Anabel Schunke / 02.01.2018 / 06:15 / Foto: Anabel Schunke / 56 / Seite ausdrucken

Malte, Murat und die Liebe wie in Hollywood

Mia ist tot. Erstochen in einem DM-Drogeriemarkt von einem angeblich 15-jährigen afghanischen Asylbewerber. Er war ihr Ex-Freund, wofür man bei den Öffentlich-Rechtlichen und zahlreichen Initiativen „gegen Rassismus“ ziemlich dankbar zu sein scheint. Beziehungstaten hat es nämlich schon immer gegeben. Mit der Kultur des Heimatlandes von Abdul Mobin D., dem Täter von Kandel, hat das indes nichts zu tun. Mit der Religion, die nichts mit sich selbst zu tun hat, auch nicht.

Dabei ist vielen Menschen sehr wohl bewusst, was das Frauenbild in Afghanistan und anderen islamischen Ländern mit dem Verhalten des Täters zu tun hat. Die wichtigere Frage ist, was junge Mädchen und Frauen dazu antreibt, sich auf diese jungen Männer einzulassen.

Vielleicht sollten wir uns einmal fragen, wie politisch unsere eigene Kindheit und Jugend war. Sofern wir nicht gerade zu diesen gruseligen Menschen gehören, die mit 14 in die Junge Union eingetreten sind. Als 9/11 geschah, war ich dreizehn. Alt genug, um zu realisieren, dass das, was dort passierte, schlimm war. Zu jung, um es politisch einzuordnen. Es ist der Segen der Jugend, dass wir die Dimension von Ereignissen noch nicht abschätzen können. Dass wir furchtlos sind und uns für unsterblich halten. Dass die Probleme der Älteren nicht unsere sind. Dass man Jungs danach aussucht, ob sie süß und nicht, ob sie Deutsche oder Ausländer sind.

Ja, Mia hätte ich sein können. Mia hätte so gut wie jedes andere 15-jährige Mädchen sein können. Und was noch bedenklicher stimmt: Mia hätten auch viele erwachsene Frauen sein können.

Nicht nur ein Culture Clash

Denn was wir erleben, ist nicht nur ein Culture Clash, der sich an bekannten Streitthemen wie dem arabischen Judenhass und einem Staatsverständnis manifestiert, das zutiefst durch religiöse Vorstellungen geprägt ist. Er zeigt sich schon an kleineren Dingen, in der Art, wie Zuneigung signalisiert und Beziehungen geführt werden.

Junge muslimische Männer, wie der Täter von Kandel, haben oft zwei Gesichter, von denen sich das böse erst zeigt, wenn das eigene muslimische Ehrgefühl verletzt wird. Bis dahin erfüllen sie in vielfacher Hinsicht die Sehnsucht nach jener Hollywood-Liebe, die sich im Alltag der durchrationalisierten westlichen Gesellschaften kaum noch finden lässt.

Denn anders als die meisten deutschen Männer sprechen diese jungen Männer in deutlicheren Worten über Gefühle. Nach kurzer Zeit fallen bereits Worte wie „Schatz“ und „Liebe“. Es handelt sich um eine Art „Für-immer-und-ewig-Rhetorik“, die in ihrer Unkompliziertheit und vermeintlichen Unverdorbenheit eine Klarheit der Liebe suggeriert, wie man sie allenfalls noch aus romantischen Filmen kennt.

Eine Liebe, die in starker Abgrenzung zu dem steht, was uns zumeist in der nicht allzu gefühligen Realität westlicher Gesellschaften erwartet. Es ist jener irrationale, schmierige Kitsch, der bei jungen Mädchen und mitunter auch erwachsenen Frauen Sehnsüchte weckt, den man eigentlich längst zu den Akten gelegt hatte. Eine „Masche“, die deshalb funktioniert, weil sie auf fruchtbaren Boden fällt. Weil in einer Gesellschaft mit einer 50-prozentigen Scheidungsrate und einer Rekordzahl an Alleinerziehenden und kinderlosen Karrieremenschen an die Stelle, wo einmal die Vorstellung von „Für immer und ewig“ stand, eine Leere getreten ist, eine Leere, nach deren Kompensation sich insbesondere sensible Frauen und Mädchen sehnen.

Domestiziertes Weichei und schroffer Rationalist

Es ist die Ambivalenz des jungen deutschen Mannes, der oft in Abgrenzung zum temperamentvollen muslimischen Macho zugleich domestiziertes Weichei und schroffer Rationalist ist, der keine Sehnsüchte mehr zu wecken imstande ist. Niemand findet den Funktionsjacken-Träger sexy, und keine Frau findet es sonderlich romantisch, immer wieder zu hören, dass die Liebe an zweiter Stelle nach der Karriere, der eigenen Selbstverwirklichung kommt. Dass man nicht bereit ist, auch nur den kleinsten Kompromiss für sie einzugehen.

Man hat sie satt, die jungen Männer, die sich nicht binden wollen und können, selbst wenn ihre klaren Ansagen sehr viel ehrlicher sind, als das Geschwafel von Murat. Liebe ist insbesondere für Frauen auch immer ein bisschen Treibenlassen, Geheimnis und irrationale Leidenschaft und weniger der ehrliche, aber vorab gesteckte Rahmen über die Art der geplanten Beziehung zueinander und auch kein Tauschgeschäft, dessen Modalitäten im Voraus abgesteckt werden.

Fairerweise muss jedoch auch gesagt werden, dass das Problem ein hausgemachtes ist. Es gehört zum eigenen Selbstbetrug, den deutschen Mann unter dem Deckmantel der Emanzipation zu domestizieren und ihm immer dann Sexismus zu unterstellen, wenn er sich in Komplimenten und Höflichkeit übt, während man Murats Machogehabe mit einem Kultur- und Exotenbonus bedenkt – weil man sich insgeheim doch nicht den Soziologiestudenten und gegenderten Frauenversteher wünscht, sondern den richtigen Mann, der zeigt, wo es langgeht und dabei doch Gefühle zeigt.

Darüber hinaus werden dem westlichen Mann, anders als dem muslimischen, derlei Gefühlsausbrüche zumeist übelgenommen. Ist er distanziert und rational, ist es falsch. Ist er es nicht, ist er womöglich ein verrückter Stalker, und man fühlt sich schnell eingeengt. Wie er es macht, ist es verkehrt.

Der Grund liegt in der gleichen Lebenswelt, mit ihren gleichen Werten und Standards, die wir mit Malte-Thorben teilen, aber nicht mit Murat und Abdul Mobin. Während sich unter jungen Deutschen Verhaltensweisen durchgesetzt haben, die uns am Ende des Tages zwar nicht glücklich machen, aber zumindest wahnsinnig cool erscheinen lassen, suggeriert uns die vermeintliche Unverdorbenheit dieser anderen Liebe, dass wir endlich alles an Gefühlen herauslassen können, was wir uns aus Coolness-Gründen sonst immer verkniffen haben.

Weniger Liebe denn Masche

Dass auch diese Liebe nicht unverdorben ist, lernen wir meist erst im Erwachsenenalter, sofern wir über die Möglichkeit der Selbstreflexion verfügen und kulturelle Faktoren anders einordnen. Wir lernen, dass es weniger Liebe denn Masche ist und Malte-Thorben vielleicht nicht gut im Gefühle zeigen, aber dafür sicherlich aufrichtiger ist.

Mit 15 ist das anders. Da glauben wir noch an die große Liebe wie im Film. Da ist unser Leben noch nicht politisch. Da sind wir unsterblich, bis der Märchenprinz uns ein Messer in den Körper rammt. Da tragen wir keine Schuld, da sind wir Kind. Und auch heute wollen wir manchmal noch an die Liebe wie früher glauben.

Vermeintlich moralische Entscheidungen, wie die unkontrollierte Grenzöffnung, führen in ihren Resultaten meist zu Konsequenzen, die sich erst im weiteren Verlauf zeigen. Eine davon ist, dass die Sehnsucht über das, was wir gesellschaftlich verloren wähnen, nun vermeintlich von jungen Männern erfüllt wird, die nicht immer gute Absichten haben, die mit Zurückweisung nicht umgehen können und die weibliche Freiheit nur bedingt akzeptieren.

Es ist nicht Mias Schuld, sondern die Schuld einer Politik und medialen und gesellschaftlichen Debatte, die Vorsicht als Rassismus brandmarkt. Die nur den Blick nach vorne und die Schönrednerei kennt. Die Gefahren negiert und kulturelle Muster zu Einzelfällen macht. Deren größte Angst die angebliche Fremdenfeindlichkeit einer Gesellschaft ist. Und die nichts mehr fürchtet, als in die „rechte Ecke“ abgeschoben zu werden

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T. Mannewitz / 02.01.2018

Frau Schunke, den Philologenverband haben Sie in dieser Frage nicht hinter sich. Wir erinnern uns: Der Philologenverband in Sachsen-Anhalt (in Person von Dr. Mannke) wollte schon 2015 junge Mädchen durch Warnung und Aufklärung schützen. “Junge, kräftige, meist muslimische Männer” kämen ohne ihre Familie oder Frauen und “sicher nicht immer mit den ehrlichsten Absichten” nach Deutschland. Weil Frauen in muslimischen Ländern “nicht gleichberechtigt angesehen und oft nicht gerade würdevoll behandelt” würden, müsse man sich nun um die deutschen Mädchen sorgen. Immer wieder käme es zu sexuellen Belästigungen in öffentlichen Verkehrsmitteln und in Supermärkten. Mitglieder des Philologenverbandes sollten “unsere jungen Mädchen im Alter ab 12 Jahren so aufklären, dass sie sich nicht auf ein oberflächliches sexuelles Abenteuer mit sicher oft attraktiven muslimischen Männern einlassen”. Das öffentliche Echo: Der Bundesvorsitzende des Philologenverbands, Heinz-Peter Meidinger: “Nicht berechtigt und nicht akzeptabel” – “Aufgreifen von unbestätigten Gerüchten” – “in der schon jetzt aufgeheizten Situation mit Sicherheit nicht der richtige Weg” Sachsen-Anhalts Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) warf Mannke vor, er würde “Gerüchte verstärken” – “Halbwahrheiten verbreiten”. Landes-Fraktionschefin der Grünen, Claudia Dalbert: “Das ist inhaltlich auf einem unterirdischen Niveau, das bedient Vorurteile und den rechten Rand” Linken-Landeschefin Birke Bull: “Hetze!” Entsetzen allenthalben, Rücktritt von Dr. Jürgen Mannke. Das private Echo: Von 3 100 Zuschriften aus ganz Deutschland waren nur 270 wirklich gegen Dr. Mannke gerichtet. Dr. Mannke schildert den Fall aus seiner Sicht 2017 in dem Buch “Im Land der verschwiegenen Wahrheiten - Auf dem Schafott der politischen Meinungsbildung”

Belo Zibé / 02.01.2018

Malte-Thorben wird hingegen früh klar, dass Murats Schwestern unerreichbar bleiben,selbst wenn diese gerne in seiner »Funktions-Jackenwelt« leben würden. Danke für die treffende Analyse,Frau Schunke.

Christian Kaiser / 02.01.2018

Na, dann hoffe ich doch sehr, dass die werte Autorin ihre Geschlechtsgenossinnen mit dem Beschriebenen auch erreicht. Denn die, denen daran liegt, besitzen, wie von Ihr treffend erkannt, oftmals einfach nur das falsche Geschlecht, um Gehör zu finden. Es grüßt Sie: Der deutsche Mann, der diesem Dilemma langsam aber sicher den Rücken kehrt !!!

Thomas Bonin / 02.01.2018

Von meiner Warte aus würde ich die Beiträge auf der Achse wie folgt (grob) einordnen: Gut, Verdammt Gut, Unverschämt Gut. Die Ihrigen, verehrte Frau Schunke, zähle ich zur letztgenannten Kategorie. Bleiben Sie gesund resp. in bester Verfassung und halten Sie uns weiter auf dem Laufenden bzw. Trab ;-)

G. Arnold / 02.01.2018

Sehr gut erörtert - Bravo!

Dr. Karl Wolf / 02.01.2018

Wir 30jährigen Eingeborenen, die wir nicht erwachsen werden wollen, werden auch 2018 wie vorgeschrieben den Blick senken, wenn wir einer Gruppe dieser netten jungen Männer begegnen.

M. Haumann / 02.01.2018

Die österreichisch-amerikanische Soziologin Cheryl Benard belegt in ihrer Studie am Beispiel von Österreich, dass Afghanen bei besonders brutalen und verachtenden sexuellen Gewalttaten gegen Frauen einen auffallenden Spitzenplatz einnehmen. Es ist bezeichnend für die absolute Verantwortungslosigkeit der zahlreichen Schönredner auch und besonders der Medien, dass solche sachlichen Fakten nicht einmal dann an den Mann bzw. die Frau gebracht werden, wenn es für Mia zu spät für Warnungen ist, man aber anderen Mädchen und Frauen noch damit helfen könnte. Und stattdessen wie immer die Relativierer opportun aus dem Hut gezaubert werden, die nach einem grausamen Mord mit “besonderer Wertschätzung von Frauen in Afghanistan” durch die Medien ziehen dürfen. Gut, dass Sie hier einmal Schuld und Verantwortung thematisieren, Frau Schunke. Ich dachte, die Zeiten von Menschenopfern für irrationale und destruktive Ideologien hätten wir in Deutschland hinter uns gelassen.

Werner Arning / 02.01.2018

Was in unserem rundrum abgesicherten, verplanten und durchrationalisierten Leben verloren gegangen ist, ist das Unmittelbare des Lebens. Das Abenteuerliche, nicht Voraussehbare, das Leidenschaftliche. Genau dieser Umstand war für die Nachkriegsgenerationen ein Segen, denn sie hatten von „Abenteuer“ die Nase voll. Sicherheit und Ruhe wurde stattdessen angestrebt. Die heutigen Generationen sind nun eben dieser Sicherheit und Ruhe überdrüssig, sie sehnen sich teilweise nach dem Ungewissen, sie wollen das Magische des Lebens erspüren. Nicht Lebensversicherung und Aktiendepot, sondern der kriegsgestählte, verletzte, so geheimnisvolle, Leidenschaft und Gefühl versprechende Murat scheint ihnen verlockend. Er wirkt männlich, nimmt sich, was er möchte und hat doch schon so viel durchgemacht. Seinen Körper und seine Seele wieder gesund zu pflegen, erscheint viel aufregender als eine Beziehung zum Bankkaufmann von nebenan. Dass dieses Abenteuer möglicherweise seinen Preis hat, weiß eine 15-jährige nicht. Und wenn ihr dann klar wird, dass sie vielleicht doch lieber den Bankkaufmann hätte wählen sollen, kann es zu spät sein.

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