Markus Vahlefeld / 03.05.2018 / 11:00 / Foto: Al Jazeera / 26 / Seite ausdrucken

Mahmud Abbas nur vorerst ein Antisemit

Am 1. Mai 2018 verlas die Tagesschau-Sprecherin Judith Rakers eine Meldung (ab Minute 9:23), die in Gänze folgenden Wortlaut hatte:

"Palästinenserpräsident Abbas hat den Juden eine Mitschuld an ihrer Ermordung durch die Nationalsozialisten gegeben. Vor dem palästinensischen Nationalrat sagte er gestern, der Holocaust sei nicht durch Antisemitismus ausgelöst worden, sondern durch das soziale Verhalten der Juden, etwa das Verleihen von Geld. Abbas betonte aber zugleich, die Palästinenser wollten einen eigenen Staat, um zusammen mit Israel in Frieden leben zu können.“

Dass eine solche Meldung am ersten Tag des Monats Mai, den ein bis nach Arabien geliebter deutscher Führer zum "Tag der Arbeit" erhob, nicht ohne einen Seitenhieb auf dieses widerliche "Geldverleihen der Juden" auskommen kann, versteht sich in der ARD fast von selbst. Geschichte verpflichtet. Dass aber solcherart Meldungen im deutschen Qualitätsfernsehen gleichzeitig nicht ohne ein relativierendes "aber zugleich" auskommen können, soll eben zeigen, dass man es jenseits der berechtigten Kapitalismuskritik doch eigentlich nur gut mit den Juden meint: "Abbas betonte aber zugleich, die Palästinenser wollten einen eigenen Staat, um zusammen mit Israel in Frieden leben zu können.“ Sollen halt kein Geld verleihen, die Juden!

Nun kann man von der Meldung halten, was man will. In den sozialen Netzwerken monierten einige, dass solcherart Meldungen doch nicht unkommentiert verlesen werden dürften, während andere der Auffassung waren, der nette Herr Abbas entlarve sich doch mit solcherart Aussagen selbst, was jeden Kommentar überflüssig mache. Darüber kann man in der Tat trefflich streiten. Wie viele da vor dem deutschen Fernseher gesessen haben und bei sich dachten: "Diese Juden und diese Rothschilds, die sind wirklich die Pest" – darüber gibt es leider keine verlässlichen Zahlen. 

„Vorerst keine Unterstützung mehr“

Nachdem dann in den sozialen Netzwerken über dieses Stück guten deutschen Nachrichten-Verlesens Diskussionen entbrannt waren, fühlte man sich bei der ARD offenbar doch bemüßigt, einen Kommentar hinterherzuschieben. Um 14:56 Uhr des folgenden Tages meldete sich SWR-Korrespondent Ulrich Pick unter der Überschrift: „Abbas verdient keine Unterstützung mehr" zu Wort. 

Leider ist bereits die Überschrift des Kommentars etwas irreführend. Denn im Text selbst heißt es: "Der Palästinenserpräsident hat durch seinen unverhohlenen Antisemitismus eine rote Linie überschritten und verdient vorerst keine Unterstützung mehr." Die korrekte Überschrift hätte also lauten müssen: "Abbas verdient keine Unterstützung mehr – vorerst". Dann jedoch hätte Herr Pick darlegen müssen, warum so jemand wie der Abbas, der ja nicht das erste Mal die Gesamtklaviatur der antisemitischen Verschwörungstheorien bespielt, warum so jemand nur VORERST keine Unterstützung mehr verdienen soll.

Dazu äußert sich Herr Pick dann aber doch nicht. Die Frage bleibt also im Raum stehen: Was muss eigentlich noch passieren, bis sich die waschechten Antisemiten als politische Ansprechpartner aus dem Rennen geschossen haben? Eigenhändig Juden ermorden? Oder ist Antisemitismus, wie es Diether Dehm empfahl, "Massenmord und muss dem Massenmord vorbehalten bleiben“? Abbas also nur ein kleines Würstchen, dem man den guten deutschen Antisemitismus gar nicht zutraut?

Das Schönste jedoch an dem Stück des Herrn Pick ist, dass man wieder spürt, wie unwohl ihm die verdrucksten Worte, die dann in ihrer Deutlichkeit wieder relativiert werden müssen, in Richtung der Palästinenser in Wahrheit sind. Damit reiht sich sein Kommentar in die Phalanx so vieler Israel-Kommentare der Qualitätsmedien ein, die etwas verbessern wollen, es dabei aber noch viel schlimmer machen. Ganz zum Schluss seines Kommentars kommt dann endlich die Auflösung. Pick schreibt: "Und die politische Rechte in Israel dürfte sich bei aller Ungehörigkeit der Abbas'schen Äußerungen ins Fäustchen lachen. Denn diese werden ihre radikale Siedlungspolitik nur beflügeln."

Da ist es wieder! Dieser fiese Jud’, der sich hinterrücks ins schwitzige Fäustchen lacht, weiß auch noch solch kleine Unpässlichkeiten, die doch – vorerst – jedem mal passieren können, für sich zu nutzen. Dass Pick damit das Abbas'sche Narrativ vom Juden, der immer und ewig aus allem seinen Vorteil zu ziehen weiß, bedient, dürfte ihm dabei gar nicht aufgefallen sein. Aber so denkt es eben in den Qualitätsjournalisten der ARD.

Und nun das Wetter.

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Wolf-Dieter Schmidt / 03.05.2018

Präsident war der Abbas mal, also gewählter. Das war er damals vor ca. 10 Jahren. Jetzt ist er nur mehr selbsternannter oder von ARDs Gnaden ernannter Präsident. Jedenfalls ist er Vorsitzender der gemäßigten(!) (Terror-)Organisation Fatah. Möchte nicht wissen, was ein Vorsitzender einer nicht gemäßigten Organisation so von sich gibt.

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