Ulrike Stockmann / 25.03.2021 / 17:00 / Foto: Achgut.com / 22 / Seite ausdrucken

Manifest für Meinungsfreiheit. Ein bisschen.

Nun gibt es einen politisch-korrekten Aufguss des „Appells für freie Debattenräume“. Soeben wurde ein „Manifest der offenen Gesellschaft“ in der WELT und dem Freitag veröffentlicht, aus der Feder des Philosophen Markus Gabriel, der Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, des Historikers Jürgen Overhoff, der Historikerin Hedwig Richter sowie des Historikers René Schlott. Die Schrift beinhaltet ein Plädoyer für eine offenere gesellschaftliche Debatte, vor allem hinsichtlich des Corona-Diskurses. Die Unterstützer bestehen vordergründig aus Vertretern aus der Medien- und Unterhaltungsbranche. Der prominenteste Unterstützer dürfte der Schauspieler Jan Josef Liefers sein.

Das Manifest erinnert stark an den bereits erwähnten „Appell für freie Debattenräume“ der Publizisten Gunnar Kaiser und Milosz Matuschek, der im vergangenen Herbst für Furore sorgte. Besagter Appell ist eine kämpferische Streitschrift gegen die um sich greifende Cancel Culture, unterzeichnet u.a. von Monika Maron und Günter Wallraff (und auch meiner Wenigkeit). Das neue „Manifest der offenen Gesellschaft“ erscheint wie die brave kleine Schwester des „Appells für freie Debattenräume“, die sich gleichzeitig für ihre Forderungen ein wenig zu genieren scheint.

Im Manifest heißt es unter anderem:

„Die Debatte über die Corona-Politik und ihre in allen Bereichen unserer Gesellschaft spürbaren Folgen hat unser Land polarisiert. Das schadet nicht nur dem sozialen Frieden und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern auch der Qualität der Argumente, die wir so dringend im engagierten Diskurs austauschen müssen.

Wir wollen die Diskussion wieder versachlichen, um im Rahmen des demokratischen Spektrums den Raum für einen freien Dialog zu schaffen und offenes Denken zu ermöglichen.“

So weit, so vernünftig.

Doch dann heißt es weiter:

„Vor allem dürfen wir nicht den Verschwörungsfanatikern, Extremisten und Demokratiefeinden das Feld überlassen, wenn es um die kritische Bestandsaufnahme und das konstruktive Hinterfragen der Corona-Maßnahmen geht.“

Wie kann man ein Plädoyer für mehr Meinungsvielfalt verfassen und bereits im zweiten Absatz Ausgrenzung betreiben? Zudem nicht klar definiert wird, was genau die Initiatoren überhaupt unter den populistischen Schlagwörtern „Verschwörungsfanatiker, Extremisten und Demokratiefeinde“ verstehen.

Umso widersprüchlicher die weitere Forderung:

„Wir wollen weg von der erregten Zuspitzung in den Medien, weg von Konformitätsdruck und einseitiger Lagerbildung in der Gesellschaft und weg von einem unguten Schwarz-Weiß-Denken.“

Endlich Kritik vonseiten des Showbiz

Unterstützer des Manifests wurden um ein kurzes Statement gebeten. Jan Josef Liefers gab etwa die lobenswerten Worte zu Protokoll:

„Ein System, das Kunst für nicht systemrelevant erklärt, ist ein System ohne Relevanz. Um Grundrechte dermaßen lange auszusetzen, bedarf es erstklassiger Gründe, die immer wieder der öffentlichen Gegenrede ausgesetzt werden und ihr standhalten müssen.“

Der Filmregisseur Dietrich Brüggemann äußerte unter anderem:

„Bei Brecht war der Vorhang zu und alle Fragen offen. Heute sehen wir den Vorhang immer noch zu, aber alle Fragen beantwortet. Die Bewertung steht immer schon fest, bevor die Nachricht überhaupt überbracht wurde, und dann gehen sich alle an die Gurgel.“

Die Filmregisseurin Caroline Link befindet:

„Demokratie funktioniert nur, wenn jeder Einzelne grundsätzlich anerkennt, dass auch die Meinung von Andersdenkenden gehört werden muss. Unsere Welt ist kompliziert. Ein friedlicher Austausch von Standpunkten, auch außerhalb der eigenen Blase, schützt vor Radikalisierung.“

Und Initiatorin Ulrike Guérot schrieb:

„Als jemand, der bereits zwei Morddrohungen bekommen hat, weil ich mich öffentlich kritisch über die Lockdown-Maßnahmen geäußert habe, erlebe ich zum ersten Mal eine bis dato nicht gekannte Polarisierung einer öffentlichen Diskussion am eigenen Leib – nämlich eine Situation, in der kritische Personen an den Rand einer fest gefügten und in ihren Grundannahmen fast verbarrikadierten Debatte gedrängt und obendrein bedroht werden. Es ist dringend Zeit, diese Diskussion zu versachlichen und wieder Sprecher und Argument zu trennen. Nicht jeder, der sich kritisch zu den Corona-Maßnahmen äußert, ist ein ‚Aluhut‘, ‚Reichsbürger‘ oder ‚rechts‘.“

Im Großen und Ganzen ist die Aktion sicherlich als positiv zu bewerten, vor allem, da Kritik zur hiesigen Diskussionskultur bislang kaum von Vertretern des Showbiz, geschweige denn A-Promis kam. Eine Tapferkeits-Urkunde hat sich in dieser Hinsicht in jedem Fall die Sängerin Nena verdient. Nachdem im Februar der Konzertveranstalter Eventim eine Impfpflicht auf Veranstaltungen in Aussicht gestellt hatte, hatte die Sängerin in Hinblick auf ihre eigene Tour öffentlichkeitswirksam dagegen Stellung bezogen. Und gerade zeigte sie Solidarität mit den Demonstranten der Corona-Demo in Kassel.

Heute Abend ab 19 Uhr diskutieren Maik Schnierer, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Franziska Augstein, Jürgen Overhoff und René Schlott im Live-Stream über das Manifest. Das ganze findet auf der Homepage der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit statt.

Foto: Ulrike Stockmann

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Thomas Schmied / 25.03.2021

Das “Appell für freie Debattenräume” zu unterstützen, erforderte noch echten Mut und Charakter. Man setzte sich der Gefahr aus, dem zum Opfer zu fallen, was man kritisierte. Man könnte es auch kurz fassen: Sie wollen sich nicht mit den heute Herrschenden anlegen, sich in einigen Jahren aber auch nicht vorwerfen lassen müssen, geschwiegen zu haben. Man weiß ja nie, wem man dann gefallen muß. Sicher ist sicher und wenn man sein Gewissen erleichtern kann, ohne auf der Abschussliste zu landen, dann ist das doch ein guter Kompromiss. Keine Ahnung, ob sich in Sachen “Corona” gerade wirklich der Wind dreht, doch gewisse Anzeichen sorgen eben dafür, dass sich auch mancher Hals leicht wendet. Man will ja nicht auf der falschen Seite gestanden haben. So deute ich jedenfalls diesen politisch korrekten Aufguss mit seinen eingebauten Widersprüchen.

Dr. Günter Crecelius / 25.03.2021

‘Wie kann man ein Plädoyer für mehr Meinungsvielfalt verfassen und bereits im zweiten Absatz Ausgrenzung betreiben.’ Damit haben Sie nach meiner Meinung den Erguß hinreichend bewertet. Den selbsternannte Geistesgrößen ist die Inkonsistenz ihres Geschwafels vermutlich nicht einmal bewußt.

T. Schneegaß / 25.03.2021

Jan Josef Liefers? Vergessen wir es!!! Ein Systemling allererster Güte. Widerlich! Geht dem vielleicht irgendetwas ans Portemonnaie?

Rainer Niersberger / 25.03.2021

Es genuegt, einige der Initiatoren und Aktive zu kennen, um diese an sich begruessenswerte Aktion richtig einordnen zu koennen. Die Ziele von Frau Guerot jenseits ihrer zutreffenden Kritik sind bekannt. Bisher hat sie jede Gelegenheit, fuer die Freiheit der Anders denkenden, zum Beispiel in der Frage der Nation gegenueber “Europa” einzutreten, leider nicht genutzt. Auch sie moechte neu konstruieren.

Matthias Popp / 25.03.2021

Nachtrag: Aufpassen, dass es uns nicht so geht wie am Ende der DDR. Die wenigen Mutigen holen die Kohlen aus dem Feuer und das Pack aus Mitläufern und Wendehälsen sahnt hinterher ab.

Matthias Popp / 25.03.2021

Ulrike Guerot marschiert an vorderster Front, wenn es um die Auflösung der deutschen Souveränität zugunsten des Molochs von Brüssel geht. Vorsicht vor falschen Freunden und Wendehälsen.

Robert Bauer / 25.03.2021

Guérot und Liefers - der Mainstream verläßt das sinkende Schiff. Diese Namen können nicht beeindrucken.

Bernhard Maxara / 25.03.2021

Die “andere Meinung” zuzulassen wird nur leider kompliziert, wenn bei 999,99 % gesunder Bevölkerung eine Gesundheitsoligarchie von einer “Epidemie von nationaler Tragweite” reden darf, wenn “Lockdowns” vor aller Augen versagen, aber nun gerade verlängert werden, und beides von der halben Menschheit als richtig gefunden wird und vieles andere mehr. Es gibt keinen Verständigungsweg, wenn zwei Diskutanten garnicht anders können als einander als Vollidioten anzusehen; das vorige Mal, als diese Situation vorlag, konnte nur die brutalste Gewalt obsiegen, damals Folterkammer und Scheiterhaufen, heute…?

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