Alexander Wendt / 25.10.2012 / 08:27 / 0 / Seite ausdrucken

Mach meinen Diktator nicht an (4): Fidel-Witz mit Bart

Wem in München die „Süddeutsche“ noch nicht reicht, kann sich anschließend noch, wenn er noch nicht ganz abgestumpft ist, die „Abendzeitung“ zuführen. Wir lieben dieses Blatt, jedenfalls bei unseren vierteljährlichen Stichproben, denn mehr verträgt auch der von tausend Schwabinger Monologen gehärtete Leser nicht. Mal warnt die az an einem eiskalten Neun-Grad-Augustwochenende vor dem kommenden Hitzekollaps in unseren Städten, dann wieder liefert sie angebliche Zitate Mitt Romneys, die so rührend ungeschickt ins Deutsche übergelogen sind, dass selbst ein Redakteur der „Jungen Welt“ schamrote Ohren bekommen würde.

Und wo bleibt das Positive? Das grüßt unverwüstlich von Seite eins: „Glückwunsch“, kräht die “az” dort Fidel Castro ohne besonderen Anlass zu. „Der kubanische Revolutionsheld (86) zeigt sich ganz fidel in der Öffentlichkeit, nimmt an den Kommunalwahlen teil und dementiert Gerüchte, er ringe mit dem Tod. Er leide nicht einmal unter Kopfschmerzen, erklärte Castro.“

Bis vor kurzem hieß es noch, der kubanische Revolutionsheld sei schon tot – das würde wenigstens die fehlenden Kopfschmerzen erklären. Aber es steht ja alles bestens: Er nimmt an den Kommunalwahlen teil. Was sagen denn die Umfragen? Wird die KP auch dieses Mal die Rathäuser verteidigen können? Oder wird sie zu Koalitionen gezwungen?

Da kann die Apokalypse noch so sehr an der Bürotür rütteln, in einem wird sich der gutmeinende Redakteur nie irre machen lassen: In seiner unverbrüchlichen Treue zum kubanischen Sozialismus, die ihn schon in Gestalt von Che- und Kuba-Sí-Hemden durch seine sturzdoofe Bad Salzuflener Jugend begleitet hat. Vor kurzem berichtete „Spiegel Online“ über den Strom- und Benzinmangel auf Kuba und die Wiedereinführung von Pferdekutschen als öffentliches Transportmittel, entdeckte darin aber nicht etwa nordkoreanische Verhältnisse unter Palmen, sondern vielmehr einen dynamischen Fortschritt auf dem Weg zum CO2-freien Staat. Sozialismus, das wissen wir seit Lenin, ist schließlich KP-Macht plus Verdunkelung des ganzen Landes.

Als vor kurzem die kubanische Staats- und Parteiführung via „Granma“ mitteilte, Kubaner bräuchten ab 14. Januar 2013 kein Ausreisevisum mehr, sondern nur noch einen Reisepass, der könne ihnen aber nach wie vor ohne Begründung vorenthalten werden, verzichteten nur wenige deutsche Zeitungen darauf, irgendwie „Cuba libre“ in die Überschrift zu juxen. Zu den hervorstechenden Fähigkeiten der Journalisten von der “az” bis zur ARD gehört schließlich die Fähigkeit, kein Spanisch zu können, kombiniert mit dem Unwillen, Originaltexte wenigstens in der Übersetzung zu lesen. Dafür ist das Talent zum Wortspiel („Cuba libre“, „fidel“) weltspitzenmäßig ausgeprägt. Um bei der az anzuheuern, reicht wahrscheinlich der Besuch einer Hagen-Rether-Vorstellung als Befähigungsnachweis.

Sollte der Comandante en Jefe, nachdem er noch ein letzte Mal die Liste der politischen Gefangenen abgehakt hat, irgendwann tatsächlich abberufen werden, dann werden bei der “az” und anderswo die ersten beiden Seiten für eine Nachruf freigeräumt, wie ihn kein einheimischer Politiker auch nur annähernd bekommen würde, nicht einmal Claudi Roth auf der vollkompostierbaren Bahre.
Und jetzt die Israelkritik und das Wetter.

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