Die Corona-Evaluation kritisiert die miserable Datenlage, die von der unsinnigen nationalen Teststrategie produziert wurde. An ihr hatte Christian Drosten genauso wenig etwas auszusetzen wie Lothar Wieler. Beide versuchen nun die Evaluation mit durchsichtigen Kontaktschuld-Vorwürfen zu diskreditieren.
Weil die Datenlage zu schlecht sei, plädierte Christian Drosten in einer durchgestochenen E-Mail an den Sachverständigenausschuss, die Corona-Maßnahmen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit nicht zu evaluieren. Dieselbe Datenlage bildete jedoch nicht nur für die gesamte Corona-Politik die Grundlage, sondern auch für die Prognosen des Top-Virologen, die stets so düster wie unfreiwillig komisch waren.
Einerseits wird also eine stabile Datenlage vorausgesetzt, wenn mit ihr Maßnahmen wie Schulschließungen, Maskenpflichten, 2G-Regelungen und dergleichen begründet werden, während sie andererseits nicht gegeben sein soll, wenn die Bewertung ihrer Wirksamkeit ansteht. Offensichtlich haben sich die ergriffenen Maßnahmen auf den Verlauf der Zahlen nicht so ausgewirkt, wie angenommen wurde, als sie autoritär durchgesetzt wurden.
So verkündete ein von Drosten im Dezember 2020 mitverfasstes Plädoyer der Leopoldina für einen harten (dann auch umgesetzten) Lockdown:
Die Erfahrungen aus vielen anderen Ländern (z.B. Irland) im Umgang mit der Pandemie zeigen: schnell eingesetzte, strenge Maßnahmen über einen kurzen Zeitraum tragen erheblich dazu bei, die Infektionszahlen deutlich zu senken.
Weil entsprechende Korrelationen retrospektiv nicht nachzuweisen sind, die – wie es in der Evaluation heißt – „Gegenüberstellung von Maßnahmenindex und Inzidenz kein eindeutiges Bild“ ergibt, wollte Drosten die Bewertung der Maßnahmen verhindern. Denn er wusste, dass sie ein schlechtes Licht auf seine Tätigkeit als die Regierung beratender Maßnahmen-Hardliner werfen würde.
Mit der Verhinderung der Maßnahmen-Evaluation war er nicht erfolgreich. Daher greift der Beleidigte nun seine ehemaligen Kollegen an, indem er eine raunende Recherche der „Riffreporter“ zustimmend verbreitet, in der bereits die Forderung nach einem Ende der Maskenpflicht an Schulen als „fragwürdig“ und Querdenker-verdächtig denunziert wird. Und es wird noch konfuser: Die Evaluation würde „nicht einmal den Ansprüchen an eine wissenschaftliche Seminararbeit im Studium genügen.“
Der Musiker Paul van Dyk riet daraufhin Drosten dazu, sich doch einmal über den Begriff „Anstand“ zu belesen, da er hier ein erhebliches Defizit habe – wie übrigens auch Lothar Wieler, der das Schurkenstück ebenfalls auf Twitter teilte. Tim Röhn antwortete ihm darauf: „Ist das Ihr Ernst, Herr Wieler? Anstatt auf Kritik einzugehen, feiern Sie einen Text ab, der via Kontaktschuld-Unfug den Evaluationsbericht, der das Versagen Ihrer Behörde belegt, diskreditieren soll? Sie sind ohne jeden Zweifel die falsche Person in diesem so wichtigen Amt.“
RKI betrieb Arbeitsverweigerung
Die Dreistigkeit der beiden, den Vorwurf mangelnder Wissenschaftlichkeit zu erheben, wo doch die von ihnen zu verantwortende Datenlage allen diesbezüglichen Ansprüchen spottet, erklärt sich aus dem politmedialen Rahmen, in dem „die Zahlen“ tagein, tagaus gepredigt wurden, als würden sie göttliches Schicksal offenbaren. Noch heute flimmern die Angaben zu „Neuinfektionen“ über den Tagesschau-Bildschirm, spricht man über „Inzidenzen“, als hätten sie einen aussagekräftigen Gehalt.
Dabei weiß doch bereits der Alltagsverstand: Beobachte ich einen Gegenstand mit einer Lupe, um meine Beobachtungen anschließend festzuhalten, so sollte ich sie dabei stillhalten. Bewege ich sie nach links und rechts, nach oben und unten, so verändert sich damit das Erscheinungsbild des Gegenstands. Um Beobachtungen verallgemeinerbar und vergleichbar zu machen, muss ich also für einheitliche Messbedingungen und geeichte Messinstrumente sorgen. Solche basalen Standards missachtete die nationale Teststrategie konsequent, etwa durch unterschiedliche Testkapazitäten, uneinheitlich geeichte PCR-Tests und über die Testung variierender Bevölkerungssegmente. Auch hier gilt: Man musste kein Experte sein, um die Produktion des Datenchaos zu erkennen, zu dem die Politik nun gekommen sein will wie die Jungfrau zum Kind.
Jeder einzelne Bundestagsabgeordnete hätte wissen können und müssen, dass an diese Teststrategie nie und nimmer Grundrechtsseinschränkungen von erheblicher Tragweite gekoppelt werden dürfen, so man sich nicht in eine wissenschaftlich daherkommende Bananenrepublik verwandeln möchte.
Die Verstöße gegen die Gebote seriöser Datenproduktion, -erhebung und -präsentation hat Thomas Maul auf Achgut.com in einer sechsteiligen Artikelreihe bereits im Dezember 2020 dokumentiert. Auch Gunter Frank kritisierte hier seinerzeit:
Das RKI hat bis heute nicht das kleine Einmaleins der Epidemiologe umgesetzt, nämlich die Einrichtung repräsentativer Kohortenstudien, um Licht ins Dunkel des Infektionsgeschehens und der tatsächlichen Wirkung der Schutzmaßnahmen zu bringen.
Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde zudem eine Stellungnahme des Netzwerks für Evidenzbasierte Medizin, die im August 2020 auf viele Missstände hinwies:
Jegliche Maßnahmen sollten entsprechend wissenschaftlich begleitet werden, um den Nutzen und Schaden bzw. das Verhältnis von Nutzen und Schaden zu dokumentieren. Es werden insbesondere randomisierte Studien dringend benötigt um die politischen Entscheidungen angemessen zu stützen.
Bekanntlich betrieb das RKI lieber Arbeitsverweigerung und propagierte sinnlose und schädliche Freiheitseinsschränkungen. Dieses Staatsversagen muss Konsequenzen haben.
Hob ich in meinem ersten Beitrag zur veröffentlichten Evaluation die darin konstatierte Verfassungswidrigkeit des Infektionsschutzgesetzes hervor, sei hiermit betont, dass die Maßnahmen dem Bericht zufolge obendrein auf unzureichender Datenbasis standen. In diesem Sinne hat Volker Boehme Nessler im Cicero ganz Recht, wenn er in ihm „politischen Sprengstoff“ erkennt und darlegt, „warum ein zweiter Blick in den Evaluationsbericht zur Pandemiepolitik lohnt“. Weil wirkungslose Maßnahmen nicht verfassungsgemäß sein können, schließt er: „Die Urteile des Karlsruher Gerichts zur Bundesnotbremse waren demnach klare Fehlentscheidungen.“
Die Corona-Maßnahmen mit ihren verheerenden Konsequenzen warten auf juristische Aufarbeitung. Lothar Wieler, Christian Drosten, aber auch Angela Merkel und Jens Spahn, um nur wenige zu nennen, müssten dabei auf der Anklagebank sitzen. Fürs Erste müsste Wieler seinen Platz räumen und Drosten sich in die stille Ecke setzen.
Teil 1 dieser zweiteiligen Reihe finden Sie hier.