Thomas Rietzschel / 30.03.2020 / 15:00 / 26 / Seite ausdrucken

Mal wieder ist Trump an allem schuld

Nach einer kurzen Phase der Verwirrung haben die deutschen Revolverblätter und das öffentlich-rechtliche Trash-TV wieder Tritt gefasst. Seit Tagen melden FAZ, Süddeutsche, Spiegel, Focus, ARD und ZDF in einprägsamer Wiederholung, Amerika sei das „Epizentrum“ der Corona-Pandemie. Trump trifft die Schuld. Weil er zögerte, die Freiheiten der Bürger nach deutschen Vorbild einzuschränken, habe er den Viren die Bresche geschlagen, dafür gesorgt, dass die USA mit rund 125.000 registrierten Fällen „weltweit an der traurigen Spitze“ der Infektionsstatistik stehen. Wie gut nimmt sich dagegen Deutschland mit nicht einmal 60.000 Ansteckungen aus, genauer gesagt mit 57.695 am gestrigen Sonntag. 

Damit die Zahlen auch deutlich genug für sich sprechen, wird großzügig von den Rahmenbedingungen abgesehen, etwa davon, dass sich die Amerikaner testen lassen konnten, als die Deutschen noch rätselten, wie denn das überhaupt anzustellen sei in größerem Umfang. Vor allem aber scheint den Trump-Jägern im Eifer der politischen Raserei die maßgebliche Einwohnerzahl der USA entfallen zu sein. Aktuell beläuft sie sich auf  333.472.704 Frauen, Männer, Kinder und Alte. Corona-befallen sind davon 0,04 Prozent, grob gerechnet.  

Der Charme der Zahlen

Macht man die Rechnung für Deutschland auf, wo der jüngst registrierten Einwohnerzahl von 81.446.075 nach heutigen Stand 57.695 positiv Getestete gegenüberstehen, ergibt sich mit rund 0,08 Prozent eine Infektionsrate, die doppelt so hoch ist wie die der USA. Das ändert nichts an der bedrohlichen Lage, weder hier noch jenseits des Atlantiks. Weckt aber doch Zweifel an einer Berichterstattung, bei der es mehr um politische Propaganda und Ablenkung von der heimischen Misere als um verlässliche Nachrichten geht. Auch richtige Zahlen taugen zur Täuschung, wenn sie isoliert verbreitet werden, ohne Berücksichtigung der jeweiligen Bezugsgrößen. Wo sie unter den Tisch fallen, läuft es auf den Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen hinaus. 

Wer genug vor der eigenen Tür zu kehren hat, sollte sich hüten, Anderen vorzuwerfen, dass es bei ihnen zuginge wie bei Hempels unterm Sofa. Lügen haben kurze Beine. Auch die medial fleißig kolportierte Entrüstung der EU über Ungarn ist schlichtweg scheinheilig, mehr noch: Sie ist unverschämt. Das Gesetzesvorlage, mit der Viktor Orbán die Möglichkeit, in der Krise mit Dekreten staatlich durchzugreifen, juristisch absichern will, bezweckt nicht mehr und nicht weniger als das, was in Deutschland seit zwei Wochen politische Praxis ist, ohne dass es zuvor viel parlamentarisches Federlesens gegeben hätte.

Elmar Theveßen schießt sich ein

Im Eilverfahren, fast schon regierungsamtlich, wurde die Novellierung des Infektionsschutzgesetzes beschlossen. Es ermächtigt den Gesundheitsminister weitgehend, Rechtsverordnungen ohne Zustimmung des Bundesrates zu erlassen, sich über die Hoheit der Länder hinwegzusetzen. In Paragraph 28, Abs. 1 heißt es dazu: „Die zuständige Behörde kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.“

Angesichts solcher Verfügungen befürchtet der Göttinger Verfassungsrechtler Hans Michael Heinig, „dass unser Gemeinwesen von einem demokratischen Rechtsstaat in kürzester Frist in einen faschistoid-hysterischen Hygienestaat“ umgebaut werden könnte. 

Doch was spielt das schon für eine Rolle, solange man Donald Trump noch einen reinwürgen kann. Von Elmar Theveßen, dem Kanonier des ZDF in Washington, erfuhren wir im samstäglichen Heute journal, dass der amerikanische Präsident die Corona-Krise nutze, um sich „mit allem Pomp als Kriegspräsident“ zu inszenieren.

Der Mann weiß, was er sich und seinem Sender schuldig ist. Im deutschen Trash-TV hat er die Carte blanche. Ist der Ruf erst ruiniert, lügt sich’s völlig ungeniert. 

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Leserpost

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Martin Schumann / 30.03.2020

Zum Amtsantritt von Donald Trump habe ich auf die Häme im linksgrünen Kollegoidenkreis geantwortet, dass der 45. Potus ein so grosser Präsident werden kann, wie Ronald Reagan es war. Mr. President ist auf dem besten Weg, diese Prognose zu erfüllen.

HaJo Wolf / 30.03.2020

Theveßen ist eine der größten Dreckschleudern in den ÖR. Einer der Gründe, die Zwangsbeiträge nicht zu zahlen. - Zu Corona: absolute Zahlen sind NICHT RELEVANT. Relevant ist die Prozentzahl in Relation zur Gesamtbevölkerung. Die ist NICHT GRÖSSER ALS BEI NORMALER INFLUENZA! Das gleiche gilt für die Sterblichkeitsrate. NICHT GRÖSSER ALS BEI INFLUENZ!! Die ganze Hysterie ist VÖLLIG UNNÖTIG. Beweis: Schweden, die kein Lockdown praktizieren - 4000 Infizierte bei 10 Mio Einwohner = 0,04% - Deutscland = 64000 bei 82 Mio = 0,07% - NAHEZU DOPPELT SO HOCH! - Ich bin sowas von zornig auf die Vollidioten in Regierung und bei den Medien, die aus einer NORMALEN VIRENINFEKTION, wie jedes Jahr vorkommend, eine Katastrophe mit diktatorischen Maßnahmen konstruieren. WEG MIT DIESEM POLITIKERPACK!

Martin Bingel / 30.03.2020

...und wenn der Propagandaminister ( wer ist das eigentlich gerade ?  Kleber ?  Seibert ? Burow ? .....  ? ) fragen würde „wollt ihr den totalen Krieg?“ Die Masse würde wieder JA grölen.

Dirk Jäckel / 30.03.2020

Nun, ich denke, es ist tatsächlich so, dass Krisen Charakterzüge verstärkt als sie zu ändern. Das heißt für deutschen Journalismus (natürlich mit Ausnahmen): 1. Noch mehr Arroganz gegenüber dem Ausland. Natürlich vor allem bei für schlichte deutsche Ideologen unakzeptablen Regierungen, während man bei genehmen Regierungen das eine oder andere Auge zudrückt, auch wenn sie alles genauso machen oder gar weit chaotischer. 2. Noch tiefer im Hinterteil der eigenen Regierung. Was Trump betrifft, so sind die USA wenigstens zwiegespalten. Hier gilt Kritik an Merkel als zutiefst unschicklich und jede vorsichtige Relativierung der Trump-Schelte als ein Unding. Selbst offenkundige Inkompetenz (“Masken helfen nicht”) bleibt hierzulande fast ohne Tadel. Ein Volk voller chauvinistischer Untertanen - seit Heinrich Mann hat sich nicht viel geändert, außer dass man sich nun lächerlichwerweise als progressiv erachtet. Um recht verstanden zu werden: Ich will keine allgemeine Regierungsschelte betreiben; vieles wurde auch richtig gemacht. Aber unser hofberichterstattender Journalismus verdient weitgehend seinen Namen nicht mehr.

Jochen Grünhagen / 30.03.2020

Sehr geehrter Herr Rietzschel, wäre doch nur Gott-Stiefmutter-Merkel Weltpräsidentin, dann würde alles gut, aber so wohl eher nicht. Der verwegene Egomane Trump kann nur Schuld sein an dieser großen Misere und sein angelsächsischer Kumpel Johnson hat sich natürlich vorsätzlich selbst infiziert. Gut das wir die öffentlich rechthaberischen haben, mit solchen Universal Experten wie Herrn Thevesen, die uns die Welt erklären und wie gut es uns mit Merkel, Altmeier und Konsorten geht. Einzig am deutschen Wesen kann die Welt genesen.

Oliver Lang / 30.03.2020

Man gehe nur mal auf die Webseiten des worldmeters oder der Hopkins Universität und zähle die Infizierten des EU-Schengenraums (also ohne Schweiz, UK,...) zusammen, dann bekommt man eine Zahl, die auf Grund der Bevölkerungsanzahl mit der der Infizierten in den USA vergleichbar ist. Momentan steht es 143.000 (USA) zu 330.000 (Schengen-EU).

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