Tamara Wernli / 02.06.2017 / 06:15 / 6 / Seite ausdrucken

Männlichkeit ist giftig – weg damit!

Von Tamara Wernli.

Man muss ziemlich entrückt sein von der Realität, wenn man, wie ich, den offensichtlich naheliegenden Zusammenhang von traditionell maskulinen Charakterzügen – wie Durchsetzungsvermögen, kompetitives Verhalten, Dominanz – und Gewalt nicht sofort erkennt. Ich verband Männlichkeit bislang mit selbstsicheren, couragierten Männern, die mit sich und der Welt im Reinen sind, ihr mit Respekt entgegentreten. Fürsorgliche und rechtschaffene Gentlemen eben.

Da lag ich wohl falsch. Männlichkeit ist giftig. Findige Akademiker aus dem Dunstkreis des Genderismus haben dafür einen Begriff erschaffen: Toxic Masculinity. Der US-Psychologieprofessor Terry Kupers beschreibt sie als "die Konstellation von sozial-destruktiven männlichen Wesenszügen, die Dominanz und Abwertung gegenüber Frauen, Homophobie und mutwillige Gewalt begünstigen". Die Website "Geekfeminism" nennt als Form der toxischen Männlichkeit das "schädliche Patriarchat" und bringt das "sozial-konstruierte Verhalten" ins Spiel, das die männliche Genderrolle als gewalttätig, unemotional und sexuell aggressiv beschreibt. Die "New York Times" titelte im Februar im Zusammenhang mit Feuerwaffen: "Ehemänner sind tödlicher als Terroristen".

Männlichkeit gilt offenbar als hochproblematisch und muss abgeschafft werden – Universitäten arbeiten mit Hochdruck daran. Wie das US-Internetportal "Campusreform" berichtet, können Studenten der Oregon State University an einer "Männlichkeits-Konferenz" eine neue Männlichkeit besprechen, "die nicht durch Macht, Privilegien und Unterdrückung beschränkt ist." Das New Yorker Ithaca College bietet den Workshop "Männlichkeit und Gewalt" an, hier studiert die künftige Elite die vorherrschende Männlichkeit ("hegemonic masculinity") mit dem Ziel, "Individuen zu helfen, die Giftigkeit der Männlichkeit zu verstehen und anzuerkennen, um Gewalt zu beenden." Das psychologisch wertvollste Angebot hält die kanadische Regina Universität bereit: Laut der "Washington Times" stellte sie im März "Männlichkeits-Beichtstühle" auf, wo Studenten für ihre Sünden der Männlichkeit Absolution holen konnten (es geht hier, wohlgemerkt, nicht um Sexualstraftäter oder Gewaltverbrecher, sondern um das durchschnittliche männliche Wesen). Die Quintessenz: Mann sein ist grundsätzlich etwas Negatives, eine Art böses Geschwür, wer aber ganz fest an sich arbeitet, vermag sich vielleicht zu rehabilitieren.

Dass die Bestrebungen zur Neudefinition vom Mann in Genderkreisen dringlicher scheinen als der Fokus auf tatsächliche Gewalttäter und reale soziale Nachteile, ist nicht verwunderlich angesichts ihrer These vom weissen Mann und seinen Privilegien (und der daran gekoppelten systematischen Unterdrückung der Frau), die eben nach permanenter Untermauerung verlangt. Weil sie von Akademikern stammt, hat die Idee von der toxischen Männlichkeit zwar den Anstrich von Wissenschaft, nur ist nirgens belegt, dass Männer mit eher männlichen Wesenszügen mehr Gewalttaten verüben als die anderen, oder dass sie sich Frauen gegenüber überlegen fühlen – oder diese gar unterdrücken. Auch existiert in den Augen der Professoren "toxische Weiblichkeit" anscheinend nicht – obwohl gemäss diversen Statistiken die Anzahl männlicher Opfer bei häuslicher Gewalt steigt.

Simone de Beauvoir, Feministin in einer Zeit, wo die Frau als methodisches Opfer männlicher Unterdrückung tatsächlich Realität war, sagte einst: "Niemand ist den Frauen gegenüber aggressiver oder herablassender als ein Mann, der seiner Männlichkeit nicht ganz sicher ist." Noch Fragen?

Der Beitrag erschien zuerst in der Basler Zeitung. Tamara Wernlis Kolumne gibt es jetzt hier auch als Videobotschaft, man kann sie auf ihrem YouTube-Kanal auch abonnieren.

Tamara Wernli arbeitet als freischaffende News-Moderatorin und Kolumnistin bei der Basler Zeitung. Dort erschien dieser Beitrag zuerst. In ihrer Rubrik „Tamaras Welt“ schreibt sie wöchentlich über Gender- und Gesellschaftsthemen.

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Leserpost

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Harald Schubert / 02.06.2017

Diese Gender-Leute machen es sich zu einfach. Natürlich gehört zum Geschehen die soziale Ebene, daneben gibt es aber noch die die psychologische, die biologische und die archaische Ebene. Dabei entstehen im Prozess der wechselseitigen Beeinflussung bestimmte Grundmuster des Verhaltens und Erlebens, die teils variabel, teils bedingend sind. Hinsichtlich des Menschens hat es die Natur so eingerichtet, das es Weiblein und Männlein gibt. So war es möglich, alle menschlichen Eigenschaften auf zwei etwas unterschiedliche Individuen zu verteilen. Eine Art Arbeitsteilung, die wohl für die Spezies einen Überlebensvorteil bedeutet(e)? Wenn sich dann ein gewöhnliches Paar zusammenfindet ist es ja gerade die Unterschiedlichkeit, die es ermöglicht, aneinander zu reifen: Nämlich Integration der jeweils gegengeschlechtlichen Eigenschaften. Damit ist gemeint, daß das jeweils weibliche bzw. männliche geachtet und anerkannt wird UND sich die jeweils gegengeschlechtlichen Eigenschaften in einem selbst verwirklichen dürfen. (Vereinfachtes Beispiel: Der betont autonome und etwas selbstbezogene männliche Part gewinnt an Beziehungsfähigkeit und Fürsorgebedürfnis, der näheorientierte weibliche Part erlangt etwas mehr Autonomie und Distanz.) Dies könnte man die Entwicklungsaufgabe des Paares nennen. Natürlich gibt es eine Vielzahl anderer Konstellationen und Möglichkeiten des Zusammenlebens, aber ich gehe hier gewöhnlichen Lebensentwurf aus, wie er derzeit noch mehrheitlich gelebt und gewollt wird. Noch etwas zum Thema Nachwuchs und Männlichkeit: Seit vielen Jahren erlebe ich in der täglichen Praxis, was es für Jungen bedeutet, wenn die väterliche Stärkung und positive männliche Rollenvorbilder fehlen. Dabei kommen nämlich genau diese “Männlein” heraus, vor denen schon Simone de Beauvoir gewarnt hat. Ansonsten vielen dank für den klasse Artikel, Frau Wernli !

R. Kuth / 02.06.2017

Der dekadente Westen beschäftigt mit solchen Blödsinn. Die Anderen lassen ihren biologischen Kopiermodus knattern und sorgen für reichlich Vermehrung - die erfolgreichste Art setzt sich dann auf Dauer durch…....

Cornelia Gilsbach / 02.06.2017

Diese Herrschaften können ja mal mit den Männern eines ganz bestimmten Kulturkreises anfangen und die von ihrer tatsächlich toxischen Männlichkeit, ihrem Machogehabe und ihrer hohen Aggressivität befreien. Nur sind das nicht die, um die es denen geht…

Lothar Hannappel / 02.06.2017

Genderismus ist nichts anderes wie Rassismus. Sehr beliebt bei Rassisten, der weiße Mann. Wo Rassismus hinführt sollten wir aus der dunkelsten Zeit Deutschlands eigentlich alle wissen. Was kommt als nächsten? Kauft nicht bei Männer? Nehmt ihnen das Wahlrecht? Ersetzt in Führungspositionen?

Dr. med. Christian Rapp / 02.06.2017

“Die Quintessenz: Mann sein ist grundsätzlich etwas Negatives, eine Art böses Geschwür, wer aber ganz fest an sich arbeitet, vermag sich vielleicht zu rehabilitieren.” Ich gestehe. Ich bin ein maligner destruöser Tumor und für die Gesellschaft nunmehr untragbar. Einen größeren Schwachsinn habe ich lange nicht gehört. Herr lass Hirn regnen.

Franck Royale / 02.06.2017

Es ist wichtig hier noch mal deutlich zu unterstreichen, daß die Männlichkeit natürlich nur bei weißen Männern toxisch ist. Alles andere wäre rassistisch und islamophob.

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