spahn, um nur wenige zu nennen, müssten dabei auf der Anklagebank sitzen. Fürs Erste müsste Wieler seinen Platz räumen und Drosten sich in die stille Ecke setzen. 

Teil 1 dieser zweiteiligen Reihe finden Sie hier

Foto: Imago

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

S. Wietzke / 13.07.2022

Es handelt sich hier weder um “Staatsversagen” oder “Behördenversagen”, sondern um Vorsatz aus niedrigsten Motiven. Und das vom ersten Tag an. Etwas anderes anzunehmen ist naiv. Die Konsequenzen mögen verherrend sein, was allerdings nichts daran ändert das diese von Anfang an so angestrebt wurden. Die Truppe hat also zielstrebig und höchst effizient gearbeitet.

Mathias Rudek / 13.07.2022

Ein nochmal guter und komprimierter Artikel, lieber Herr Perrefort. Übrigens Herr @Loewe: ein lustiger Kommentar, auch die Erwähnung des Herrn Schicklgruber.

BKKopp / 13.07.2022

Das RKI ist kein IT-Unternehmen mit bundesweiten Kompetenzen.  Ich glaube nicht, dass es in den gesetzlichen Auftrag hineininterpretiert werden könnte, dass das RKI, top-down, allen Bundesländern, ihren Gesundheitsbehörden, ein einheitliches Datenerfassungs- und Datenmanagement oktroieren könnte. Das RKI ist auch nicht für Fax-Machinen-Technik in Gesundheitsämtern verantwortlich. Sogar das Bundesamt für Datensicherheit, so haben wir gestern gehört, kann bisher nur im Wege eines Amtshilfeverfahrens mit Datensicherheitsproblemen in Landesbehörden arbeiten. Die Pandemie seit 2/2020 hat die Datenerfassungs- und Managementprobleme offensichtlich gemacht. Die Lösung kann aber nicht vom RKI kommen, auch wenn dieses wegen der schlechten Datenlage sehr oft wie ein begossener Pudel dasteht.

T. Schneegaß / 13.07.2022

@Peer Munk: Kleiner Tipp von einem “erfahrenen Bußgeldbescheid-Sammler”: Widerspruch einlegen. Nur den einen Satz, KEINE Begründung oder Stellungnahme! Jetzt muss ein Staatsanwalt Langeweile haben und Anklage erheben und danach ein Gericht, auch aus Langeweile, eine Verhandlung anberaumen. Wenn das wirklich passieren sollte, wird Ihnen das Gericht möglicherweise zuerst eine “Entscheidung durch Beschluss” vorschlagen, eine Art Vergleich, bei der Sie zahlungspflichtig bleiben würden. ABLEHNEN und auf einer Verhandlung vor Gericht bestehen. Dort müsste Ihnen die Ordnungswidrigkeit zweifelsfrei nachgewiesen werden. Ich garantiere Ihnen zu 99%, dass es nicht zu diesem Ablauf kommt und das Verfahren bereits nach Ihrem ersten Einspruch eingestellt wird. So geschehen bei mir: von 5 4 mit Bescheid eingestellt, von einem nie wieder etwas gehört (seit über 2 Jahren).

Peter Robinson / 13.07.2022

Welche richtig gefährliche Krankheit erlaubt die Entsorgung einer medizinisch-vorgeschriebenen Maske im Hausmüll? Die Gesetze, die erlassen worden sind, haben rein gar nichts mit einer echten medizinischen Pandemie zu tun.  sondern mit dem politischen Wünsch Deutschland und die EU, je nach Lust und Laune der Elite wieder einmal in ein Freiluft-Gulag zu verwandeln. Eine Vorbote wo geht die Reise hingeht, Richtung Sri Lanka. Die EU ist das schlimmste, was den Völkern Europas hätte passieren können. Früher haben wir über der Inkompetenz nur gelacht. Jetzt, dass die Außengrenzen, die innere Sicherheit, die körperliche Unversehrtheit, die Währung und das Geld weg sind kann die Mehrheit es immer noch nicht erkennen. Die Lemminge sind blind. Vielleicht hilft Hungersnot, Eisesskälte ohne Heizung, islamische Straßenkämpfe (gibt’s heute schon des öfteren), Taliban-Sittenwächter (wird derzeit geplant in Freibäder) an jeder Straßenecke und einen Obermufti im Bundestag? Die «islamische Sprechpuppe» plant schon jetzt ihren Einzug. Und wer die neusten Plakaten der Grünen angesehen hat, weißt ganz genau so wird es auch kommen. Aber der Merkel geht es gut.

Martin Beyer / 13.07.2022

Glauben Sie die Schweine Justiz bringt die Verantwortlichen auf die Anklagebank ? Ich warte immer noch das Merkel und ihre Bücklinge wegen des Verdachts des Rechtbruches ( Grenze nicht gegen illegale Scheinasylanten zu schützen ) auf der Anklagebank landen .  PS: Niemand der über einen sicheren Drittstaat gekommen ist , darf nach Deutschem Gesetz einen Asylantrag stellen. Dieses ist kein Rechtsstaat mehr , so dass auch ich jedes Gesetz in Zukunft missachten werde. Ich habe bis heute seit 25 Jahren keine GEZ Gebühr mehr bezahlt , und werde es auch nie.

Torsten Hopp / 13.07.2022

Es wird Konsequenzen geben. Impfpflicht ab 58,3 Jahre, Impfempfehlung für Neugeborene, Maskenpflicht überall (auch im Bett), neue Erkenntnisse von Lauterbach zum Schutz vor absolut tötlichster Killervariante durch Tragen von Windeln und alle Kritiker werden per Gesetz zum Nazi erklärt. TV-Clown Hirschhausen übernimmt neues Ministerium “Für Geld mach ich alles”.

Fend Georg / 13.07.2022

Kann man dieses Masterstudium an allen deutschen Unis machen????

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Felix Perrefort / 26.11.2023 / 11:00 / 66

Ich gehe in Dankbarkeit

Nach fünf wunderbaren Jahren verlasse ich Achgut.com in tiefer Dankbarkeit. Ich bin nun Redakteur bei NIUS, wo ein Journalismus gepflegt wird, der die Welt größer,…/ mehr

Felix Perrefort / 02.11.2023 / 08:28 / 0

Morgenlage: Abschiebungen und Araber

Guten Morgen, heute ist Donnerstag, der 2. November, und dies ist die Morgenlage: Es gab 37 Todesopfer bei wohl islamischen Anschlägen in Nigeria, der Thüringer Verfassungsschutz…/ mehr

Felix Perrefort / 27.10.2023 / 06:15 / 52

Erste Schritte zur Klimapolitik-Wende?

Mit Großbritannien und Schweden scheren gleich zwei europäische Länder aus der EU-Klimapolitik aus. Gut so. Doch nun muss auch grundsätzlich gefragt werden, was die Argumente…/ mehr

Felix Perrefort / 26.10.2023 / 08:55 / 0

Morgenlage: Existenz und Erdogan

Guten Morgen, heute ist Donnerstag, der 26. Oktober, und dies ist die Morgenlage. Ein Amokschütze erschießt mindestens sechzehn Menschen im US-Bundesstaat Maine, Netanjahu sagt, Israel…/ mehr

Felix Perrefort / 25.10.2023 / 08:55 / 0

Morgenlage: Anschlagspläne und Abschiebungen

Guten Morgen, heute ist der 25. Oktober und dies ist die Morgenlage. Die Zusammenfassung: Ein erneuter Versuch der Hamas, nach Israel einzudringen, wurde vereitelt, ein…/ mehr

Felix Perrefort / 24.10.2023 / 14:00 / 57

Zum Tode von Gunnar Kaiser

Der Schriftsteller und Philosoph Gunnar Kaiser ist aus dem Leben geschieden.  Als die Welt im Frühjahr 2020 mit einem Schlag Kopf stand und die gewaltigen…/ mehr

Felix Perrefort / 19.10.2023 / 09:05 / 0

Morgenlage: Partei-Verbot und Palästinenser

Guten Morgen, heute ist Donnerstag, der 19. Oktober 2023, und dies ist die Morgenlage. Die Zusammenfassung: Faeser lehnt ein AfD-Verbotsverfahren ab. Es gab heftige Pro-Palästina-Ausschreitungen…/ mehr

Felix Perrefort / 09.10.2023 / 09:00 / 0

Morgenlage: Rache und Rechtsruck

Guten Morgen, heute ist Montag, der 9. Oktober 2023, und dies ist die Morgenlage. Die Zusammenfassung: Die Hamas Angriffe auf Israel forderten mehr als 700…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com