Manfred Weber zum Fremdschämen

In der ZDF-Sendung „Was nun, Europa“ hat Manfred Weber (CSU), der Spitzenkandidat der EVP für das Europaparlament, auf die Frage, ob er sich mit den Stimmen von Orbán und Fidesz zum Präsidenten der Kommission der EU wählen lassen würdegeantwortet:

„Dann werde ich das Amt nicht annehmen, weil ich nicht von Rechten gewählt werden will. Ich will von der Mitte heraus ambitioniert in die Zukunft gehen. Ich will klar machen, dass die Mitte das Dominante ist, weder von links, von Kommunisten, noch von rechts, von Nationalisten.“

Nun, ob er in einem solchen Falle das Amt nicht annehmen würde, lassen wir mal dahingestellt. Wir werden es ja sehen. Entscheidender ist dies: Was genau Weber unter der „Mitte“ versteht, blieb ebenso offen, wie er vor kurzem auch nicht weiter erläuterte, welche „europäischen Werte“ genau er meinte, die er „global durchsetzen“ wolle. Eigentlich konnte er nur die freiheitlichen Werte gemeint haben, doch eben diese werden schon seit längerem weder von seiner Partei, noch von der CDU, der SPD, den Grünen und schon gar nicht von der Partei Die Linke hochgehalten. Selbst die Liberalen sind nicht dadurch aufgefallen, das Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung der Bürger und der Völker leidenschaftlich verteidigt zu haben.

Und wie steht Orbán zur Freiheit? Jedenfalls ist es nicht nur reichlich vermessen, sondern eine bodenlose Frechheit, den Antikommunisten des Totalitarismus zu bezichtigen, indem man ihn in eine Reihe mit den Kommunisten stellt. Marxistisch-leninistische Ideen kommen vielmehr auffallend oft von einer Seite, auf der Weber nun offenbar um Stimmen wirbt. Kühnerts Enteignungsfantasien, von denen auch die Grünen angetan sind, sind keine harmlosen Spinnereien. Webers Auftritt gegenüber Orbán ist auch deshalb eine Beleidigung, weil Ungarn vor dreißig Jahren eine ganz entscheidende Rolle dabei spielte, den Eisernen Vorhang durchlässiger zu machen. Ungarn brachte damit einen Stein ins Rollen, wofür gerade wir Deutschen dankbar sein sollten.

Das selbstverschuldete Dilemma der europäischen Christdemokraten

In der österreichischen Kleinen Zeitung hatte Orbán das selbstverschuldete Dilemma der europäischen Christdemokraten angesprochen und eindringlich vor den Folgen gewarnt:

„Was geschieht? Die Christdemokraten in Europa, aber ganz besonders in Deutschland entwickeln sich nach links. Wenn das so weitergeht und sie immer wieder Koalitionen mit Linken, mit Sozialisten eingehen, dann müssen sie Kompromisse eingehen, und sie verlieren ihre Identitäten und ihre Werte. […] Die Europäische Volkspartei will nach links gehen. Das wird zwei Folgen haben: Zum einen werden sie ihre Identität verlieren. Zum anderen werden sie wirtschaftlich gesehen ein sozialistisches Europa bauen, das die internationale Wettbewerbsfähigkeit verliert.“

Was immer man auch von Orbán halten mag: Diese Aussagen sind kein bisschen „nationalistisch“ oder „rechtspopulistisch“. Tatsache ist, dass führende Unionspolitiker inzwischen ganz offen darüber nachgedacht haben, mit den SED-Nachfolgern eine Zusammenarbeit einzugehen. Das ist ein Tabubruch sondergleichen, den ich hier schon thematisiert habe, den aber kaum jemanden aufzuregen scheint. Auch habe ich hier darauf hingewiesen, dass die Unionsparteien ihre eigene Politik desavouieren. Was sie sich davon versprechen, bleibt ganz alleine ihre Geheimnis.

Auf jeden Fall aber fragt man sich, ob Weber sich eigentlich bewusst ist, was seine Aussagen ziemlich genau dreißig Jahre nach den durch die SED gefälschten Kommunalwahlen bedeuten, dreißig Jahre, nachdem immer mehr Bürger jenseits des Eisernen Vorhangs sich mutig gegen die Wahlfälschungen ebenso wie gegen die kommunistische Unterdrückung stellten. Damals hatte seine CSU sich ganz klar auf die Seite dieser Menschen gestellt. Wenn sie es heute nicht mehr tut, ist es ist ein verheerendes Signal gegenüber allen, die 1989 Leib und Leben für die Freiheit riskiert haben – und das in einer Zeit, in der Ideen zu Zwangskollektivierungen fröhlich Urständ feiern. Es ist zum fremdschämen.

Foto: Marc Dossmann/ European Union 2018

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Leserpost

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Andreas Rochow / 08.05.2019

Der eine sieht Anlass zum Fremdschämen ob der Selbstentlarvung des “Kommissions-Kandidaten” Weber, CSU. Ich zähle zu jenen, die diesen PR-Unfall mit einiger Schadenfreude verbuchen. Nichts Anderes als der völlige Verlust von Maß und Mitte, hat diesen ermöglicht. Und der Wähler weiß spätestens jetzt, wo er sein einziges EU-Kreuz nicht machen darf.

Gotthelm Fugge / 08.05.2019

Auch das ist ein Hr. Weber / WeLT-Online / 20190427: ““Manfred Weber will die Migrationspolitik in der EU zur Chefsache machen. Als möglicher neuer Kommissionspräsident strebt der CSU-Politiker einen Grundsatzplan zur Seenotrettung an. Der Tod im Mittelmeer müsse beendet werden. Dazu bedürfe es einer Stärkung der Seenotrettung, fordert der EVP-Politiker. Europa müsse in der Außenpolitik endlich zu einer einheitlichen Sprache kommen, forderte Weber. Für ihn bedeute das, vom Einstimmigkeits- zum Mehrheitsprinzip bei außenpolitischen Entscheidungen im Rat überzugehen.”” Alles sehr bedenklich und für mich immer “Ein Weiter So”. Eigentlich gibt es kein Thema in seinem Wahlkampf, was dieser eher narzisstisch Veranlagte included und gepaart mit einem paranoiden Größenwahnsinn nicht zur Chefsache erheben will. Die Vielzahl seiner Versprechen sprengt den Kommentatorrahmen dann doch gewaltig. Dieser Politiker ist einfach nur peinlich. Vielleicht findet man für ihn auch einen treffenden Skalenwert auf der “Neue Skalen & -werte am politischen Himmel” im Wandel der Zeiten: - Hochgradiger ATAVISMUS, wider dem indigenen, autochthonen deutschen Staatsvolk, wird in Merkel gemessen / - BILDUNGSFERNE & EXTREME KURZSICHTIGKEIT in Kevin (Künast, mit seinem Ansinnen schießt man sich echt in die Clownsecke) / - ZUKUNFT in (Sebastian) Kurz („Ich biete Ihnen [den zukünftigen deutschen Investoren in Österreich] Rechtssicherheit“).

Karl-Heinz Vonderstein / 08.05.2019

CSU und CDU waren mal Parteien, die durch und durch konservativ waren und für konservative Werte standen und somit rechts im demokratischen Spektrum. Der Gegner waren vor allem die Linken von der SPD und dann gabs noch die Liberalen von der FDP, mit der die Union oft Koalitionen einging. Dann kamen die Grünen dazu, auch links und später Die Linke, noch linker als SPD und Grüne und schließlich die rechte AfD, rechts von CDU und CSU, wie es heißt und man sprach von einem Rechtsruck als die in den Bundestag kamen. Dabei hatte sich die Union seit Merkel längst immer mehr nach links bewegt und orientiert. Die AfD ist die einzige echte rechte Partei im Bundestag heute. Ich behaupte Mal, eine gut funktionierende Demokratie braucht rechte und linke Parteien, die um die Macht streiten und jeder für sich eine Vorstellung davon hat, wie das Land auszusehen hat. Aber man hat im Laufe der Zeit alles, was politisch rechts ist, dämonisiert, auch den Konservatismus. Heute müssen Parteien im Bundestag und den Landesparlamenten für Multi Kulti, Migration und Willkommenskultur, für den Ausstieg aus der Kernenergie und Kohle und für Erneuerbare Energien, für die Homoehe und für die Rettung des “menschengemachten Klimawandels” sein.Wenn eine Partei und seine Mitglieder das nicht so sehen, sind sie Feinde der Demokratie, populistisch, menschenverachtend, Klimaleugner, homophob usw. und Außenseiter.    

Frank Stricker / 08.05.2019

Habe mir gestern das “Duell” Weber vs Timmermanns für einige Minuten angetan. Handverlesenes Publikum , frisch von der Demo Friday for future rangekarrt , die ganze Welt ist Links und Grün ! Beide Kandidaten zum fremdschämen ,Not gegen Elend. Jeder versuchte den anderen links zu überholen. Höhepunkt des Desasters war die Feststellung Timmermanns , der italienische Innenminister Salvini wäre schuld an den schlimmen Zuständen in Libyen , bitte dringend die Risiken und Nebenwirkungen beachten…………….

Karla Kuhn / 08.05.2019

Ich habe gelesen, daß Herr Orban WEBER KEINE STIMME gibt !!  Und das ist gut so !!  Immer diese leeren Versprechungen !!  WER hatte gesagt, wenn die Afd in den Bundestag kommt….. auch nur eine LEERE Verprechung, SCHADE !!  WER /WAS hat denn den Riss mit Orban herbeigeführt ?? Die Merkelsche Flüchtlingspolitik und anstatt Weber versucht den Riss zu kitten, treibt er den Keil noch weiter rein. Und der will der EU vorstehen ??

Wiebke Lenz / 08.05.2019

Nun, 1. war Victor Orban aktiv daran beteiligt, dass damals ein Machtwechsel stattfand. (Im Gegensatz zur BK Dr. A. M. - es kann ja nicht jeder plötzlich und unerwartet nach seiner Tätigkeit in einer sozialistischen Jugendorganisation seine christlichen Wurzeln extrem entdecken und hochhalten.) 2. hatte sich Orban 2015 streng an die EU-Regeln gehalten, er wollte keine “Flüchtlinge” weiterreisen lassen, da das Land, in dem die Asylbegehrenden ankommen, die Anträge zu bearbeiten hat. Die Asylsuchenden hatten schlicht “keine Böcke” in Ungarn zu bleiben und wollten weiterziehen. Orban ist also schon in diesem Falle nicht des Nationalismus zu bezichtigen, auch wenn es gerne so dargestellt wird. Auch bei heutigen Grenzbefestigungen zur EU-Außengrenze hält er sich lediglich an die Maßgaben des Schengen-Abkommens. Aber auch dieses wird ja nicht gerne gesehen, wie Urteile bzgl. Asylbewerbern beim EU-Gericht belegen, da diese nach Serbien zurückgeführt werden. Wenn sich nun also ein Herr Weber hinstellt und meint, dass rechts im Sinne von konservativ schlecht und verdammenswert ist, so sollte er ggf. mal seine eigenen Werte überprüfen. Wobei mir einfällt: Ich persönlich habe auch meine ganz spezifischen Werte. Ich käme aber nicht auf die Idee, andere zu “missionieren”. Insofern empfinde ich es schon als eine ziemliche Hybris zu äußern, man müsste “europäische Werte” “global (!) durchsetzen” ...

Ingeborg Runge / 08.05.2019

Ich möchte zu unserer Afrika-Politik anmerken, dass wir seit Jahrzehnten Unsummen, wirklich, kaum noch zu nennende Geldbeträge - ohne Bedingungen(!) -  an Entwicklungshilfe in die verschiedenen Länder Afrikas geschickt haben. Erfolg? Absolut keiner!! Die Gelder sind in die Taschen der sog. “Eliten”, also absolut korrupter Politiker,  geflossen, und die Menschen in allen Ländern sind so arm, ungebildet und bedürftig geblieben wie eh und je! Meine Überzeugung:  1. Nie wieder einen Euro Entwicklungshilfe ohne strikte, kontrollierbare Auflagen! 2. Ab sofort kostenlose Verhütungsmittel an alle Frauen in allen afrikanischen Ländern, sonst wird die dortige rapide Bevölkerungs-Zunahme die ganze Welt ins Unglück stürzen!   Ingeborg Runge

Dr. Gerhard Giesemann / 08.05.2019

@Detlef Dechant: DDR war 1953 (17. Juni), Ungarn 1956, CSSR 1968

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