Mach’s wie Erdogan: Wie man Finanzkrater stopft

„Vorbei sind die schönen Coronazeiten!“ Nein, nein, das sind nicht meine Worte, ganz im Gegenteil! Denn ich hätte mir gewünscht, dass die Wirtschaft nicht so heruntergefahren worden wäre. Die Feststellung oben betrifft Erdogan, den Prächtigen. Wer jetzt denkt, er musste mit einer Phase des Nichtstuns fertigwerden, hat ebenfalls falsch gedacht, denn er tut schon seit Jahren nichts, was die Türkei weiterbringen könnte. Das meiste, womit er und seine Anhängerschaft sich heute noch rühmen, wie zum Beispiel Brücken, Autobahnen, Flughäfen (in seiner Zeit wurden über 40 Flughäfen gebaut), Tunnels und anderes, wurden bis circa 2005/2006 realisiert.

Was danach noch gebaut wurde, gehörte schon dazu, abzulenken, zumal viele, auch die Umweltschützer, strikt dagegen waren. Eine dritte, kaum frequentierte Bosporus-Brücke, ein Mega-Flughafen in Istanbul, ein Tunnel unter dem Marmara-Meer, eine riesige Brückenverbindung bei Izmit, welche die Strecke nach Izmir nicht unwesentlich abkürzte, sind einige dieser Projekte.

„Nach-mir-die-Sintflut“-Strategie

Ist es schlecht, dass das alles gebaut wurde? Nein, zu allem kann man sagen: „Nice to have!“ Bei einer gesunden und nicht auf Pump funktionierenden türkischen Wirtschaft, gehören sie zu den Infrastrukturmaßnahmen und bringen die Türkei definitiv weiter. An dieser Stelle sollten seine Anhänger sich freuen, denn ich bin mit ihnen einer Meinung. Der Unterschied ist, ich schaue weiter und stelle fest, dass alle aufgezählten Bauprojekte, ausnahmslos alle, Verlustprojekte sind, die mit nicht erreichbaren, vom Staat garantierten, Auslastungszahlen von Erdogan nahen Unternehmern, ebenfalls durch Kredite von staatlichen Banken, also vom Staat, also vom Bürger finanziert, gebaut sind.

Die Bürger stehen in der Pflicht, noch weitere 20, 30, 40 Jahre und länger dafür zu bluten. Die allseits bekannte „Nach-mir-die-Sintflut“-Strategie. Ich weiß, ich weiß, auch Deutschland verschuldet sich auf Kosten der kommenden Generationen, nur geht es in diesem Beitrag um die Türkei. Deutschland hat sehr gute Zeiten erlebt und hat die Substanz und die Bonität, das Ganze irgendwie zu stemmen. Nicht so die Türkei.

Wenn ein Staat sich nur darauf konzentriert, zu gegebener Zeit die Löcher zu stopfen und neue Krater (die vorhin erwähnten Löcher waren eine Verniedlichung) zu erzeugen, um diese ebenfalls zu stopfen, wird er an irgendeinem Punkt nicht mehr können. Diesen Punkt hat der Prächtige schon vor Jahren überschritten und hat aufgehört zu regieren.

Von der leidenden Wirtschaft ablenken

Fünfjahres-Ablenkungsplan. Ich weiß, so etwas gibt es nicht, aber nur so kann ich auf den wunden Punkt drücken. Wie seit Jahren, muss er immer weiter vom Eigentlichen ablenken. Die Ablenkungspläne sind natürlich nicht öffentlich, denn sie werden im Geheimen kurzfristig ausgedacht und realisiert.

Gestern wurden, mit der Mehrheit der Stimmen der AKP im Parlament, die Immunitäten von drei Abgeordneten (einer von der sozialdemokratischen CHP und zwei von der pro-kurdischen HDP) aufgehoben. In türkischen Gefängnissen schmoren zehntausende Unschuldige, so viele, dass es auf drei mehr oder weniger, aus der Sicht von Erdogan, nicht ankommt. Erdogan und die AKP müssen von der leidenden Wirtschaft und vom Nichtvorhandensein von Devisen ablenken. Empörung überall: „Wie kann er das machen?“ Jetzt hat er wieder einige Tage Ruhe.

Nachdem die USA nicht dazu bereit waren, SWAP-Vereinbarungen mit der Türkei einzugehen, wo Dollars zu einem fixierten Umtauschkurs, über einen bestimmten Zeitraum, in die Türkei fließen würden, machte man sich daran, mit anderen Ländern die SWAPs zu realisieren. Oh Wunder, wer war damit einverstanden? Natürlich Katar! Dazu muss man wissen, dass ein Großteil der Türkei, an Grundstücken, Immobilien und Unternehmen, bereits den Katarern gehört. Nach der SWAP-Vereinbarung mit Katar, sollen 10 Milliarden USD Richtung Türkei geflossen sein. Ein Tropfen auf den heißen Stein.

Was fehlt, ist eine Denunzianten-App

Löcher stopfen, oder wohin mit dem Geld? Eine wahrlich schwierige Entscheidung, wenn glatt das Fünfzigfache davon nötig wäre, um weiter zu funktionieren. Den Begriff „weiter funktionieren“ habe ich bewusst gewählt: Das Geld würde nicht fürs „Weiterkommen“ investiert werden (können), denn die Krater, die man zustopfen muss, sind zu groß. Die Größe dieser Krater bringt es mit sich, dass die Ablenkungsmanöver, die immer auf Kosten Anderer gehen, immer raffinierter ausfallen müssen. Diese gehen natürlich nicht immer auf Kosten bestimmter Personen, sondern auch auf Kosten anderer Länder.

Nochmal in Syrien, oder woanders einmarschieren? Die türkische Armee ist schon in Syrien einmarschiert, fast möchte ich meinen, dass die Soldaten sogar dort vergessen wurden. Nochmal einmarschieren, auf Verdacht hin, dass die Bevölkerung schon vergessen hat, dass die türkische Armee schon da ist?

„Vorbei sind die schönen Coronazeiten!“ Die Coronakrise hat auch einen Schutzschild vor die EU und Deutschland aufgebaut, wenigstens zeitweise. Denn Aktionen von Erdogan gegen Deutschland beziehungsweise gegen die EU würden in dieser Phase, in der alle Länder versuchen, ihre Wirtschaften in Fahrt zu bekommen, untergehen. Was tun?

Eine Art Ablenkungs-App muss her. Die Denunzianten-App der türkischen Sicherheitsbehörden funktioniert, und wie man erfahren konnte, machen die deutsch-türkischen Denunzianten regen Gebrauch davon, in Deutschland ansässige Diktatorengegner anzuschwärzen. Also müsste jetzt noch eine Ablenkungs-App her. Dann könnten die Menschen, die dem Erdogan gut gesonnen sind, Vorschläge machen, welche Ablenkungsmanöver als nächste kommen könnten. Wie bei den Denunzianten gäbe es nichts zu verdienen, aber man möchte sich ja für den Augenblick wichtig vorkommen, sozusagen als eine dick und fett geschriebene Null. Eine ganz besondere Null.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Go2TR.

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Leserpost

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Karla Kuhn / 09.06.2020

“Die türkische Wirtschaft funktioniert schon seit langem auf Pump. Erdogan, der Prächtige, braucht Geld, um die Löcher zu stopfen.”  NUR DIE TÜRKISCHE WIRTSCHAFT ??  Aber keine Sorge mit dem Milliarden Deal, bzw. BILLIONEN DEAL sind wir in absehbarer Zeit ALLE ebenbürdig, dann fällt das FINANZLOCH der Türkei gar nicht mehr auf!  Die Denunzianten-App der türkischen Sicherheitsbehörden funktioniert, WIESO der TÜRKISCHEN….. ??  Haben Sie sich verschrieben ?? Hier wurde ja sogar aufgefordert JEDEN, der nicht im “Strom” mit schwimmt, also NUR RÄÄCHTS verdächtig sein KÖNNTE, anzuzeigen und zwar ANONYM. FEIGE sind die Denunzianten auch noch !!

Wilfried Cremer / 09.06.2020

Bevor die Türken hungern, kommen sie nach hier. Das wird zeitlich passen, weil bis dahin Deutschland abgewickelt, also sturmreif ist. Der Fahnenraub von Merkel ist das Omen.

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