Mit einem Durchschnittsalter von 16 Jahren gewinnt Malis männliche Bevölkerung 2012 die Bronzemedaille für Jugendlichkeit. Silber wird nicht vergeben, weil Niger und Uganda mit 15 Jahren gleichauf liegen und somit beide eine Goldmedaille holen. Selbst langjährige Unruheherde wie Gaza mit mittlerweile 17,7 oder Afghanistan mit 17,8 männlichen Durchschnittsjahren wirken regelrecht gereift gegenüber dem Spitzentrio aus Afrika. Das zu 90 Prozent islamische Mali schafft zwischen 1963 und 2013 eine Vervierfachung seiner Bevölkerung von 4 auf 16 Millionen. Auch 2012 wird mit 6,35 Kindern pro Frauenleben (1,35 in D) klargemacht, dass man demografisch ganz vorne dabeibleiben will.
Frankreich, dessen Männer mit 38,8 Jahren für europäische Verhältnisse recht vital dastehen, führt seit dem 11. Januar Krieg in Mali. Würde man Deutschlands Mannschaft mit ihren 44,2 Jahren dazu befragen, ergäbe sich wohl tiefe Zögerlichkeit gegenüber der Teilnahme an der Schlacht. Da helfen auch Berlins Grüne nicht, die – wie schon Richtung Afghanistan, wo man jetzt laufen muss – den neuen Krieg begrüßen. Nun könnte man sich alle trockenen Zahlen schenken, wenn wenigstens die Konfliktexperten sie auf ihrem Radar hätten. Doch selbst CNNs oft gut informierter Faith Karimi weiß in seinem Essay „What’s behind the instability in Mali?” (14-01-13) davon nichts. Ist Frankreichs Präsidenten besser informiert?
Während François Hollande seinerzeit gegen Sarkozy einen überstürzten Abzug der Franzosen aus Afghanistan fordert und auch die Bindungen zwischen Paris und “la Françafrique” kappen will, hofft er in Mali auf das Glück der Waffen. Seine Hubschrauber und Jagdbomber töten am 13. Januar schnell und präzise über sechzig junge Rebellen. Sanda Ould Boumama als Sprecher ihrer Organisation Ansar Dine räumt das gegenüber CNN auch ein, warnt aber: „Dies ist ein heiliger Krieg. Tote sind dabei normal. Unsere Kämpfer sind bereit, für ihre Sache zu sterben”. Der Ex-Pazifist Hollande – dabei nahe an Vladimir Putins Tonfall gegen Tschetschenien - hatte zuvor verkündet, den Krieg „so lange wie erforderlich“ zu führen, um den „Terrorismus auszuradieren“.
Wenn er damit die überzähligen jungen Männer meint, dann lässt sich sein Ziel recht genau berechnen. 1995 leben in Mali 660.000 Knaben zwischen 10 und 14 Jahren, von denen die Jüngsten heuer 28 Jahre alt werden und damit fast schon im Veteranenalter stehen. 2010 gibt es in Mali schon eine Million Knaben zwischen 10 und 14 Jahren. Von ihnen werden erst 2028 die Jüngsten 28 Jahre alt sein. Malis Fähigkeit zum Rekrutieren und zum Absorbieren von Verlusten kann mithin weitere fünfzehn Jahre nur wachsen. Das sollte im Auge behalten, wer die Sterbebereitschaft von Ansar Dine nicht unterschätzen will. Schon deren Gegenoffensive vom 14.1. mit der Einnahme von Diabaly erwischt die Hollandes Militärs auf dem linken Fuß. Im Internet zeigen Kameraden der Ansar, die Shebab Islamisten Somalias, sogar Spottbegabung, wenn sie das Halskreuzchen eines abgeschossenen französischen als Beleg für die Hilflosigkeit des Christengottes online stellen.
„Leicht trennt nur die Jugend sich vom Leben“, weiß 1883 schon Preußens Truppenlehrer Colmar von der Goltz („Das Volk in Waffen“). Siebzehnjährige empfiehlt er für die Feuerlinie, weil Ältere schon an die Verlobte denken und nicht sterben wollen. Doch setzt ein solcher Vorschlag immer neue Wellen von Siebzehnjährigen voraus, die ihr Leben heroisch in die Schanze schlagen wollen, weil ältere Brüder die unblutigeren Positionen längst besetzt halten. Doch Goltz argumentiert damals realistisch, denn zu seiner Zeit sind die deutschen Frauen nicht weit entfernt von Malis aktueller Geburtenrate. 2013 aber ist Europa seit einem halben Jahrhundert auch deshalb in Afrika nicht mehr an der Macht, weil seine demografische Abrüstung das erzwungen hat. 1913 haben Deutschland und Frankreich zusammen mit 107 Millionen jugendlichen Menschen fast so viele Einwohner wie Afrika. 2013 aber stehen ihre alternden 145 Millionen – davon viele aus dem Schwarzen Kontinent – gegen mehr als eine Milliarde Afrikaner. Aus einem ungefährdeten 1:1 ist ein niemals durchhaltbares 1:7 geworden.