Henryk M. Broder / 03.11.2016 / 10:05 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 30 / Seite ausdrucken

Marietta Slomka: Was ist aus Amerika geworden?

Wir haben uns inzwischen daran gewöhnt, dass die Macher der Nachrichtenmagazine nicht darüber berichten, was in der Welt passiert, sondern darüber, was sie davon halten, das in der Welt passiert. Es geht nicht um Krisen und Katastrophen, es geht um die Befindlichkeiten der Moderatoren angesichts der Krisen und Katastrophen. In dieser Kunst haben es Claus Kleber und Marietta Slomka am weitesten gebracht. Vorgestern hat sie einen Beitrag im heute journal über den Wahlkampf in den USA mit folgenden Worten anmoderiert:

Noch eine Woche. Eine Woche und dann ist das Rennen gelaufen und dieses unwürdige Spektakel hat ein Ende. Endlich, möchte man sagen, denn es ist schon freudlos, einer großen Nation mit stolzer demokratischer Tradition dabei zuzusehen, wie sie in Schmutz und Hass versinkt. Und wenn einer der beiden Kandidaten gar andeutet, eine Niederlage nicht akzeptieren zu wollen und damit das Grundvertrauen in die Spielregeln des politischen Wettbewerbs erschüttert, dann fragt man sich, was aus Amerika geworden ist. Auf der anderen Seite eine Kandidatin, deren Amtsführung selbst von großen Teilen ihrer eigenen Wählerschaft mit Misstrauen beobachtet werden wird. Eine ungeliebte Präsidentin unter Vorbehalt oder ein unberechenbarer Narzisst, der sich im Weißen Haus austobt. Ulf Röller über den Countdown dieses Trauerspiels.

Die Amis könnten sich vieles ersparen, wenn sie die Entscheidung darüber, wer in das Weiße Haus einziehen darf, der Redaktion des heute journals überlassen würden. Leider ist ein solches Procedere in der Verfassung der USA nicht vorgesehen. Lieber versinken die Cowboys in Schmutz und Hass, derweil Marietta Slomka die Minuten zählt, bis das Trauerspiel vorbei ist.

Gegen Ende der Sendung, bei 24:38, wendet sich Marietta Slomka den "Folgen des Brexit für Großbritannien" zu. Die Folgen seien "umstritten", die einen sagen so, die anderen so. Viele der drei Millionen EU-Bürger, die in GB leben und arbeiten, "fragen sich, ob es überhaupt noch Sinn macht, in Großbritannien zu bleiben". Einer dieser Ex-Patriots habe "diese Frage für sich negativ beantwortet", der Deutsche Martin Roth, wenn auch nicht "aus Sorge um seinen Job". Seine Kündigung habe in London "wie eine Bombe" eingeschlagen. Das heute journal hat ihn bei seinem letzten Arbeitstag begleitet.

Was dann folgt, ist ein Fallbeispiel aus der Abteilung Desinformation und Propaganda. Die Bombe ist keine V2, abgefeuert in Peenemünde, nicht einmal ein Bömbchen. "Das erste deutsche Opfer des Brexit" ist der Direktor des Albert&Victoria Museums, er geht nach fünf Jahren Arbeit in London zurück nach Deutschland. Die "letzten Minuten im Direktorenbüro" sind voller Dramatik. Martin Roth klappt seinen Koffer zu und gibt seinem Nachfolger die Hand. Was wird nun aus dem Mann, der seine Kollegen aufgefordert hat, "das Wort gegen den Nationalismus zu erheben"? Er will als "Präsident des Instituts für Auslandbeziehungen wirksam werden". Am 21. Juni 2016 wurde er in das Amt gewählt. Zwei Tage vor der Abstimmung über den Brexit.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

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reiner fischer / 03.11.2016

ich war noch nie in amerika. bin also keiner der zigtausenden experten. trotzdem weiß ich 4 dinge mit gewißheit: 1. auch bei dieser präsidentenwahl wählen nur amerikaner und keine deutschen. 2. auch dieses mal ist ihnen die meinung des auslands egal 3. egal wen sie wählen, ob hillary clinton, donald trump oder donald duck - die deutsche regierung muß mit jedem anschließend scheißfreundlich klarkommen, weil 4. jenseits der unglaublichen europäischen überheblichkeit (bei gleichzeitiger jämmerlicher unfähigkeit) die usa noch immer das einzige westliche land sind, das , wenn es drauf ankommt überhaupt etwas auf die reihe kriegt  

Rolf Oetinger / 03.11.2016

Tja Herr Broder, die Staatsmedien machen sich lächerlich. Die junge Generation schaut sich die Propaganda sowieso nicht an. Irgendjemand hat Fr Slomka mal die “schmallippigste Weltenerklärerin seit meiner Kindergartentante” genannt…..

Andrea Walter / 03.11.2016

Wenn man erfahren möchte, was in der Welt wirklich vor sich geht, sollte man Nachrichten aus England, Schweiz oder Österreich sehen. Beim ORF habe ich gestern erfahren, das der Brexit sich bis jetzt nicht negativ auf die Beschäftigung der Engländer auswirkt. Renault möchte sogar zwei neue Modelle in England produzieren. Allerdings wusste auch der ORF nicht, ob es nicht doch irgendwann negative Folgen geben wird. In den deutschen Medien gibt es die, ob die jetzt vorhanden sind oder nicht. Weil es muss sie ja geben. Anders paßt es einfach nicht zum Weltbild.

Ralf Gronostay / 03.11.2016

Frau Slomka und Herr Kleber sind das Gegenteil von objektiver, konstruktiv kritischer Berichterstattung. Sie geben sich als die Beherrscher des Wissens, die die Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Diese Nachrichten heben sich als manipulierendes, indoktrinierendes Geschwätz hervor, das dem deutschen Staatsfernsehen gut zu Gesicht steht. Unerträglich.

Gernot Radtke / 03.11.2016

Als heller Deutscher ist man den ausländischen Zeitgenossen immer ein Stückchen voraus. Der Zeit sowieso. Da erkennt und senkt man die Klimalage auf 2 Grad genau und nicht erst 2 Tage vorher. Herr Roth wurde diese Erkenntnis zuteil, und er verhielt sich danach. Künftig arbeitet er im “euro-islamischen Dialog” des IfA (Wikipedia) an der und für die Weltpazifizierung. Was könnte er Besseres tun? Frau Slomkas Botschaft hat dasselbe, nur etwas umständlicher, gesagt. Immer dieses ZDF-Hate-Bashing! In der Tendenz liegt die Wahrheit.

Wolfgang Kaufmann / 03.11.2016

Wie hieß nochmal diese Minderheit, die ein postfaktisches Zeitalter ausruft, wo Befindlichkeit und Gesinnung mehr zählen als Informationen, Logik und Aufklärung? Und wieso muss ihr fragwürdiger Beitrag zum Allgemeinwohl per Quote geschützt werden?

Fritz Voss / 03.11.2016

“Marionetta” Slomka in der postfaktischen Welt.

Tobias Lange / 03.11.2016

Sehr geehrter Herr Broder, ich möchte Ihnen einmal Danke für Ihre Arbeit sagen. Nichts weiter. Ich schätze Ihre Meinung und Sichtweise sehr. Ihre Artikel sind genauso ehrlich, wie amüsant. Ich hoffe ich kann Sie bald noch einmal in einer Politrunde sehen. Weiter so! Mit besten Grüßen

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