Machtexzess ohne Ende: Die Politik leidet an „Long Covid“

Die Politik berauscht sich seit Corona an einem Machtgewinn wie selten zuvor. Doch Macht wird nicht einfach zurückgegeben, sie muss entrissen werden.

Sorry, vielleicht ist es eine dumme Frage. Aber was ist eigentlich das Ziel der Anti-Covid-Maßnahmen? Nun ja, könnte man sagen: die Pandemie zu beenden, natürlich. Und dann wiederum natürlich mit Beendigung der Pandemie auch die Maßnahmen zu beenden. Das Ziel der Maßnahmen ist also die Beendigung der Maßnahmen. So logisch es auch klingt, so naiv ist der Glaube daran inzwischen. 

Denn der Eindruck ist seit Beginn der Pandemie ein gänzlich anderer. Die Politik ändert seit Beginn der Pandemie ständig die Narrative, sie sucht händeringend nach neuen Zahlen, Panikfaktoren und Scheinbedrohungen, um möglichst lange, hart und wiederholt die Bevölkerung in den Maßnahmensack zu stecken. Erst die Verflachung der Kurve, der Schutz der Älteren, der R-Wert, die Verhinderung der Überlastung des Gesundheitssystems. Inzwischen geht es um Impfpässe und Kinderimpfungen, obwohl in fast vollständig durchgeimpften Ländern – wie zuletzt Israel – die Zahlen erneut durch die Decke gehen. Die angebotenen Lösungen von heute sind stets die Probleme von morgen. Die Corona-Logik lautet, dass es keine Logik gibt, außer dass die Endlosschleife des Machtexzesses nicht aufhören darf.

Long Covid ist ein Machtergreifungssyndrom

Die Politik braucht die Maßnahmen wie der Drogendealer seine süchtigen Kunden. Sie braucht Corona dringender als ein Ende der Pandemie. Denn ein Ende der Pandemie bedeutet, dass die Aufmerksamkeit stärker auf die gemachten Fehler gerichtet wird. Am Ende der Pandemie beginnt die Stunde der Abrechnung, das große Reinemachen. Die Politik und ihr Expertenkarussell leidet an Long Covid, einem akuten Machtergreifungssyndrom, welches die Lunge der Demokratien, die freie Meinungsäußerung, die parlamentarischen Prozesse, sowie das Denken in Alternativen und pragmatischen Lösungen befallen hat. Dieser Interessenwiderspruch im Staat-Bürger-Verhältnis ist spätestens seit Beginn der Pandemie offen zutage getreten – und bisher unaufgelöst geblieben. Denn der Konflikt ist so alt wie der Staat selbst.

„Macht korrumpiert und absolute Macht korrumpiert absolut“, lautet ein bekannter Satz von Lord Acton. Im alten Rom wurden die Staatsgeschäfte in der existenzbedrohenden Situation eines Krieges für die Dauer von sechs Monaten von Senat und Konsuln auf einen Diktator übertragen. Und natürlich kann es auch in Demokratien die Situation geben, wo in Notsituationen unverzügliche Handlungen der Exekutive notwendig sind. Doch der aktuelle Umgang mit Macht und Ausnahmezustand in den heutigen Demokratien spricht Bände über deren echten Zustand, man muss leider sagen: deren Siechtum. Der Notfall ist heute doch tatsächlich eine mittelschwere Grippe mit allenfalls leichter Übersterblichkeit bei zugleich abgebauter Anzahl an Intensivbetten. In Deutschland wurden die Corona-Maßnahmen zuletzt heimlich in Nacht- und Nebelsitzungen des Bundestages in einer Lesung zu einer Änderung des Stiftungsrechts verlängert. Die Geschichtsbücher von morgen, sie werden hässlich zu lesen sein, wenn sie ehrlich geschrieben sind. Die gewählten Repräsentanten des Souveräns treffen sich doch tatsächlich nach Einbruch der Dunkelheit, um diesem die Macht zu entziehen. Wenn so schon die Akteure der Demokratie agieren, braucht man keine Demokratiefeinde mehr.

Geschichte wiederholt sich mit umgekehrten Vorzeichen

Zum Verrat der Repräsentanten am Volk gesellt sich aktuell noch ein „Verrat der Intellektuellen“ (Julien Benda), demokratische Prozesse kritisch zu begleiten sowie ein Totalversagen der letzten Instanzen (wo es sie gibt), der Verfassungsgerichte, die Machtexzesse kritisch zu prüfen und einzudampfen. Geschichte wiederholt sich gerade mit umgekehrten Vorzeichen, und man muss gar nicht in die Zeit der Römischen Republik zurückgehen, welche allenfalls eine rudimentäre Form der Demokratie war. In den 1960er Jahren waren es linke Studenten, die in der Notstandsgesetzgebung der damaligen Bundesregierung eine Wiederkehr der Ermächtigungsgesetze der Nationalsozialisten witterten und auf die Barrikaden gingen. Horkheimer und Adorno assistierten intellektuell. Letzterer erkannte eine „Notstandsfreude“ und fand: „Fühlt man sich einmal dessen sicher, was alles man mit den Notstandsgesetzen decken kann, so werden sich Gelegenheiten, sie zu praktizieren, schon finden“.

Institutionen werden anrüchig

Die außerparlamentarische Opposition findet sich heute bei den Querdenkern in Deutschland oder in der Schweiz bei den „Freunden der Verfassung“, die gerade ein neues Referendum mit Rekordzustimmung lancierten. Der akademische und journalistische Mainstream befindet sich hingegen heute im Team der Notstandsfreudigen, oder, in den Kategorien der 60er Jahre gesprochen, im Team „Kurt Georg Kiesinger“, dem einzigen Kanzler der Bundesrepublik übrigens, der auch NSDAP-Mitglied war. Aber was damals ein Adorno war, ist heute eben leider nur noch ein Richard David Precht. Und dieser glaubt in seinem letzten Buch wohl Kant nachzueifern, wenn er die vermeintliche Bürgerpflicht des Regierungsgehorsams entdeckt haben will, er kommt aber als Schmalkant immer nur bei Heinrich Manns „Untertan“ raus. Was will man also groß erwarten?

Wir leben in einer Zeit, in welcher Institutionen wieder anrüchig werden; sie wirken ungelenk, dysfunktional und modrig. In einer solchen Situation könnte die Politik versucht sein, einen Machtexzess auf den nächsten zu packen, um ihre Machtzügel noch in den Händen zu halten. Was wird also als nächstes kommen, wenn man auch die nächste Mutante nicht ernst nehmen kann? Ein Blackout? Militär auf den Straßen und geschlossene Banken? Gerade schürt man Ängste vor einem Cyberangriff; das „World Economic Forum“ ließ kürzlich einen solchen im Planspiel „Polygon“ simulieren. Das lässt aufhorchen. Im Oktober 2019 beteiligte sich das WEF bereits federführend am „Event 201“, der Simulation eines Coronavirus-Ausbruchs in Brasilien. Was dann im Dezember 2019 im chinesischen Wuhan geschah, ist heute Geschichte.

Wer einmal mit dem Notstand spielen sollte, um die Freiheit einzuschränken, wird meine Freunde und mich auf den Barrikaden zur Verteidigung der Demokratie finden, und dies ist ganz wörtlich gemeint“meinte Willy Brandt einmal. Und was machen die Bürgerschafe von heute? Sie stellen sich zur zweiten Impfspritze an und planen hoffnungsvoll ihren Sommerurlaub.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen dabei geht, aber ich denke da immer an einen Song von Chris Rea. Und nein, es ist nicht „Looking for the summer“. Sondern: „Fool (if you think it’s over)“.

Diese Kolumne erschien zuvor im Satiremagazin Nebelspalter. Siehe auch Milosz Matuschecks Blog "Freischwebende Intelligenz"

Foto: Milosz Matuschek/Twitter

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Leo Hohensee / 30.07.2021

@Heinrich Wägner - Hallo Herr Wägner, so ist es. Genau so, wie Sie es beschreiben, wird es kommen. Die Unangepassten werden gezwungen werden, einen Stern zu tragen, und die Gehorsamen denen werden die Mittel gegeben, die es erlauben, auf denen mit dem Stern herumzutrampeln. Wobei dieses Wort “Stern” nur ein Synonym ist für ein verordnetes Erkennungsmal wie immer es aussehen wird. Ihre letzten Sätze wiederhole ich hier einfach nur - man darf daran nichts verändern: - ” ...... Verzeihen Sie einem alten Mann und seinen Gedanken die nicht jeder mit mir teilen muss. Und ein JA und nochmals JA. Macht muss entrissen werden. Ich kenne keine freiwillige Rückgabe.” – Ende Zitat. Herr Wägner, vielen Dank für Ihre Worte. Menschen wie Ihnen gilt mein höchster Respekt, beste Grüße und alles Gute für Sie

Bernd Michalski / 30.07.2021

Ich nehme doch sehr an, dass Sie hier nicht etwa den großen Heinrich Mann verkleinern wollten … sondern nur seine Romanfigur, richtig? Im übrigen, was diesen Precht angeht, irgendwie denke ich: was der Hofreiter in der Politik, das ist der Precht in der Philosophie. Die Haartracht kann ja kein kompletter Zufall sein, da muss doch irgendwie der Weltgeist hinter stecken.

Petra Wilhelmi / 30.07.2021

@Alexander Jäger: Ihren Kommentar ordne ich unter Satire ein oder als einen schlechten Joke. Falls es nicht so sein sollte, würde ich mich freuen, wenn Sie am eigenem Leib diese viel schlimmere kommende Diktatur als wir sie je in der DDR erlebt haben, am eigenen Leib erleben müssen.

Brian Ostroga / 30.07.2021

@Alexander Jäger: Die Solidargemeinschaft, zu der sie sich zugehörig fühlen, nennt man Egoismus und ist keine Gemeinschaft. Die Gemeinschaft die sie ausschließen nennt man Verfechter des Grundgesetzes, mit all seinen Rechten und Pflichten. Ein paar tagesaktuelle Stichpunkte: Eine Anfrage der FDP, zur Wirksamkeit einzelner Massnahmen, gab die Regierung zu “man wisse es nicht,  es sei die Gesamtheit der Massnahmen”. Man hat folglich Massnahmen verschärft, ohne ihre Wirkung und Rolle im Zusammenspiel zu kennen ... Verhältnismässigkeit ist damit obsolet. Sich zu impfen, war und ist ihre eigene Entscheidung. Sie taten es vielleicht um auch andere zu schützen. Erste Ergebnisse aus Israel und USA zeigen auch doppelt geimpfte können Superspreader sein. Wenn sie nun mehr Rechte für Geimpfte fordern, fordern sie für sich selbst eine Belohnung, denn die Impfung schützt ja nur sie ... niemanden sonst. Ungimpfte sind vielleicht gefährdeter, als geimpfte, aber was die Solidarität und Fürsorge angeht ... beide sind gefährlich für alle anderen.

Sabine Schönfelder / 30.07.2021

Alexander@Jäger tritt heute als Claus Kleber hier auf dem Blog auf. Als Klaus-Schwab-Jünger. Sozusagen als Doppel-Klausi ! Ja was erlauben sich der Autor!! Da muß Herr Jäger gleich mal das Mainstream-Evangelium runterbeten von „ die schlimme Pandemie, die so prickelt in meine Bauch“ und der Merkelin, mit der dicken Verantwortung auf dem runden Rücken der Corona-und Ökodiktatur. Woll, Herr Jäger?? Und überhaupt, werter Autor,  gehˋn se doch in die DDR oder nach BELARUS, hahaha, (Herr Jäger meint Weißrußland) oder Myanmar! Dort hätte man Ihnen längst die freche Kehle aufgeschlitzt! Sie sind ein 100%iger, Herr Jäger. Nudging und Narrativ-Erhalt, komme was wolle. Ich hoffe, das lohnt sich für Sie, wenigstens finanziell.

Chris Groll / 30.07.2021

Hallo Herr Matuschek, ein sehr informativer Beitrag.  Auch allen Kommentatoren kann ich nur zustimmen.  Für mich stellt sich nur die Frage: was kann man tun?

G. Böhm / 30.07.2021

@ Heinrich Wägner: Ohne es je in Frage gezogen zu haben, dennoch sei der Hinweis erlaubt, daß Sie weder das eine noch das andere sind und anscheinend lediglich über einen kleinen Außenseiter-‘Makel’ der Gestalt verfügen, nicht so zu sein, wie die Masse von 98-99 Personen unter hundert. Dies brauchte Sie jedoch nicht zu beunruhigen, sondern sollte Sie mit Stolz erfüllen, Sie gehören sozusagen zur Elite der Vernunftmenschen und nicht zu den Irren, von denen wir in kaum vorstellbarer Prägnanz allseitig umgeben sind. - Leider ist man in Dumm-Land schon sehr viel weiter, als man allgemein so in naiver Weise vermutet. So wird ein Teil der Menschen sicherlich keinen ‘Star’ erhalten, man wird diffizilere Methoden wählen, die ersten Vorschläge liegen bereits auf dem Tisch des Ministers. - Dringlichst sollte man es vermeiden, im Sinne des Gemeinwohls zu denken oder gar zu handeln. Wenn es Ihnen gelingt, mit Ihren Sorgen und Erfahrungen Ihre Enkel und Urenkel zu sensibilisieren, dann haben Sie sicherlich genug getan. - Mittlerweile halte ich eine Lösung der von Ihnen angesprochenen Machtfrage auf absehbare Zeit für nicht realistisch. Ganz im Gegenteil, ich denke, daß nach einer Zwischenetappe der Abstieg sich weiter beschleunigen wird. Man sollte die Zeit nutzen, denn für ein Besserwerden ist keinerlei Hoffnungsschimmer zu sehen. Das Alte hat zweifelsfrei seinen Zenit überschritten. Ihnen eine gute Zeit. MbG GB

Dr Stefan Lehnhoff / 30.07.2021

@ F Johnson: Vielleicht weniger schreiben dafür mehr informieren? Erst faseln von Schutz durch FFP2 Masken, den es nicht gibt, dann wussten Sie nicht mal, dass das WEF am Event 291 (eigentlich 21) beteiligt war?

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