Susanne Baumstark / 29.12.2019 / 17:00 / Foto: Harald Bischoff / 20 / Seite ausdrucken

Männlein und Weiblein für sich? Nicht gemeinnützig!

Jetzt versucht man offenbar von interessierter Seite, steuerliche Begünstigungen von Körperschaften – also die Gemeinnützigkeit von Vereinen und NGOs – an die Mitgliederstruktur zu knüpfen und damit auch dort geschlechtsspezifische Aspekte unterzubringen. Konkret will Olaf Scholz „geschlechterselektiven Vereinen den Status der Gemeinnützigkeit“ entziehen, sofern diese „ihre Mitgliedschaft ohne nachvollziehbaren Grund auf ein Geschlecht“ begrenzen, heißt es bei Juwiss (Junge Wissenschaft im Öffentlichen Recht): „Vereine, die grundsätzlich keine Frauen aufnehmen, sind aus meiner Sicht nicht gemeinnützig … Dies betreffe ‚deutschlandweit hunderte Vereine wie Schützengilden oder Sportclubs, die ausschließlich Männer‘ zulassen“, wird Scholz zitiert. Pate dafür steht das Freimaurer-Urteil aus dem Jahr 2017. In der CSU fragt man sich: „Hat Olaf Scholz schon mal etwas gehört von Männergesangsvereinen“ oder dem Katholischen Frauenbund?

Juwiss argumentiert: Die geschlechtsspezifische Beschränkung einer Vereinsmitgliedschaft wird häufig mit „Brauchtum und Tradition“ begründet. Das Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts aus Artikel 3 Grundgesetz sei aber „praktisch unwirksam, wenn die gesellschaftliche Realität hinzunehmen wäre“. Zumindest sieht man hinsichtlich geschlechtergetrennter Gesangs- oder Sportvereine Differenzierungsbedarf: „In diesen Fällen erscheint es durchaus denkbar, eine geschlechterselektive Mitgliederstruktur durch sachliche Gründe zu rechtfertigen.“ Ein Gericht hatte hier ohnehin schon entschieden. Man erinnere sich an den Fall des neunjährigen Mädchens, das sich in den Staats- und Domchor Berlin, ein reiner Knabenchor und älteste musikalische Einrichtung der Hauptstadt, klagen wollte.

„Eine Form staatlicher Bevormundung“

Die absurde Sache ist vielleicht noch nicht ausgestanden: „Zugleich verwies Richter Jens Tegtmeier wegen der grundlegenden Bedeutung des Falles darauf, dass die unterlegene Seite in Berufung gehen könne. Die Abwägung zwischen beiden Grundrechten bedürfe der vertieften Betrachtung.“ Erstaunlich, dass man für die Pflege selbst konstruierter Widersprüche Zeit hat. Schließlich ist doch die „Justiz an der Belastungsgrenze“ und braucht zudem dringend mehr Staatsanwälte im „Kampf gegen Rechts“, wie Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds*, fordert: „Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt bekämen jeweils Hunderte neue Stellen, der Generalbundesanwalt sei aber im Bereich Rechtsextremismus eher dünn besetzt.“

Die FDP im Bundestag will das Ghostriding beenden und via Antrag „Gemeinnützigkeit von Körperschaften in Deutschland unabhängig vom Geschlecht ihrer Mitglieder“ erhalten respektive „bei der Beurteilung der Gemeinnützigkeit … nicht auf sachfremde Aspekte, wie das Geschlecht“ abstellen. Begründung: „Die verfassungsrechtlich gesicherte Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG) verlangt Toleranz gegenüber der Ausübung der vereinsrechtlichen Privatautonomie.“ Andernfalls sei das „eine Form staatlicher Bevormundung, die dem Erfordernis zivilgesellschaftlicher Vielfalt“ nicht gerecht wird. Diese Argumentation sollte man sich merken.

 

*Der kritischer eingestellte Präsidiumsvorsitzende des Deutschen Richterbunds, Jens Gnisa („Das Ende der Gerechtigkeit“), ist mit Wirkung zum 31. Dezember von seinem Amt zurückgetreten, um für die CDU als Landrat in Westfalen-Lippe zu kandidieren.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Susanne Baumstarks Blog Luftwurzel.

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Leserpost

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Wolfgang Kaufmann / 29.12.2019

Wer Männerbünde abstrafen will, soll auch sonst eine strikte Quote fordern. So muss kein Mann mehr ins Gefängnis oder zur Müllabfuhr, solange nicht eine bestimmte Frauenquote erreicht ist; kein Mann darf in der Bundesliga kicken, wenn nicht mindestens 40% Frauen auf dem Platz stehen; keine Frau dürfte in Kindergarten, Grundschule, Krankenpflege oder Frauenhaus arbeiten, solange dort nicht mindestens 40% Männer sind, 5% Transsexuelle und 1% Apachehelikopter. – Oder geht es am Ende doch nur ums Rosinenpicken? Ich bin das Weibchen, du musst mich liebhaben?

Robert Bauer / 29.12.2019

Frauen, werdet Mitglied (??) in der Deutschen Prostata-Vereinigung!

Dirk Jungnickel / 29.12.2019

Dass Thomaner und Kruzianer keine Mädchen aufnehmen können, hat plausible musikalische Gründe. Dass Freimaurerlogen gemischt nicht funktionieren könnten hat traditionelle und atmosphärische Gründe und wäre wie gemischte Fußballerei unmöglich. - Hat Herr Scholz keine anderen Probleme ? Vielleicht sollte er sich mal Gedanken machen, wie es um den IQ der jetzigen SPD - Mitglieder steht, ich meine die mit der Nibelungentreue, die noch nicht ausgetreten sind. Bei Neuaufnahmen könnte man ja einen Riegel vorschieben, wie aber ginge man mir den Altlasten um ?

Marcel Seiler / 29.12.2019

@Caroline Neufert: “Wer Steuervorteile etc. genießen will, sollte für die Gemeinheit, also für alle da sein.” Das sollten Sie nochmal durchdenken: Keine gemeinnützige Gesellschaft ist “für alle” da. Kunstförderer sind für die Kunst da. Das Kinderhilfswerk für Kinder, nicht für notleidende Erwachsene. Usw. Und wollen sie der Zontia-Vereinigung, einer Art weibliches Rotary, die Gemeinnützigkeit entziehen, weil sie (a) nur Frauen als Mitglieder zulässt und (b) praktisch nur Frauenprojekte fördert? WIRKLICH?

Wilfried Cremer / 29.12.2019

Ich saß auf einer Friedhofsbank, im sonnigen April, da war’s, als ob die Bäume explodierten, gelbgrüne Wolken wie auf ein Kommando. Das waren Eiben, männliche, im Wesen so das Gegenteil von einem Schmolz.

Marcel Seiler / 29.12.2019

Es ist ein legitimes Bedürfnis von Männern, Vereinigungen zu haben, in denen sie unter sich sein können. Gleiches trifft auf Frauen zu sowie auf anderer Gruppen, die sich durch bestimmte Geschlechtsmerkmale auszeichnen. Dass der Staat sich erdreistet, solchen Vereinigungen aus diesem Grund die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, ist ungeheuerlich. (N.B. Wäre es um eine Frauenvereinigung gegangen, hätte der Bundesfinanzhof sich das nicht getraut, da bin ich sicher. Das macht diese Entscheidung doppelt verwerflich.)

Caroline Neufert / 29.12.2019

Ich fand zunächst Scholz’ Idee ziemlich absurd, aber dank Ihnen und Ihrer Beschreibung nicht mehr ;-). - Es geht doch nur um die Gemeinnützigkeit. Wer Steuervorteile etc. genießen will, sollte für die Gemeinheit, also für alle da sein. Ist nur konsequent. Müssen sich die Vereine und Organisationen bißchen mehr Mühe (Beweislast) geben, in ihrer Begründung für die Gemeinnützigkeit. - Art 3 GG lässt wie Juwiss und das aktuelle Urteil bestätigen, sachlich begründete Ausnahmen zu.—> Keine Angst der Unterwanderung im Kanbenchor. - Art 9 GG greift hier nicht und die FDP unter Lindner mal wieder “ins Klo”, da kein Griff in die “vereinsrechtliche Privatautonomie”. Ob das den Verwaltungsaufwuchs rechtfertigt, ein anderes Thema.

Andreas Rochow / 29.12.2019

Was machen wir mit den diskriminierenden Herrenschneidern, Damenfriseuren, Herstellern von Dessous und Feinstrumpfhosen, Cheerleaderinnen? Mit Karstadt und C&A und ihren getrennten Abteilungen für Herren- und Damen-Oberbekleidung? Der Gynäkologe sucht sich seine Patientinnen stur nach sexistisch diskriminierenden Auswahlkriterien aus! Damit muss endlich Schluss sein!” Nicht zu reden von den Kruzianern, den Thomanern und weiteren Sängerknaben-Vereinen. Die Dame gehört zum Schach wie das Pferd, das wäre nicht nur ein Thema für gender-heterogene Schachvereine, sondern auch für die wichtige Tierwohl-Diskussion! “Tradition” - das neue Schämwort ist im Umlauf - die kulturrevolutionäre Großleistung eines Hobby-Finanzministers. Herr Scholz, Sie haben bald Zeit, sich intensiv Ihrer Roten Flora und der Zerstörung der Tradition zu widmen. Nehmen Sie den kleinen Kevin mit! Aber es stimmt ja, Kulturmarxisten haben immer ein Problem mit jeder Tradition. Warum glauben Minister, dass sie keine Volksvertreter sind, und schweben herrschaftlich über dem Volk, dass sie ernährt?

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