Thilo Spahl, Gastautor / 16.11.2022 / 06:00 / Foto: Pixabay / 44 / Seite ausdrucken

Mach aus einem Kohlekraftwerk ein Kernkraftwerk

Laut US-Energieministerium könnten hunderte von US-Kohlekraftwerken in Kernkraftwerke umgewandelt werden.

Kraftwerke spielen eine große Rolle für die regionale Wirtschaft. Sie liefern nicht nur Strom, sondern auch gute Jobs, nicht nur im Kraftwerk selbst, sondern auch bei Dienstleistern aller Art, der regionalen Gastronomie und so weiter. Wer ein Kraftwerk hat, möchte ungern darauf verzichten. Viele in die Jahre kommende Kohlekraftwerke werden aber früher oder später unweigerlich stillgelegt werden. Eine verlockende Alternative ist ein nukleares Upgrade. An vielen Standorten erscheint das machbar und vorteilhaft. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der US-Regierung.

Die Studie mit dem Titel „Investigating Benefits and Challenges of Converting Retiring Coal Plants into Nuclear Plants“ untersuchte die Vorteile und Herausforderungen der Umwandlung von Kohlekraftwerksstandorten in Kernkraftwerksstandorte. Betrachtet wurden 157 stillgelegte und 237 in Betrieb befindliche Kohlekraftwerksstandorte als potenzielle Kandidaten für eine C2N-Umstellung („C2N“ steht für „coal to nuclear“), die dann anhand von Parametern wie Bevölkerungsdichte, Entfernung zu seismischen Verwerfungslinien, Überschwemmungspotenzial und nahe gelegenen Feuchtgebieten bewertet wurden, um festzustellen, ob sie ein Kernkraftwerk sicher beherbergen könnten.

Das Team kam zu dem Ergebnis, dass 80 Prozent der potenziellen Standorte für fortschrittliche Kernkraftwerke unterschiedlicher Größe und Art geeignet sind, je nachdem, wie groß der umzuwandelnde Standort ist. Für die kürzlich stillgelegten Kraftwerksstandorte entspricht dies einem Kapazitätspotenzial von etwa 65 Gigawatt elektrisch (GWe), das an 125 Standorten nachgerüstet werden könnte. An den 190 noch in Betrieb befindlichen Anlagenstandorten könnten weitere fast 200 GWe an Kapazität entstehen. (Zum Vergleich: Die aktuelle Kernkraftwerksflotte der USA verfügt mit ihren 93 Reaktoren über eine Kapazität von rund 96 GWe.)

300 amerikanische Kohlekraftwerke könnten durch Kernkraftwerke ersetzt werden

In einer Fallstudie bewerteten die Autoren auch die detaillierten Auswirkungen und potenziellen Ergebnisse einer C2N-Umstellung an einem hypothetischen Standort, wobei verschiedene Kerntechnologien für eine Reihe von Szenarien berücksichtigt wurden, darunter große Leichtwasserreaktoren, kleine modulare Reaktoren, natriumgekühlte schnelle Reaktoren und Reaktoren, die mit sehr hohen Temperaturen arbeiten.

Auf regionaler Ebene könnten demnach durch den Ersatz eines großen Kohlekraftwerks (mit 1.200 MWe) durch ein Kernkraftwerk vergleichbarer Größe etwa 650 Arbeitsplätze und 275 Millionen Dollar an wirtschaftlicher Aktivität geschaffen werden, was wiederum eine Steigerung der Steuereinnahmen für den lokalen Bezirk um 92 Prozent im Vergleich zum Betrieb des Kohlekraftwerks bedeute, so der Bericht.

Diese Arbeitsplätze verteilen sich auf das Kraftwerk, die Lieferkette, die das Kraftwerk unterstützt, und die Gemeinde, die das Kraftwerk umgibt und sind in der Regel mit Löhnen verbunden, die etwa 25 Prozent höher sind als bei anderen Energietechnologien. Kernkraftwerksprojekte könnten auch davon profitieren, dass die erfahrenen Arbeitskräfte in den Gemeinden rund um auslaufende Kohlekraftwerke erhalten bleiben, da sie bereits über notwendige Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen, die auf die Arbeit in einem Kernkraftwerk übertragen werden können.

Eine Umstellung von Kohle auf Kernenergie würde die Luftqualität in den betreffenden Regionen erheblich verbessern. Und auch dem „Klimaschutz“ wäre gedient. Die Fallstudie ergab, dass die Treibhausgasemissionen in einer Region um 86 Prozent sinken könnten, wenn große Kohlekraftwerke durch Kernkraftwerke ersetzt werden.

Hohe Zustimmung der Bürger

Die Leiterin der Abteilung für Kernenergie, Dr. Kathryn Huff, wird in einer Pressemitteilung des Ministeriums mit den Worten zitiert: „Dies ist eine wichtige Gelegenheit, Gemeinden im ganzen Land zu helfen, Arbeitsplätze zu erhalten, Steuereinnahmen zu erhöhen und die Luftqualität zu verbessern. Auf dem Weg in eine saubere Energiezukunft müssen wir ortsbezogene Lösungen anbieten und eine gerechte Energiewende sicherstellen, die die Gemeinden nicht zurücklässt.“

Auch ökonomisch ist das Szenario äußerst reizvoll. Die Wiederverwendung von Kohleinfrastruktur für fortschrittliche Kernreaktoren könnte die Kosten für die Entwicklung neuer Nukleartechnologien senken und Einsparungen von 15 bis 35 Prozent bei den Baukosten ermöglichen, denn ein Kraftwerk besteht ja nicht nur aus der Brennkammer, sondern auch aus einer Menge Anlagen rund um diesen Kern. Ersetzt man ein Kohle- durch ein Kernkraftwerk, könnte man also zum Beispiel Übertragungsleitungen, Schaltanlagen, Kühltürme, Bürogebäude, Straßen, und gegebenenfalls auch Komponenten des Dampfkreislaufsystems weiter nutzen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die große Chance einer weitgehenden Dekarbonisierung und Modernisierung des Kraftwerksparks durch C2N in den USA ergriffen wird, ist recht hoch. Eine Umfrage im letzten Jahr hat große Zustimmung ergeben. Insgesamt 65 Prozent der Wähler unterstützen demnach den Ersatz fossiler Kraftwerke durch emissionsfreie Kernreaktoren der nächsten Generation. Unter den Wählern der Demokraten sind es sogar 74 Prozent (13 Prozent dagegen), bei den Republikanern 54 Prozent (33 Prozent dagegen).

Projekte kurz vor der Realisierung

Die konkrete Umsetzung hängt natürlich von der Entwicklung und Zulassung geeigneter Reaktortypen ab. Eine wichtige Rolle spielen dabei die sogenannten kleinen modularen Reaktoren (small modular reactors – SMR). Insgesamt werden derzeit rund 80 SMR-Konzepte in 19 Ländern entwickelt. Die ersten SMR-Blöcke in Russland und China sind bereits in Betrieb.

Einige C2N-Projekte in den USA stehen kurz vor der Realisierung. TerraPower kündigte 2021 Pläne für den Bau einer Demonstrationsanlage seines natriumgekühlten schnellen Reaktors an einem stillgelegten Kohlekraftwerksstandort in Wyoming an. Anfang dieses Jahres kündigte die Maryland Energy Administration ihre Unterstützung für Arbeiten an, mit denen die Möglichkeit der Umnutzung einer kohlebefeuerten Stromerzeugungsanlage durch den kleinen modularen Reaktor Xe-100 von X-energy untersucht werden soll.

Holtec International erklärte kürzlich, dass es Kohlekraftwerksstandorte als mögliche Standorte für seinen SMR-160 in Betracht zieht und plant, die erste Anlage bereits 2029 in Betrieb zu nehmen. In Polen prüft NuScale zusammen mit dem Energieunternehmen Unimot und dem Kupfer- und Silberproduzenten KGHM Möglichkeiten für den Einsatz seiner Reaktoren als Ersatz für Kohlekraftwerke, berichtet World Nuclear News. In Europa gibt es außerdem in Bulgarien, Tschechien, Finnland, Schweden, Estland, Rumänien, Großbritannien, Belgien, den Niederlanden und Frankreich Projekte zur Erforschung des Einsatzes von SMR.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Novo-Argumente.

 

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H.Nietzsche / 16.11.2022

Während die schnöde Welt noch grübelt, was sie mit Kohlekraftwerken macht, arbeiten in Deutschland an deren Stelle schon längst Wind und Sonne. Welch Wonne! Und das mit der unerschöpflich regenerativen Energie der Ideologie!

Dr. Konrad Voge / 16.11.2022

@Irene Luh, ich bin voll u ganz bei Ihnen. Nur im Punkt Kernkraftwerk haben wir offensichtlich entgegesetzte Ansichten. Übrigens bin ich auch der Ansicht, dass Erdöl un Erdgas keineswegs “fossilen” Ursprungs sind. Bei Steinkohle bin ich mir nicht sicher.

Wilolf Moser / 16.11.2022

@Jens Happel: Nein, das sind ganz kompakte Druckwasserreaktoren.

Henri Brunner / 16.11.2022

Insofern man dem (keinsfalls nachgewiesenen, sondern nur mittels Modellen herbeigeredeten) CO2-Narrativ folgt, mag es ja sinnvoll erscheinen KKWs durch AKWs zu ersetzen. Bestehende KKWs ggf mit besseren Filtern gegen Rauchstaub zu modernisieren dürfte dennoch günstiger sein. Im Übrigen zweifle ich die gebotenen Zahlen energisch an: die Hauptkosten eines KKW entstehen doch bei all den notwendigen Bewilligungen, den Sicherheitsvorschriften am Bau, den Forderungen, dass jedes einzelne Schräubchen zertifiziert sein muss usw. Da sind die Kosten, welche man für Anschluss, Nebenbauten usw einsparen könnte, doch nur Peanuts.

giesemann gerhard / 16.11.2022

Wir müssen halt ein wenig aufpassen, dass wir nicht verstinken und erfrieren in der Zwischenzeit - so ohne Wasser und Strom. Das Bier gehopft, das Klo verstopft - und alle sind zu sehr verkopft. Ich aber sage euch: Nehmt Kohle derweil und recycelt das CO2 extra für die Grünen mit George ( “researchgate.###/figure/The-George-Olah-Renewable-CO2-to-Methanol-Plant-of-Carbon-Recycling-International-CRI_fig3_324846670” ) - das geht wenigstens. Zitiere das so lange, bis es jede/r begriffen hat. Und haltet die Hyperfertilen fern mit Martin Neuffer (1924 - 2004): SPD-Kommunalexperte Martin Neuffer über die Ausländerpolitik der Bundesrepublik. Eine radikale Neuorientierung der Bonner Ausländerpolitik fordert der langjährige hannoversche Oberstadtdirektor, Städtetagpräside und NDR-Intendant Martin Neuffer, 57. In seinem soeben erschienenen Buch »Die Erde wächst nicht mit« Martin Neuffer: »Die Erde wächst nicht mit. Neue Politik in einer überbevölkerten Welt«. Verlag C. H. Beck, München; 195 Seiten; 17,80 Mark. plädiert der linke Sozialdemokrat dafür, die Einwanderung von Türken in die Bundesrepublik »scharf« zu drosseln und auch das Asylrecht »drastisch« auf Europäer zu beschränken. Auszüge: 18.04.1982, 13.00 Uhr • aus DER SPIEGEL 16/1982 Gut, das ist schon ein paar Minuten her, aber immer noch recht klug, oder? “spiegel.##/politik/die-reichen-werden-todeszaeune-ziehen-a-628d4249-0002-0001-0000-000014344559?context=issue” Auch das muss immer wieder gesagt werden. Sagst du mehr: Gefängnis, “openjur.##/u/2396606.****”. Ist Blödheit nicht womöglich doch strafbär? Problem: Mit der Dummheit ist das so: Selber merkt man nix davo’. Ob das wohl vor Strafe schützt? Zuverlässig gar?

Albert Pflüger / 16.11.2022

Es wird höchste Zeit, daß wir gegen den drohenden CO2- Mangel auf die Barrikaden gehen, die Vegetation leidet bereits, da die Versorgung deutlich unterhalb des Optimums liegt. Wenn das Bevölkerungswachstum nicht gestoppt werden kann, ist es umso dringlicher, die Wachstumsbedingungen für die Produktion pflanzlicher Nahrungsmittel zu verbessern!

Frank Mora / 16.11.2022

@Donatus Kamps: Sie sprechen von einem Stück sächsischer Wirtschaftsgeschichte. Stadt und Industrie Dresdens wurden jahrzehntelang mit Steinkohle aus dem benachbarten Freital befeuert. Ein noch heute arbeitendes Stahlwerk hatte darin seine Rohstoffquelle. Diese Steinkohle war mit Uran in einer gemeinsamen Lagerstätte. Nach 45 hat die Wismut in Freital Uran für sowjetische Atombomben gewonnen. Mehr weiß sicher der Urdresdener Uwe Steimle, der im Freitaler Stahlwerk den ehrbaren Beruf des Industrieschmiedes erlernte.

Frank Mora / 16.11.2022

@Christa Born: Was ist Sowjetmacht? Kommunismus minus Elektrifizierung.

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