Carlos A. Gebauer, Gastautor / 30.05.2022 / 06:15 / Foto: Imago / 128 / Seite ausdrucken

Hilfe für das Management des Unwissens

Ein Verfassungsgericht muss den Bürgern Rechtssicherheit durch eigene Prinzipientreue geben. Wo reale Entscheidungsgrundlagen fehlen, da kommen staatliche Eingriffe in menschen- und bürgerrechtlich geschützte Sphären nicht als legitim in Betracht.

Zum etablierten Standardrepertoire zynischer Bonmots gehört auf der Hohen See aller Justiz der immer wieder gerne hergesagte Satz: „Ein guter Jurist muss alles begründen können – nötigenfalls auch das exakte Gegenteil.“

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichtes hat diesem bitter-flotten Spruch am 27. April 2022 bedauerlicherweise eine detaillierte Gebrauchsanweisung in 281 Abschnitten beigesellt. Am 19. Mai 2022 veröffentlichte er seinen Beschluss 1 BvR 2649/21 zu „Impfnachweisen (COVID-19)“, mit dem die Verfassungsbeschwerden von 54 im Medizinbereich tätigen Beschwerdeführern gegen eine sogenannte „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ vollständig zurückgewiesen wurden.

Mitnichten ein Meisterstück

Die Entscheidung der Karlsruher Verfassungsrichter ist leider mitnichten ein Meisterstück in dem Sinne, dass die Prinzipien des Rechts in herausragender und überzeugender Weise dargestellt und zur Begründung der Rechtsfindung auf einen konkreten Fall angewendet worden wären. Der Beschluss zeigt vielmehr eine Argumentationstechnik, mit der sämtliche von ihr thematisierten Tatsachenunsicherheiten jeweils nur so eindimensional beleuchtet werden, damit trotz konsequenter Widersprüchlichkeit der angelegten Maßstäbe zuletzt das verkündete Ergebnis verfassungsrechtlich schlüssig erscheine. Damit wird – in ein und demselben Beschluss – erläutert, warum der Gesetzgeber einem hypothetischen Todesrisiko unter allen Umständen begegnen durfte, ein anderes jedoch überhaupt nicht ins Gewicht fallen lassen musste. Kurz: Der Präsidentensenat des Bundesverfassungsgerichtes begründet in dieser Entscheidung rundweg das eine und zugleich das genaue Gegenteil. In Anbetracht des Ernstes der Sache ist dieser Vorgehensweise der acht Verfassungsrichter – abseits des eingangs zitierten, lockeren Aperçus – mit scharfer Kritik entgegenzutreten.

Worum geht es? Ärzte (und umfänglich gesetzgeberisch weiter einbezogenes medizinisches Personal) haben sich seit dem 16. März 2022 gegen das Risiko einer Infektion mit SARS-CoV-2 mit einer Impfarznei behandeln zu lassen und müssen dies gegenüber einem zuständigen Gesundheitsamt nachweisen. Erbringen sie diesen Nachweis – oder ersatzweise den spezifizierten Nachweis einer Genesung bzw. einer attestierten Kontraindikation – nicht, droht ihnen anschließend ein Berufsverbot. Den Gesundheitsämtern sind Ermessensspielräume eröffnet.

Ziel der Maßnahme ist, namentlich besonders verletzliche Menschen (alte und „vulnerable“) vor einer Infektion mit dem neuartigen Krankheitserreger zu schützen, der „sehr besorgniserregend“ sei und in unbeherrschbaren Wellen immer wiederkehre. Das Ziel, diese Vulnerablen zu schützen, darf der Gesetzgeber nach Meinung des Verfassungsgerichtes dadurch verfolgen, dass er alles medizinische Personal faktisch zwinge, sich selbst mit einer   der neuartigen Impfarzneien behandeln zu lassen, auch wenn der Tod des so Behandelten nicht sicher auszuschließen sei. Personal, das dieses Risiko scheue, verliere dann eben in eigener Entscheidung die Möglichkeit, weiterhin wie zuvor beruflich tätig zu sein.

Niemand weiß wirklich Bescheid

Im Zentrum des Problems steht nach allem die Abwägung verschiedener Risiken: Niemand weiß, wie gefährlich die aktuelle Variante des seit 2019 umhergehenden Virus noch ist. Niemand weiß aber auch, wie wirksam oder wie gefährlich die Versuche sind, der nun in den vierten Herbst strebenden Epidemie mittels neuartiger, nicht regulär zugelassener Impfarzneien entgegenzutreten. Anders gesagt: Das Bundesverfassungsgericht sah sich durch die 54 Verfassungsbeschwerden vor die Frage gestellt, mehrere Wahrscheinlichkeitserwägungen miteinander abzugleichen.

Wie wahrscheinlich ist es, dass sich ein Mensch mit einem Coronavirus infiziert?

Wie wahrscheinlich ist es, dass diese Infektion sich zu ernstlichen Gesundheitsproblemen für ihn und andere auswächst?

Wie wahrscheinlich ist, dass entstehende Krankheiten nicht mehr zu beherrschen sein werden?

Wie wahrscheinlich ist umgekehrt, dem Risiko solcher Infektionen mittels neuartiger Impfarzneien effektiv begegnen zu können?

Wenn die Arzneien Vulnerable nicht wirksam schützen können, wie wahrscheinlich ist dann, dass sie medizinisches Personal als Gefahrenpotential für diese Menschen ausschließen können?

Und, vor allem: Welche Gefahren werden wahrscheinlich durch die Impfarzneien selbst für das Personal heraufbeschworen, das sich einer solchen experimentellen Therapie unterziehen soll?

Zusätzlich pikant auf dieser Wahrscheinlichkeitsschaukel ist, dass weder der Gesetzgeber noch das Bundesverfassungsgericht selbst damit argumentieren durften, dass wahrscheinlich durch die einschlägige Behandlung weniger Ärzte sterben würden als durch deren Nichtbehandlung dann Vulnerable sterben würden. Denn Leben gegen Leben aufzurechnen, ist noch immer ein unerlaubter Begründungstopos.

Urteil auf schwankendem Grund

Liest man den Beschluss des Gerichtes vom 27. April 2022, dann imponieren die praktisch allerorts zugestanden Unwissenheiten. Wie vollends schwankend der Grund ist, auf dem auch die Beurteilung des Verfassungsgerichtes angesichts dieses allumfassenden Nichtwissens ist, macht etwa eine Passage aus der Textziffer 152 des Beschlusses augenfällig:

„Die Einschätzung und die Prognose der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahren sind verfassungsrechtlich darauf zu überprüfen, ob sie auf einer hinreichend gesicherten Grundlage beruhen. Je nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter und den Möglichkeiten des Gesetzgebers, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, kann die verfassungsgerichtliche Überprüfung dabei von einer bloßen Evidenz- über eine Vertretbarkeits- bis hin zu einer intensivierten inhaltlichen Kontrolle reichen.

Geht es um schwerwiegende Grundrechtseingriffe, dürfen Unklarheiten in der Bewertung von Tatsachen grundsätzlich nicht ohne Weiteres zu Lasten der Grundrechtsträger gehen. Jedoch kann sich – wie hier – auch die Schutzpflicht des Staates auf dringende verfassungsrechtliche Schutzbedarfe beziehen. Sind wegen Unwägbarkeiten der wissenschaftlichen Erkenntnislage die Möglichkeiten des Gesetzgebers begrenzt, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, genügt es daher, wenn er sich an einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung der ihm verfügbaren Informationen und Erkenntnismöglichkeiten orientiert.

Anders gesagt: Wenn man zu einem Thema mangels greifbarer Grundlage selbst bei intensivierter Kontrolle keine Klarheit gewinnen kann und auch Wissenschaftler nicht helfen können, das Unwägbare zu begreifen, dann soll es hinreichen, die eigene Beurteilung bei der Entscheidung auf die einem selbst verfügbaren Erkenntnismöglichkeiten zu stützen. Unwissen des Gesetzgebers und selbst Unwissen des Verfassungsgerichtes schützt demnach also nicht davor, dass dem Bürger im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen ein gesetzlicher Befehl erteilt werden kann. Liege ich falsch, wenn ich das für irritierend halte?

Experimenteller Akt

Im Ausgangspunkt war das Grundgesetz eine Verfassung, mit der eine freiheitlich-demokratische Grundordnung beschrieben werden sollte. Dazu gehörte eine prinzipiell eigenverantwortliche Lebensgestaltung im Rahmen der Gesetze, die Last, Verantwortung für eigene Entscheidungen zu übernehmen und das Versprechen, vor willkürlichen, unbegründeten oder unbegründbaren staatlichen Befehlen geschützt zu sein. In widerspruchsfreiem Einklang mit dieser Grundausrichtung der bundesrepublikanischen Verfassung stand, dass der Bürger vor unsicheren medizinischen Eingriffen sicher sein konnte. Die Behandlung mit (noch) nicht regulär zugelassenen Arzneimitteln galt lange Zeit als experimenteller Akt. In der aktuellen Fassung der Helsinki-Deklaration bekräftigen die Ärzte der Welt:

„Es ist die Pflicht des Arztes, der sich an medizinischer Forschung beteiligt, das Leben, die Gesundheit, die Würde, die Integrität, das Selbstbestimmungsrecht, die Privatsphäre und die Vertraulichkeit persönlicher Informationen der Versuchsteilnehmer zu schützen“. Und in dem Nürnberger Kodex, aus dem diese Deklaration hervorgegangen ist, hieß es u.a.: „Die freiwillige Zustimmung der Versuchsperson ist unbedingt erforderlich ... unbeeinflusst durch Gewalt, Betrug, List, Druck, Vortäuschung oder irgendeine andere Form der Überredung oder des Zwanges... Die Gefährdung darf niemals über jene Grenzen hinausgehen, die durch die humanitäre Bedeutung des zu lösenden Problems vorgegeben sind.“

Entgegen dieser Grundsätze führt das Bundesverfassungsgericht jetzt aus:

„Dieser Spielraum [scil.: für den Gesetzgeber] gründet auf der durch das Grundgesetz dem demokratisch in besonderer Weise legitimierten Gesetzgeber zugewiesenen Verantwortung dafür, Konflikte zwischen hoch- und höchstrangigen Interessen trotz ungewisser Lage zu entscheiden.“

Nicht mehr der mit einer experimentellen Impfarznei Behandelte selbst soll frei von Druck, Überredung oder Zwang entscheiden, ob er das Risiko des Versuches mit seinem Körper eingeht, sondern der Gesetzgeber entscheidet es für ihn. Und obwohl durch die Gabe jener Impfarznei sein „Tod nicht sicher ausschließbar“ ist, wie es dann in der Verfassungsgerichtsentscheidung unter Textziffer 231 heißt, sei der Gesetzgeber „tragfähig“ davon ausgegangen, ohne solche Maßnahmen werde sich die „pandemische Lage weiter verschlechtern“. Wo aber doch der mögliche Tod des einen in Kauf genommen wird, um den möglichen Tod eines anderen abzuwenden – ist man da nicht über die Grenzen hinausgegangen, die durch die Lösung des Problems in den Grenzen der Humanität vorgegeben sind?

Die „Möglichkeit“ den Beruf zu wechseln

Das Bundesverfassungsgericht versucht, diesem Dilemma – ebenso wie der Gesetzgeber zuvor – durch einen kausalen Zwischenschritt zu entgehen. Die gesetzliche Konstruktion verpflichte das betroffene Personal schließlich nicht, sich tatsächlich der Impftherapie zu unterziehen. Denjenigen, die dieses Risiko nicht eingehen wollten, bliebe vielmehr die Möglichkeit, ihren Beruf zu wechseln. Das könne auch legitimerweise mit Härten verbunden sein:

„Die mit der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht verbundenen Freiheitseinbußen können von den Betroffenen nach dem Außerkrafttreten der angegriffenen Regelungen auch nicht vollständig revidiert oder kompensiert werden, sondern können weiterhin belastende Wirkungen entfalten. Eine durchgeführte Impfung ist irreversibel. Auch ein Wechsel des Berufs oder der konkreten Tätigkeit kann nach über neun Monaten – trotz der hohen Nachfrage nach Arbeitskräften im Gesundheits- und Pflegebereich – nicht sicher wieder rückgängig gemacht werden. Dies gilt zumal für selbständig Tätige, die nach einer über neunmonatigen Praxisschließung auch existenziell betroffen sein können.“

Mit anderen Worten: Niemand werde durch das bis zum 31.12.2022 befristete Gesetz gezwungen, sich behandeln zu lassen. Es stehe vielmehr jedem frei, anstelle dessen die eigene wirtschaftliche Existenz aufzugeben. Dass dies in Wahrheit keine legitime Variante gegenüber einem offenen Behandlungszwang ist, folgt jedoch schon aus dem ersten Leitsatz der Entscheidung des Gerichtes selbst. Dort wird nämlich konstatiert, dass ein nur mittelbarer Eingriff des Gesetzes in Grundrechte ebenso einer verfassungsrechtlichen Legitimation bedarf wie ein unmittelbarer. Wenn aber der mittelbare Eingriff dem unmittelbaren somit gleichgestellt ist, kommt auch nicht in Betracht, den mittelbaren zu einem irrelevanten Druck umzudeuten. Der Geist des Nürnberger Kodex und die Wertentscheidungen der Helsinki-Deklaration sind durch das Gesetz wie auch durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes gleichermaßen verletzt.

Die „besondere Sach- und Fachverstandsbündelung“ bei den staatlichen Behörden

Der wesentliche Widerspruch, der sich tragend durch die gesamte Entscheidung des Gerichtes zieht, liegt in der konsequent bipolaren Gewichtung des beschriebenen Risikos. Während das Risiko für Vulnerable, infiziert werden zu können und – unter ungünstigen Umständen – sterben zu müssen, immer wieder für relevant erklärt wird, werden alle Gefahren aus der Gabe der bedingt zugelassenen Impfarzneien zur bloß theoretischen Variante verkleinert.

Die Entwicklung der Pandemie ist für das Gericht immer „sehr besorgniserregend“, sie zeige eine „gefährliche, schwer vorhersehbare Dynamik“. Selbst ein soeben per PCR-Tests als ungefährlich erkannter Mensch könnte sich sofort in dem Moment nach der Testung schon infiziert haben und damit zu einer unerkannt-symptomlosen Gefahrenquelle für Vulnerable geworden sein (Textziffer 188, 196). Demgegenüber seien Impfkomplikationen allenfalls „statistisch möglich, aber höchst selten“ (Textziffer 223). Nur eine „maximale Reduktion der Übertragungsraten“ biete Sicherheit „im Hinblick auf die neuartige Omikron-Variante“ (Textziffer 174).

Immer wieder betont die Entscheidung des Präsidentensenates aber nicht nur die Unsicherheiten im Tatsächlichen, sondern auch die besondere Sach- und Fachverstandsbündelung (Textziffer 137) bei den staatlichen Behörden der Bundesrepublik. Hinter diesem exzellenten Management des Unwissens mag auch das Bundesverfassungsgericht nicht hervortreten. Das dortige Expertenhandeln könne von ihm „lediglich in begrenztem Umfang überprüft werden“.

Kein relevantes Sterben

Bei aller offenkundigen Mühe, jenen argumentativen Gang durch die Wahrscheinlichkeiten widerspruchsfrei auszugestalten, kollidiert indes auch der authentische Interpret des Grundgesetzes immer wieder mit Implausibilitäten. Nach gängigem Verfassungsrecht ist es seine Aufgabe, Gesetze auch nach deren Verkündung an der Frage zu messen, ob zwischenzeitliche tatsächliche Entwicklungen die ursprünglichen Annahmen des Gesetzgebers null und nichtig haben werden lassen. Das Gericht verneint dies zwar am 27. April 2022 (Textziffer 234), muss aber einräumen, dass sich per 21. April 2022 rund 93 Prozent aller Erstauffrischer nicht noch einmal hatten zweitauffrischen lassen (Textziffer 9). Damit ist die Einschätzung des Robert Koch-Instituts vom 9. Dezember 2021 augenfällig widerlegt, nach der nur eine „rasche Erhöhung der Impfquoten“ die Pandemie noch hätte bändigen können. Der Widerspruch bleibt ebenso unaufgelöst wie der, dass trotz eines zu 70 Prozent ungeimpften Personals „mit engem Kontakt zu Vulnerablen“ kein relevantes Sterben festzustellen war (Textziffer 174), obwohl doch der Gesetzgeber schon die bloße Nichtwiderlegung eines nur möglichen mittelbaren Kontaktes (Textziffer 144) bereits als Gefahrenmoment eingestuft hatte. Und: Haben die acht Richter des ersten Senates in just diesem wöchentlichen Covid-Bericht des Robert Koch-Instituts vom 21. April 2022 auf Seite 30 den Hinweis übersehen:

„Auffallend ist das deutliche Absinken der berechneten Impfeffektivität sowohl der Grundimmunisierung als auch der Auffrischimpfungen gegenüber einer symptomatischen Infektion in allen Altersgruppen seit Anfang 2022, also mit Dominanz der Omikron-Variante“   und: „Seit Jahresbeginn 2022 sinkt auch die berechnete Impfeffektivität gegen Hospitalisierung“?

Gesamthaft markiert die Entscheidung des Ersten Senates vom 27. April 2022 einen weiteren substantiellen Epochenbruch in der deutschen Verfassungsrechtsprechung. Sie reiht sich ein in die Abfolge aus Entscheidungen zur sogenannten „Bundesnotbremse“ vom 30. November 2021 (1 BvR 781/21) wie auch zum „Klimawandel“ vom 24. März 2021 (1 BvR 2656/18). Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes von Rheinland-Pfalz, Lars Brocker, sprach kürzlich von dogmatischen „Pirouetten“, die man in Karlsruhe drehe, um grundrechtliche Freiheitsrechte in staatliche Eingriffsbefugnisse umzuinterpretieren. Ein konstitutionelles Ballett dieser Art kann aber nicht unwidersprochen bleiben.

Verspieltes Vertrauen

Wo tatsächliche Entscheidungsgrundlagen fehlen, da kommen staatliche Eingriffe in menschen- und bürgerrechtliche geschützte Sphären nicht als legitim in Betracht. Das Bundesverfassungsgericht läuft Gefahr, seinen über Jahrzehnte hinweg bei den Bundesbürgern erarbeiteten Ruf zu verspielen, verlässlicher Gewährsmann für einen angemessenen und modernen Grundrechtsschutz zu sein. Wie kann man angesichts einer soeben erst in aller Eile entwickelten Impfarznei argumentieren, das Paul-Ehrlich-Institut verfüge über jahrzehntelange Erfahrung in der Beurteilung von Impfarzneien (Textziffer 223)?

Überall dort, wo das Bundesverfassungsgericht nicht durch Urteil, sondern lediglich durch Beschluss entscheidet, hat weder eine mündliche Verhandlung stattgefunden noch eine Erörterung oder gar Beweisaufnahme in Gegenwart der Verfahrensbeteiligten. Hochumstrittene wissenschaftliche Fragen sind auch hier lediglich durch die Einholung von Stellungnahmen thematisiert worden. Wo Beschwerdeführern in dieser Verfahrensweise dann vorgehalten wird, ihr Vortrag zu einzelnen Fragen sei nicht „nachvollziehbar“, da steht – zumal bei Gerichten, die letztinstanzlich entscheiden – zwangsläufig der Vorwurf eines unfairen Prozessierens im Raum. Eine gerichtliche Entscheidung wird nicht dadurch besser, dass schwächelnde rechtliche Argumente durch einen entsprechend angepassten Tatbestand abgestützt werden.

Je größer und tiefer eine gesellschaftliche Krise ausfällt, desto intensiver und transparenter muss ein Verfassungsgericht den Bürgern Rechtssicherheit durch eigene Prinzipientreue geben. Macht es sich demgegenüber zu einer der Speerspitzen der politischen Transformation, läuft es Gefahr, nicht nur das eigene institutionelle Renommee, sondern auch die gesellschaftliche Akzeptanz für das gesamte geltende Recht zu verspielen.

Foto: Imago

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Heiko Stadler / 30.05.2022

Vorschlag: Vielleicht könnten Pflegekräfte, die ihre Gesundheit und ihr Leben vor der geldgierigen Pharmaindustrie schützen wollen, einen “Reinigungsservice” für alte und pflegebedürftige Menschen gründen. Ich würde sie bei Bedarf sofort beauftragen.

David Matthas / 30.05.2022

Für mich offenbart sich die deutsche Justiz ,die deutsche Politik und die Exekutive vorallem als eines: Eine Gefahr für Psyche , Leib und Seele .Desshalb spreche ich ihr jegliche Legitimation der Maßregelung mir gegenüber ab und betrachte sie als mir feindlich gesinnt.

Albert Pflüger / 30.05.2022

Es ist skandalös, daß die Regierung willkürlich Grundrechte einschränken kann, gerade deshalb, weil sie keinerlei valide Auswertungen über Krankheitsverläufe hat und Impfnebenwirkungen nicht vollständig erfaßt. Ein Freifahrtsschein, Inkompetenz und Schlamperei zur Einführung beliebiger Grundrechtseinschränkungen zu nutzen und die Rechtfertigung dafür in der Sphäre der Propaganda anzusiedeln! Grundrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegen einen übergriffigen Staat. So hebelt man sie aus!

Heiko Stadler / 30.05.2022

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts stützt sich auf der Aussage: “Ziel der Maßnahme ist, namentlich besonders verletzliche Menschen (alte und „vulnerable“) vor einer Infektion mit dem neuartigen Krankheitserreger zu schützen…”. Diese aus dem Ärmel gezauberte Aussage ist an Verlogenheit und Skrupellosigkeit nicht zu überbieten. Als über 60-Jähriger gehöre ich zu der oben genannten besonders “verletzlichen” Gruppe von Menschen, kurz: ich bin ein alter weißer Mann. So, so, jetzt müssen also junge Krankenschwestern als Versuchskaninchen herhalten, damit es den alten weißen Männern und den alten Frauen, die auch mal als alte Umweltsau bezeichnet werden, an nichts fehlt. Wann wurden wir denn gefragt, ob wir fordern, dass junges Pflegepersonal für uns geopfert werden soll? Ich sage ein klares NEIN zum Impfzwang für mein Pflegepersonal. Als besonders verletzlicher alter Mensch wünsche ich mir GESUNDES und UNGEIMFTES Pflegepersonal!

Siegfried Ulrich / 30.05.2022

Ein überzeugender Beweis für die himmelschreiende Rechtlosigkeit der Menschen in einem Land, dessen Regierungen meinen, von anderen die Einhaltung von rechtsstaatlichen Prinzipien fordern zu dürfen.  Sie wollen die Orwellsche Romanwelt in Beispielen live erleben? Dann kommen sie nach Deutschland!  Geliefert wird, was 2017 und 2021 gewählt wurde….

Karl Heinz Nusser / 30.05.2022

Der Grundstein für den Zustand (Judikative) wurde bereits bei der Auswahl der Richter gelegt. Habarth ist ein Parteisoldat und Merkelkuscher. Wo war der Aufschrei der Juristen (ich meine auch die Richterschaft) zum Zeitpunkt der Benennung von Habarth als Präsident? Oder ist es auch hier so, dass es eine Entrüstung vieler Beobachter gab (Juristen) und die Mainstreamer haben auch hier Unterdrücken und Verstecken geübt. Der “Karren” ist im Dreck und wir beobachten weiter des “da ist noch Luft in den Abgrund”. Ich fürchte wir werden über die Gerichte kein Recht mehr bekommen. Die Politik und die Parteien haben den Staat gekapert und ein freiwilliges Rückkehren zu Recht und Ordnung wird es nicht mehr geben.

Jörg Haerter / 30.05.2022

Man kann es auch kurz fassen. Die Begründung ist erstens für den Laien nicht zu verstehen und zweitens eindeutig politischer und nicht medizinischer Natur, obwohl man das gerne suggerieren möchte. Ein Bundesverfassungsgericht hat sich zwingend der Gewaltenteilung unterzuordnen und hat sich fern jeder Parteipolitik zu halten, beides trifft nicht zu. Und in welchen Staatsformen kann man solches beobachten? Seit die Abrissbirne aus der Uckermark an die Macht kam, geht es mit Deutschland stetig bergab. Man kann es in allen Bereichen beobachten. Jetzt ist man schneller fertig zu erwähnen, was in diesem Staate noch funktioniert, als aufzuzählen, was nicht. Ganz zu schweigen von der Verschleuderung von Steuergeldern in Milliardenhöhe, die Billion ist nicht mehr weit.. Wo sind sie eigentlich alle hin, die Kontrollinstanzen? Ach so, ich vergass. Sie kontrollieren sich selbst. Wie die Pharmaindustrie, der man dies erlaubt und glaubt ihren Studien. Wie ist eigentlich in einer Demokratur Statsversagen definiert?

Klaus Alfs / 30.05.2022

Das Verfassungsgericht hütet Verfassung so gut wie der Wolf die Schafe.

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