Elektroautos werden zu einem möglicherweise entscheidenden Wahlkampfthema im Bundesstaat Michigan – wo am 5. November nicht nur der US-Präsident gewählt wird, sondern auch Wahlen zum US-Senat stattfinden, die darüber mitentscheiden, welche Partei zukünftig dort die Mehrheit haben wird.
Mit einem Wahlwerbespot, der sich an die Arbeiter in den Autofabriken und ihren Zulieferern richtet, könnte Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen Stimmen von Wählern gewinnen, die bislang die Demokraten wählten. Darin heißt es „Autoarbeiter. Kamala Harris will alle benzinbetriebenen Autos abschaffen. Verrückt, aber wahr.“ Harris‘ Vorstoß, ganz auf Elektroautos zu setzen, „scheitert gewaltig“, heißt es weiter; die Autoarbeiter in Michigan zahlten den Preis dafür. „Massenentlassungen haben bereits begonnen. Du könntest der Nächste sein.“
Die Botschaft überzeugt, weil sie wahr ist. Auch wenn Kamala Harris widerspricht: „Im Gegensatz zu dem, was mein Gegner behauptet, werde ich Ihnen niemals vorschreiben, welches Auto Sie fahren müssen“, behauptete Harris Anfang Oktober bei einem Wahlkampfauftritt in Flint, Michigan. Sie fügte hinzu:
„Aber ich werde Folgendes tun: Ich werde in Gemeinden wie Flint investieren. Wir werden bestehende Fabriken umrüsten, lokale Arbeitskräfte einstellen und mit Gewerkschaften zusammenarbeiten, um gut bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen.“
Die Redaktion des Wall Street Journal – das zu Rupert Murdochs News Corp gehört — kommentierte, im Klartext bedeute dies: „Die Regierung wird den Autoarbeitern, deren Arbeitsplätze durch ihre Klimapolitik zerstört wurden, Entschädigungen zahlen."
Für ein Ende des Verbrennermotors ausgesprochen
Die New York Times, deren Redaktion eine Wahlempfehlung für Harris abgegeben hat, nennt Trumps Wahlwerbespot in einem aktuellen Beitrag „völlig übertrieben“. Sie muss jedoch zugeben, dass Kamala Harris sich bei ihrer erfolglosen Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten 2019/2020 für ein Ende des Verbrennermotors ausgesprochen hat. Punkt drei ihres „10-Billionen-Klimaplans“ von 2019 sah „100 Prozent emissionsfreie Fahrzeuge bis 2035“ vor. Er ist immer noch online. Noch im April 2020 hatte die New York TimesKamala Harris dafür gelobt, „eine der ursprünglichen Mitunterstützer“ des Green New Deal gewesen zu sein, einem Gesetzespaket, mit dem die USA bis 2040 zu 100 Prozent auf „saubere Energie“ umsteigen sollten. Der Vorschlag scheiterte im Senat.
Offiziell erklärte – und aktuelle – Politik der Regierung Biden/Harris ist, dass in fünf Jahren „50 Prozent“ aller neu verkauften Autos elektrisch sein sollen. Die im März veröffentlichten neuen Treibhausgas-Emissionsvorschriften der US-Umweltschutzbehörde EPA schreiben vor, dass batteriebetriebene und Hybridfahrzeuge im Jahr 2027 32 Prozent der Autoverkäufe ausmachen müssen. Ab 2032 dürfen nicht mehr als 29 Prozent der Neuwagen mit Benzin betrieben werden. „Ergo wird es auf den Händlerplätzen nur noch ein benzinbetriebenes Modell für je zwei Elektroautos geben“, so das Wall Street Journal.
„Biden-Harris-Regierung verabschiedet strengste Emissionsgrenzwerte für Autos“, triumphierte die EPA im Frühjahr. „Da der Verkehr die größte Quelle der US-Klimaemissionen ist, festigen diese strengsten Emissionsstandards für Autos die Führungsrolle Amerikas beim Aufbau einer sauberen Verkehrszukunft und der Schaffung gut bezahlter amerikanischer Arbeitsplätze, während gleichzeitig Präsident Bidens historische Klimaagenda vorangetrieben wird“, sagte EPA-Chef Michael S. Regan. „Die Standards werden über 7 Milliarden Tonnen Klimaverschmutzung einsparen.“
Harris wird also vielleicht nicht jedem einzelnen Bürger vorschreiben, welches Auto er zu fahren hat; aber sie wird Vorschriften befürworten, die erreichen sollen, dass immer weniger benzinbetriebene Autos produziert werden – etwa über Vorschriften zu Emissionen. Es könnte ein Punkt erreicht werden, wo man benzinbetriebene Autos zwar fahren darf, sie aber nicht hergestellt oder eingeführt werden dürfen. Das wäre dann eine ähnliche Praxis wie bei der Prohibition von Alkohol zwischen 1920 und 1933. Auch die ist bekanntlich gescheitert.
Milliardenverluste mit Elektroautos
Wie läuft das Geschäft mit Elektroautos für die Konzerne in Michigan? Nehmen wir das Beispiel Ford. Ford hat mit seinen Elektroautos allein im ersten Halbjahr 2024 2,5 Milliarden US-Dollar (ca. 2,3 Milliarden Euro) Verlust gemacht. Wie ein CNN-Journalist ausgerechnet hat, hat Ford in den ersten drei Monaten des Jahres mit jedem seiner 10.000 verkauften Elektroautos rund 130.000 Dollar Miese gemacht.
Für viele Amerikaner in ländlichen Regionen sind Elektroautos unpraktisch, vor allem, wenn sie längere Strecken pendeln müssen. Es fehlt an Ladeinfrastruktur und bei Kälte entlädt sich die Batterie schneller. Und ja: In Michigan gibt es noch richtige Winter. Im Januar berichtete die Detroit Free Press über die Probleme auf der Straße:
„‚So lange hat das noch nie gedauert‘, sagte Mike Williams, 22, aus Southfield, während er darauf wartete, dass sein Tesla Model X aufgeladen wurde, und fügte hinzu, dass das Fahrzeug kein Auto für kaltes Wetter sei. ‚Es ist furchtbar!‘ Rodney Morley, ein 45-jähriger Uber-Fahrer, sagte, dass es am Abend zuvor an einer Ladestation in Roseville noch schlimmer gewesen sei, da 50 Autos um einen Platz wetteiferten. Einige hätten komplett den Strom verloren und müssten zu einem Ladegerät geschoben werden.“
Kein Wunder, dass sich die Käufer nicht um Elektroautos reißen. Dennoch müssen die Automobilhersteller zig Milliarden Dollar investieren, um die Produktion von Elektrofahrzeugen hochzufahren und so den staatlichen Vorgaben nachzukommen. Ob Ford, GM oder Stellantis (mit den Marken Chrysler, Jeep und Dodge): Die Autohersteller in Michigan feuern Arbeiter, um Kosten einzusparen. Ford hat in seinem Rouge Electric Vehicle Center in Dearborn 1.400 Stellen abgebaut, weil das Unternehmen die Produktion des vollelektrischen Pickup-Trucks F-150 Lightning drastisch reduzieren musste.
Einer Studie der Gewerkschaft der Automobilarbeiter (UAW) aus dem Jahr 2018 zufolge könnte die massenhafte Einführung von Elektrofahrzeugen 35.000 ihrer knapp 400.000 Mitglieder arbeitslos machen. UAW-Forschungsleiterin Jennifer Kelly sagte: „Die Arbeiter, die heute Motoren und Getriebe herstellen, werden ihre Arbeitsplätze verlieren, wenn wir auf Elektrofahrzeuge umsteigen. Allein dieser technologische Wandel wird einen beträchtlichen Netto-Arbeitsplatzverlust nach sich ziehen.“
Autoarbeiter skeptisch
Die New York Post berichtete im September über Autoarbeiter, die der Politik der Regierung sehr skeptisch gegenüberstehen. Der 24-jährige Isaiah Gordon, Mitglied der United Auto Workers, arbeitet im Ford-Werk in Rawsonville an Hybridbatterien und sagte, der erzwungene Übergang zu Elektrofahrzeugen schade der Branche. "Ich bin sicher, dass alle Leute, mit denen ich arbeite, froh sind, einen Job zu haben. Aber das Problem ist, dass in diesen Elektrofahrzeugabteilungen Leute entlassen werden“, sagte Gordon der Zeitung. Sein Gewerkschaftskollege Chris Vitale, ein Mechaniker bei Chrysler, stimmte dem zu und sagte, dass die Herstellung von Elektroautos erheblich weniger Arbeit erfordert als die von benzinbetriebenen Fahrzeugen. „Einen Elektromotor zusammenzubauen ist wie das Basteln eines Windrads oder eines Papierflugzeugs. Es ist ein gewisses Maß an Arbeit damit verbunden, aber es erfordert nicht wirklich Können.“
„Das ist der Weg, den die Regierung jetzt gehen will“, sagt Gordon über den Übergang zu Elektrofahrzeugen. „Und sie haben dabei völlig falsche Entscheidungen getroffen, denn wenn man sich das ansieht, hat Ford viel Geld verloren.“
Auch über die strengen Emissionsstandards, die die Biden-Harris-Regierung eingeführt hat, schütteln die von der New York Post interviewten Autoarbeiter den Kopf. Die neuen Vorschriften der Umweltschutzbehörde seien nahezu unmöglich zu erfüllen und zielten darauf ab, die Industrie dazu zu zwingen, mehr Elektrofahrzeuge zu produzieren – unabhängig von der Verbrauchernachfrage. Selbst Hybride würden die neuen Standards nicht erfüllen, sagt Mechaniker Chris Vitale. „Sehen Sie sich ein Produkt wie den Ford Hybrid Escape an, ein Hybrid-Elektrofahrzeug, und es ist eines der kleineren SUVs. Es ist kaum ein Auto. Und der CO2-Fußabdruck davon, in Gramm pro Meile, beträgt 225. Sie haben hier also ein Fahrzeug, dessen CO2-Ausstoß um 55 Gramm pro Meile über dem Standard liegt, der in zwei Modelljahren gelten wird.“
Weiter Arbeitsplatzabbau in Michigan scheint sicher — wenn sich an der Politik nichts ändert. In Michigan kippt die Stimmung offenbar zu Donald Trump. Anfang des Monats hielten sich auf der Website RealClearPolitics Umfragen, die Harris vorn sahen, und solche, die Trump einen Vorsprung prognostizierten, in etwa die Waage. Derzeit führt Trump in fünf von acht dort veröffentlichten Umfragen; zwei sehen ein Unentschieden, nur eine sieht Harris vorn.
Im Durchschnitt der Umfragen hat Trump in Michigan 1,2 Prozentpunkte Vorsprung vor Harris. Zum Vergleich: Vor genau vier Jahren führte Joe Biden in den Umfragen mit 7,8 Prozentpunkten (offizielles Wahlergebnis: Biden 2,8 Prozentpunkte vor Trump). 2016 sprachen die Demoskopen Hillary Clinton einen Vorsprung von 12 Prozentpunkten zu. Am Ende gewann Trump.
Ohne Michigan kann Harris kaum gewinnen
Es sei „schwer vorstellbar, dass Harris ohne Michigans 15 Stimmen im Electorale College (dem Wahlmännergremium, S.F.) gewinnt“, schreibt ein Kolumnist der Tageszeitung Detroit Free Press.
„Michigan gilt als der den Demokraten am meisten zugeneigte aller Swing States, und der demokratische Präsident Joe Biden schlug Trump im Jahr 2020 in diesem Staat um etwa 3 Prozentpunkte oder mehr als 154.000 Stimmen.“
Ein Reporter der New York Times, der durch Michigan reiste, um „unentschlossene“ Wähler zu treffen, zog das – für viele Leser des Blattes wahrscheinlich ernüchternde — Fazit, dass die meisten der vermeintlich „Unentschlossenen“ durchblicken ließen, dass sie wohl für Trump stimmen werden. Was ist mit Harris?
„Was Frau Harris betrifft, hörte ich immer wieder, dass die Leute nicht wussten, wer sie ist oder was sie tun will. Es herrscht eine so große Unvertrautheit, dass sie bei manchen zu Misstrauen führt.“
Wenn mehr Wähler wissen, wofür Harris steht, wird das ihre Chancen aber wohl kaum steigern – jedenfalls nicht in Michigan. Über eine Wählerin schreibt der Reporter:„Sie spricht über die Demokraten, als wären sie eine andere Spezies – sie hat gehört, dass sie versuchen, alle zum Fahren von Elektroautos zu zwingen.“ Da werden sich einige Leser beömmeln – was dieser white trash ohne College-Abschluss so denkt!
Noch ein schlechtes Zeichen für das Ansehen von Harris bei den Arbeitern und Angestellten: Anders als Joe Biden kann Kamala Harris nicht auf starke Unterstützung der Gewerkschaften zählen. Sowohl die Gewerkschaft der Feuerwehrleute als auch die der Transportarbeiter haben anders als vor vier Jahren keine Wahlempfehlung für die Demokraten ausgesprochen. Nicht genug Mitglieder hatten eine solche Empfehlung unterstützt.
Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: „Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise“ (2009); „Kreditinferno: Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos“ (2012)