Markus C. Kerber, Gastautor / 02.03.2022 / 12:00 / Foto: Cheep / 44 / Seite ausdrucken

Macron, Zemmour, Le Pen: Deutschland in Frankreichs Wahlkampf

Migration, aber auch das Verhältnis zu Deutschland, sind  Wahlkampfthemen in Frankreich. Hierzulande scheint man wenig kenntnisreich davon auszugehen, dass Macron schon wieder gewinnen werde. Beobachtungen aus dem französischen Präsidentschaftswahlkampf.

Inmitten des Schlachtenlärms um die territorialen Auseinandersetzungen im Osten Europas gehen die schrillen Töne des französischen Präsidentschaftswahlkampfes in der Berichterstattung durch die öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland nahezu unter. Seit Jahren auf deutsch-französische Freundschaft getrimmt, enthalten die GEZ-Medien den Deutschen vor, welche Vorschläge die Kandidaten unterbreiten, um Frankreichs nächster Präsident zu werden. Besonders aufsehenerregend sind die Töne, die Eric Zemmour anschlägt. 

Zemmour, ein sephardischer Jude, der von den französischen Medien als Polemiker und Repräsentant der extremen Rechten ghettoisiert wird, hat seit Jahren mit eindringlicher Deutlichkeit über das gesprochen, was das politische Establishment in Frankreich lange Zeit nicht wahrhaben wollte: Dass ganze Stadtteile, insbesondere in den nördlichen Bezirken von Paris, kulturell gekippt sind und von Einwanderern aus Ländern beherrscht werden, die – anpassungsunwillig und anpassungsunfähig – sich weder integrieren noch assimilieren wollen, sondern dabei sind ethnisch-kulturelle Enklaven zu bilden. 

Der gebildete Zemmour braucht gar nicht in die Außenbezirke von Paris zu fahren. Auch auf dem Weg in der Metro zum Pariser Ostbahnhof begegnet man jenem Phänomen, das Zemmour als Überfremdung und „islamische Kolonisierung“ bezeichnet hat. Die Aufmerksamkeit, die Zemmour zuteilwird, rührt im Wesentlichen aus der Vernachlässigung des Einwanderungsthemas und aus der Tabuisierung der Problematik, seitdem sie von der „Front National“ aufgegriffen wurde. 

Mohammed als Vornamen

Zemmour schlägt allerdings Töne an, die aufhorchen lassen. So will er Einwanderern verbieten, den Namen Mohammed als Vornamen zu wählen. Auch gegenüber Deutschland hat Zemmour eine klare Haltung. In einem Interview mit der Zeitschrift „Valeurs Actuelles“ am 13. September 2018 sagt er: „Wenn Frankreich eine herrschende Macht in Europa bleiben will, muss es Deutschland zerschlagen und zur eindeutigen Hegemonialmacht werden.“ 

Man traut seinen Ohren nicht und reibt sich die Augen, wenn man solche Töne hört und gleichzeitig feststellen muss, dass es Zemmour durchaus gelingen kann, mehr als 10 Prozent der Wähler im ersten Wahlgang auf seine Seite zu ziehen. 

Auf der Linken macht Jean-Luc Mélenchon mit sozialdemagogischen Tönen von sich reden: „Wenn Sie es wollen, dann haben wir nach der Präsidentschaftswahl ein allgemeines Preiserhöhungsverbot für Güter des täglichen Bedarfs. Wenn Sie es wollen, bekommen wir nach den Wahlen einen Mindestlohn von 1.500 Euro.“ Mélenchon, genauso kritisch gegenüber der Bundesrepublik Deutschland eingestellt wie Zemmour, ist allerdings zu klug seine diesbezügliche Abneigung so laut herauszuposaunen wie sein Konkurrent es tut. Er ist sich im Übrigen mit Zemmour ebenso wie mit der schon fast etablierten Präsidentschaftskandidatin Le Pen in einem Punkt einig: Mit dem Europa des Binnenmarktes, mit dem Europa der Wirtschafts- und Niederlassungsfreiheit – also mit dem Konzept des ökonomischen Liberalismus müsse es ein Ende haben. 

Zemmour als Feigenblatt?

Zemmour mit seinem proklamierten Anti-Islamismus ist besonders für den CRIF, also die Konföderation der israelitischen Institutionen in Frankreich (das französische Gegenstück zum Zentralrat der Juden in Deutschland), ein Problem. Das Mitglied des Vorstandes des CRIF, Jean-François Guthmann, weist auf die Instrumentalisierung der Argumente von Zemmour hin. „Zemmour dient den französischen Rechtsextremen, insbesondere Le Pen, als Beleg dafür, dass sie nicht antisemitisch sind. Denn nunmehr hat er, ein maghrebinischer Jude, die anti-islamistischen Thesen des Front National nicht nur übernommen, sondern mit rhetorischem Glanz versehen.“ 

Währenddessen starren die deutschen Politik-Eliten gebannt auf die französischen Politik-Entwicklungen. Ohne jede Kenntnis über die politische Kultur des Landes faselt Robert Habeck von seinem Bemühen, Macron zu unterstützen. Mit dieser Argumentation hatte sich die deutsche Provinz-Elite schon einmal 2017 hinter Macron gestellt und erleichtert aufgeatmet, als er gewählt wurde. Zwischenzeitlich – spätestens nach der Taxonomie-Entscheidung in Brüssel, initiiert und orchestriert von Macron zugunsten der französischen Nuklearenergie – dürften einige in Deutschland eines Besseren belehrt sein und zur Kenntnis nehmen müssen, dass Macron in zumindest einem Punkt ähnlich denkt wie der in Deutschland vielgescholtene Trump: Frankreich zuerst!

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Werner Arning / 02.03.2022

Das „Frankreich zuerst“ ist in Frankreich so selbstverständlich wie der Rotwein zum Käse. Kein Bewerber würde dort eine Chance haben, wenn er sich so „internationalistisch“ geben würde, wie es deutsche Politiker in der Regel tun. Für Franzosen ist vollkommen klar : Europa ja, solange es Frankreich nützt und Frankreich in diesem möglichst die führende Rolle einnimmt. Mit Deutschland ja, solange Deutschland den Franzosen entgegen kommt, wenn möglich sogar hofiert. Man weiß, die Deutschen sind effizienter, arbeiten besser, sind erfolgreicher. Doch hält man sie gleichzeitig ein bisschen für Bauern und Waldbewohner. Die Franzosen lieben ihren „Königshof“ und das raffinierte Treiben in der höfischen Gesellschaft. Zum Unverständnis der Franzosen erweisen sich die Deutschen außerdem als wenig intellektuell. Die Deutschen verhalten sich in Augen der Franzosen stattdessen tendenziell etwas grob und unbeholfen. Über die Franzosen wissen die Deutschen sehr wenig bis nichts. Obwohl sich viele Deutsche für Frankreich-Kenner halten, weil sie dort schon so häufig in Urlaub waren und so gerne französischen Käse essen. Die Franzosen interessieren sich kaum für ihren deutschen Nachbarn, es reicht ihnen im Grunde dessen Geld und Technik.

Yon Bureitxa / 02.03.2022

@Christian Feider:  Nein, “der Franzose” ist nicht persé antideutsch. Eigenes erleben. Ich glaube auch nicht, dass “der Franzose” auf das deutsche Portemonnaie schielt - denn er ist intelligent genug um zu realisieren, dass da bald nix mehr drin ist. Vieles nur sinnlos rausgehauen…und kein Ende in Sicht. Ausserdem gestatte ich dem Sepharden Zemmour, dass er eine gewisse Aversion gegen die Teutonen hegt. Merke: noch ist er eher privat unterwegs, vermutlich wird es auch dabei bleiben..

Theodore Joyeux / 02.03.2022

Richtig lustig war es doch schon, als die EU den Dumpfbacken und verhinderten Weltklimaverbesserer “Kernenergie zukünftig in Europa als nachhaltige Energiequelle” als fait complet präsentierten. Das haben so manche Deppen immer noch nicht begriffen, dass sie jetzt ihre “Atomkraft - Nein Danke” Aufkleber für immer in die Tonne treten müssen, wenn sie nicht als “ewig Gestrige” sich outen wollen und als solche ihrer intellektuellen Dauertroll-Existenz entgegenblödeln.

Dr. Günter Crecelius / 02.03.2022

Im Grunde spricht der Kandidat Zemmour doch nur aus, was seit jeher französische Politik ist und was auch die voraussichtliche Weiterentwicklung das EU-Europas bestimmt. Dieses kindische, im Grunde asoziale Gehabe, das schon Mitterand bis zum Exzeß betrieben hat und uns den Euro beschert hat, bedeutet doch in Wahrheit: entweder die ‘Grande Nation’ hat das alleinige Sagen oder das ganze Unternehmen Vereintes Europa soll den Bach runter gehen. Angesichts des Wirkens der Berliner Laienspieler von Merkel, die mit ihrer Flüchtlings- und Energiepolitik das Asoziale auf die Spitze getrieben hat,  bis heute wird das vermutlich auch so aus- und aufgehen. Dieses Wedeln des Schwanzes mit dem Hund nützt auf Dauer niemandem sondern schadet dem gesamten Projekt zugunsten vermutlich Chinas. In Hessen, woher ich stamme, hieß das früher: Er/Sie/Es wirft sich in die Brust wie der Spatz in die Pferdeäpfel.

Yon Bureitxa / 02.03.2022

“Zemmour .....will er Einwanderern verbieten, den Namen Mohammed als Vornamen zu wählen” . Hätte er in Berlin schon verloren, Herr Kerber, Zitat: “Der Berliner “Tagesspiegel” sorgt sich um Männer namens Karl-Heinz, die AfD hyperventiliert: Dass MOHAMMED IN BERLIN ERSTMALS AUF PLATZ EINS der Vornamen-Hitliste steht, sorgt für Aufregung.”*  War da nicht auch mal was mit Sawsan Mohammed Chebli auf Twitter?  *)Süddeutsche Zeitung: Vornamen-Ranking_Warum der Name Mohammed so beliebt ist_3. Mai 2019

Christian Feider / 02.03.2022

es kristallisiert sich immer klarer raus,das Le Pen durchaus die beste aller schlechten Wahlmöglichkeiten ist. Bei Zemmour habe ich das gleiche Gefühl wie bei Sarkozy damals,viele Worte vor der Wahl, danach wird genau das Gegenteil betrieben(Mittelmeer-Union) Und das Franzosen GEGEN Deutschland eingestellt sind,merkt der frankophile dumme Deutsche immer erst,wenn es an sein Portemonnaie geht

Max Wedell / 02.03.2022

“Wenn Sie es wollen, bekommen wir nach den Wahlen einen Mindestlohn von 1.500 Euro.” Wenn das sozialdemagogisch sein soll, wie soll man dann den Mindestlohn von über 1.600 Euro nennen, der von der jetzigen Regierung in Deutschland ab 1. Oktober 2022 eingeführt wird? Meine Vorschläge: “Inflationsbooster” oder “Flüchtlingsmagnet”.

Uwe Dippel / 02.03.2022

Normalerweise attestiere ich den Achgut-Autoren gerne Kenntnisse und Einsichten. Hier, bei aller Liebe, njet. Es liest sich sehr oberflächlich, und bezogen auf im Grunde zwei Aussagen von Zemmour. Der war übrigens auch schon mal knapp unter 20 Prozent bei den Umfragen. Im Moment läuft tatsächlich alles auf Macron hinaus; Dank sei Putin. In einer derartigen Weltlage haben es auch die Menschen auf der anderen Rheinseite gerne mit etwas Verlässlichkeit. Und nochmal ein Glücksstern für Macron: sowohl rechts als auch links ist alles sehr zerfasert. Le Pen will unbedingt, in ihrem dritten Anlauf, und sieht lieber Macron im Elysee als Zemmour.

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