Manfred Haferburg / 18.01.2021 / 12:00 / Foto: Pixabay / 128 / Seite ausdrucken

Lockdown der Physik. Oder: Willkommen im Land der Stromsperren!

Das Bundeswirtschaftsministerium hatte einen Gesetzentwurf eingebracht, der  Stromanbietern durch eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes die Möglichkeit der „Spitzenglättung“ einräumt, nämlich größere Privatverbraucher wie Elektroautos und Wärmepumpen zeitweise ferngesteuert vom Netz zu nehmen. Nicht nur E-Fahrzeugen und Wärmepumpen, auch Nachtspeicherheizungen sollte ferngesteuert der Saft abgedreht werden. „Spitzenglättung“ hieß die Zwangspause in Paragraph 14a des geänderten Energiewirtschaftsgesetzes. Die Welt am Sonntag veröffentlichte am 17. Januar einen Artikel, und innerhalb weniger Stunden erhob sich ein Shitstorm mit mehr als 1.000 wütenden Zuschriften. Und das, obwohl die Welt nur noch Abonnenten kommentieren lässt. 

Das Ganze sieht aus wie ein Versuchsballon. „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“ Das sagte niemand geringerer als der ehemalige EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. 

Um 9.55 Uhr am Sonntag bemerkte der Wirtschaftsminister Peter Altmaier sein Eigentor und ruderte zurück. „Es handelt sich um einen Entwurf der Arbeitsebene, der nicht die Billigung des Ministers gefunden hat“, teilte seine Sprecherin über einen Gesetzentwurf mit, der schon auf der Internetseite des Ministeriums veröffentlicht und den Lobbyverbänden zur Kenntnis gegeben worden war. Übersetzt: Der Peter ist nicht schuld, sein Name ist Hase. Der Entwurf verschwand sang- und klanglos von der Webseite des Ministeriums.

Wer geglaubt hat, dass eine Regierung absurde Politik nur bis zu einer gewissen Grenze betreiben kann, der sieht sich getäuscht. Dümmer geht immer. Vor 11 Jahren gab es die Abwrackprämie. Da sollten die Bürger mit Steuer-Milliarden zum Kauf von Neuwagen gepuscht werden – bevorzugt Diesel, wegen der Umwelt. Seit zwei Jahren dürfen die Leichtgläubigen, die damals der Politik glaubten, mit ihren unverkäuflichen Diesel nicht mehr in viele Städte einfahren.

Derzeit fördert der Staat mit Fantastilliarden den Kauf von Elektrofahrzeugen, pro Wagen bis zu 11.000 Euro – wegen der Umwelt. Das staatliche Ziel waren eine Million Elektroautos bis zum Jahr 2020, es wurde leise weinend beerdigt. So dumm sind die Bürger nun doch nicht. 

Lockdown der Physik

Auch die Umrüstung von Heizungen auf Wärmepumpen wird mit viel Steuergeld massiv gefördert, mit bis zu 45 Prozent der immensen Kosten, natürlich für die Umwelt. 

Gleichzeitig legt dieselbe Regierung zwangsweise alle Kernkraftwerke bis zum Jahr 2022 still und beschließt, auch alle Kohlekraftwerke stillzulegen. Auch dazu werden weitere Fantastilliarden Steuergeld bereitgestellt. Hochmoderne funkelnagelneue Kraftwerke werden reihenweise verschrottet. 

Wer vor einem Erzeugungsengpass gewarnt hat, war Klimaleugner oder Atomfuzzi – ein neurechter Nazi eben. Schließlich ist das alles hoheitlich ausgerechnet, der Flatter-Strom kann im Netz gespeichert werden – nach einem Lockdown der Physik.

An Tagen wie diesen, wo es grau ist, da haben wir natürlich viel weniger erneuerbare Energien. Deswegen haben wir Speicher. Deswegen fungiert das Netz als Speicher. Und das ist alles ausgerechnet. Ich habe irgendwie keine wirkliche Lust, mir gerade mit den politischen Akteuren, die das besser wissen, zu sagen, das kann nicht funktionieren.“

Das sagt eine Frau, die sich allen Ernstes und mit einer gewissen Berechtigung Chancen ausrechnet, einmal Bundeskanzlerin zu werden. Ich will hier aus Höflichkeit lieber nicht den Satz des berühmten Philosophen Dieter Bohlen einfügen.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier bringt die Energiewende voran und erklärt das auch den unkundigen Bürgern auf seine angemessene Weise: „Wir haben mit der Energiewende gute Erfahrungen gemacht…“ Stimmt, hat er. Fließt doch die gute Hälfte des exorbitanten Strompreises in seine Staatskasse.

Beamte, die noch Grundrechenarten beherrschen

Offenbar sitzen aber im Wirtschaftsministerium immer noch ein paar Beamte, die wenigstens die Grundrechenarten und das Lesen von Texten in einfacher Sprache beherrschen. Es müssen welche von denen die launigen Blackout-Kochanleitungen ihrer Kollegen vom Bundesamt für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz gelesen und sogar verstanden haben. Die Ministeriumskantine ohne Strom? Das geht gar nicht. Da muss sofort gehandelt werden. 

Kannibalisiert die Energiewende die Verkehrswende? Irgendwer in der Regierung hat erkannt, dass es bei den Stromleitungen genauso ist wie bei den Wasserleitungen: hinten kann nicht mehr rauskommen, als vorne reingepumpt wird. Mich beeindruckt diese Erkenntnistiefe. Da will das Wirtschaftsministerium also jetzt ausgerechnet den Unbedarften den Stromhahn zudrehen, die den Ankündigungen der Politik Glauben geschenkt haben und sich einen Elektroauto oder eine Wärmepumpe als Beitrag zur Rettung der Welt gekauft haben.

Das kommt davon, wenn die Politik vom Ende her, aber nicht zu Ende denkt. Deutschland steht vor einem energiepolitischen Scherbenhaufen. Jeder Fünftklässler, der freitags noch in die Schule geht, hätte sich das ausrechnen können. Wer jetzt aber meint, dass es das war mit den energiepolitischen Pleiten, Pech und Pannen, der irrt. Der Energie- und Verkehrswende-Unfug geht munter weiter. Elektromobilität und Wärmepumpen werden staatlich weiter massiv gefördert, es sind sogar Verbote von Verbrennern und anderen Heizungen im Gespräch. Liebe Politik-Genies, wie wollt ihr die Millionen neuen Verbraucher powern, wenn es nicht mal für die schon Existierenden reicht, weil ihr die Kraftwerke verschrottet?

Wer den Medien oder der Politik abnimmt, dass die geplante Zwangsabschaltung von Auto-Ladestationen und Wärmepumpen eine nur in Extremfällen vorkommende Notmaßnahme wäre, der weiß nichts davon, dass schon heute industrielle Großverbraucher wie Aluhütten und Walzwerke ziemlich regelmäßig bei Flaute und Dunkelheit abgeschaltet werden müssen – natürlich vergütet mit Steuermitteln. 

Es wird nicht bei Ladesäulen und Wärmepumpen bleiben 

Außerdem wird es beim großen Abschalten nicht bei Ladesäulen und Wärmepumpen bleiben. Liebe Bürger, nur die Masse macht’s. Wenn der Damm erst mal gebrochen ist, dann kommt die Zwangsabschaltung der Waschmaschinen, Elektroherde, Wasserboiler, Geschirrspüler und Internet so sicher wie das Amen in der Kirche. Schließlich hat das große Abschalten der Kohlekraftwerke ja noch gar nicht richtig begonnen, und es laufen noch ein paar Kernkraftwerke. Das soll alles weg.

Vor dem Gesetz und bei der Stromsperre sind alle gleich? Na ja, eher nicht. Allerdings müssen die Ministerien nur noch die Prioritätenlisten für die Durchführungsbestimmungen des neuen Spitzenglättungsgesetzes erstellen. Dort muss festgelegt werden, wessen Stromverbraucher „systemrelevant“ sind, damit nicht etwa versehentlich den Verursachern der Misere der Saft abgedreht wird. 

Was wird, wenn nach Corona der Verbrauch wieder ansteigt? Die Spitzenglättung muss im Gesetz bleiben, weil es ohne sie irgendwann Blackouts gäbe. Es werden jetzt also andere Verbraucher sein müssen, die bei Flaute und Dunkelheit abgeschaltet werden. Die Auswahl ist gering, man darf gespannt sein. Mein Tipp: es werden Flächen-Netze sein, die für einige Zeit abgeschaltet werden müssen. Dann sind lokal auch Wärmepumpen und Ladestationen schwarz, man muss es ja nicht gleich ins Gesetz schreiben. Die gute alte Zeit der lokalen Stromabschaltungen kommt wieder, die Pläne dazu gibt es schon länger.

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Gert Köppe / 18.01.2021

@Joerg Haerter : Ja, ich bin einer von den ehemaligen DDR-Bürgern und kenne die zu erwartende Zukunft. Ich habe den Winter, zum Jahreswechsel 1978/79 und die weitreichenden Stromausfälle miterlebt. Damals gingen die Kohlekraftwerke aus weil sie keinen Brennstoff mehr hatten. Der war in den Güterwagons festgefroren, welche dadurch nicht entladen werden konnten. Eine ganze Großstadt dunkel, ohne Strom, keine Straßenbeleuchtung, keine Straßenbahn, keine erleuchteten Fenster. Nur durch den Schnee und den Mondschein sah man noch wo man hinläuft, dazu noch -20°C und mehr. Nur Krankenhäuser, Kasernen, Polizei und Stadtverwaltung hatten noch "Saft". So, befürchte ich, wird es wieder werden. Nur die Verursacher und Verantwortlichen für das Desaster haben dann Strom. Der Rest soll das Maul halten und sehen wo er bleibt. Solche politischen Auswüchse in der Energiepolitik sind mehr als nur verantwortungslos. Die gleichen "Polit-Hanseln" machen inzwischen auf allen Gebieten kompletten Unsinn. Ein Beispiel: Meine Frau und ich, wir haben eine alleinstehende Nachbarin. Wenn sie uns zum Kaffee, in ihre Wohnung, einladen wollte ist das für sie strafbar (Corona-Logik). Wenn wir aber, umgekehrt, sie einladen, dann ist das gesetzlich erlaubt, obwohl hinterher die selben drei Personen zusammen sind. Politiker, die solche Gesetze und Verordnungen erlassen, kann man nur noch, berechtigter Weise, an ihren Verstand zweifeln. Man sollte es sogar. Gleiche Polit-Exemplare machen auch die Energiepolitik. Was soll da schon Sinnvolles herauskommen? Wer allerdings solche Politiker auch noch immer wieder wählt, dem sind wohl, ohne es zu merken, fast sämtliche Hirnzellen bereits abgestorben. Die Deutschen werden ja bereits für Luft besteuert (CO2-Steuer). Sie werden auch die Einzigen sein, die für die höchsten Preise der Welt den wenigsten Strom haben, also KEINEN! Damit hat DE wieder einmal die angestrebte Führungsrolle in der Welt. Ziel erreicht! Hurra Deutschland!!!

Reinhold R. Schmidt / 18.01.2021

Spitzenglättung! Wieder so eine neumodische Wortschöpfung um banale Tatsachen zu kaschieren. Tatsache ist, es handelt sich dabei um eine schlichte Mangelbewirtschaftung, wobei dieser Mangel auch noch bewusst und absichtlich durch unsere Regierungen herbeigeführt wurde. Man übertrage den Begriff Spitzenglättung einfach mal auf andere Bereiche, um die Absurdität zu verdeutlichen. Z. B. auf den ÖPNV. Wir wissen doch alle, dass die Bewältigung des morgendlichen und abendlichen Berufsverkehrs riesige Kapazitäten erfordert, die dann im Laufe des Tages und in der Nacht völlig brachliegen ((z.B. leere Busse und Züge, die dennoch Linie fahren). Hier wäre doch eine Spitzenglättung dringend angebracht, um unnötigen Verbrauch von Ressourcen und Steuergeldern zu vermeiden. Die erforderlichen Maßnahmen sind doch ganz einfach. In den Spitzenzeiten wird nur eine an der Gesamtauslastung orientierte Kapazität angeboten, wer nicht zum Zuge kommt, bekommt Alternativen am späten Vormittag (siehe Rentnertarif) oder in der Nacht angeboten, um von Wohnung zur Arbeitsstelle und zurück zu gelangen. Damit wären die Busse und Bahnen immer nach der verfügbaren Kapazität optimal ausgelastet und es könnten immense Kostenreduzierungen realisiert werden. Was soll das auch, Produkte nach dem Bedürfnis einzelner Menschen bereit zu stellen, wenn eine machtgeile Clique doch viel besser weis, was die wahren Bedürfnisse des einzelnen Menschen sind.

Klaus Keller / 18.01.2021

In meiner neuen Wohnung, das war vor 5 Jahren(das Haus wurde in den 1920ern gebaut), wunderte ich mich über einen uralten Gasherd. Die Gasflamme wird mit einem Streichholz entzündet. Bei der modernen Gasetagenheizung funktioniert das leider elektrisch. Behalten sie ihr altes Zeug, ggf benötigen sie es bald. PS Das nur noch zahlende Kunden bei der Welt kommentieren dürfen könnte meine Schuld sein.Das hatte ich mal vorgeschlagen bevor ich dort gesperrt wurde, da die Leute viel Arbeit machen aber wenig einbringen.

Milan Viethen / 18.01.2021

Hallo Fr. Grimm, mittlerweile gibt es in Frankreich ein dank Kernenergie stabiles Stromnetz, sodass bei den Durchschnittsfranzosen , die ich seit 2005 kenne, man weniger Kerzen und Petroliumfunzeln findet .Aber Geschichte wiederholt sich, wohl in Deutschland ab 2022 .Aufgepasst, Macron will die Kernernergie von 75 auf 50 % drosseln, dass koennte fuer D noch problematischer werden, verlaesst man sich doch in den zukuenfigen Dunkelflauten auf den Atomstrom aus F :-)) . Gruss aus der Naehe von Cattenom .

B. Keseler / 18.01.2021

@Kurt Müller:Wo steht denn im Artikel das Wort "Stromglättung"??Den Begriff lese ich nur in Ihrem Kommentar, und Sie haben ja selbst festgestellt, daß es technischer Unsinn wäre.Und Blindstromkompensation ist mit "Spitzenglättung" ganz offensichtlich nicht gemeint; der ferngesteuerte Abwurf großer Verbraucher würde auch in einem Gleichstromnetz funktionieren.

alberto lopez / 18.01.2021

Herr Dr Lehnhoff ,Auswandern : das ganze ist eine Frage wo sie ein Dauervisum bekommen ( ich habe eins fuer ein Land )Dauervisa zu bekommen ist fast ueberall extrem schwierig Zudem eine Frage in wie weit sie welche Sprache wirklich gut beherrschen ,fuer mich kaemen Ecuador oder Bolivien in Frage obwohl ich sowieso schon in der Ecke wohne und einen Teil vom Jahr normalerweise in D. ....allerdings ich spreche sehr gut spanisch und meine Frau ist Muttersprachlerin Costa Rica z.b ist wirklich extrem teuer ,moeglich waere vielleicht noch Panama,die Laender werden allerdings von" Auslaendern "beherrscht die uns Deutsche nun garnicht moegen ,Sie verstehen ??und zum auswandern sollte man viel Geld haben zudem sollte man den lebensstil dieser Laender kennen und ertragen koennen ,manchmal ist das wirklich nicht einfach Gruesse... aktuell haben wir 28grad

g.schilling / 18.01.2021

Dann freuen wir uns jetzt auf das "Gute-Nachhaltige-Stromgesetz", das wie in einem Drittweltland jedem eine Stunde am Tag Stromzugang gewährt bei exorbitanten Kosten. Ist ja für die Umwelt/Klima. Dumpfgretel wird jubeln.

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