Erik Lommatzsch, Gastautor / 22.11.2020 / 10:00 / 99 / Seite ausdrucken

Lobrede auf den geliebten EKD-Vorsitzenden Bedford-Strohm

Es war mehr als ein Paukenschlag, der die evangelische Christenheit in ganz Deutschland – und wohl auch weit darüber hinaus – erschütterte, als die Presse im Oktober 2020 verkünden musste, der bayerische Landesbischof Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Bedford-Strohm verzichte auf eine abermalige Kandidatur für den Ratsvorsitz der Evangelischen Kirche in Deutschland. Tränen waren zu trocknen. E-Mail-Postfächer quollen über, Wäschekörbe mit Bittbriefen oder mund- und fußgemalten, fair gehandelten Postkarten trafen in der Hannoveraner Zentrale ein. Von großer Diversität gekennzeichnet, einte sie doch alle ein Hauptanliegen: Der Herr Bischof möge seine Entscheidung überdenken und seine integrierenden Kräfte, seine über alle materiellen und geistigen Grenzen verbindende, nicht nur im eigenen Land anerkannte Autorität auch weiterhin an der exponiertesten Stelle der evangelischen Kirche in Deutschland zur Verfügung stellen.

Allein, obwohl noch gut eine halbe Dekade vom mehr als verdienten Ruhestand entfernt, die Entscheidung Bedford-Strohms, der das hohe Amt seit 2014 innehatte, erwies sich als unumstößlich. Dass er keinen Nachfolger, sondern eine Nachfolgerin haben wird, versteht sich von selbst. Einfach haben wird sie es nicht, die Maßstäbe, die er an der Spitze der EKD gesetzt hat, suchen nicht nur ihresgleichen, sie werden es auch kaum finden. 

Einst begegnete man als guter Protestant dem Katholiken, der die Frage aufwarf, mit welcher der Konfessionen der Höchste eher sympathisiere, mit dem Hinweis, Johann Sebastian Bach sei gut evangelisch gewesen. Antiquierte, bei genauem Hinsehen zumindest latent rassistische Vorväter mit verquerem Frauenbild kann man als Argument seit einiger Zeit getrost beiseite lassen. Statt dessen darf der dankbare Blick auf einem modernen, weltoffenen Kirchenführer ruhen, der die Institution geprägt, gefestigt und zukunftssicher gemacht hat: Heinrich Bedford-Strohm.

Bibelübersetzer in ungerechter Sprache

Ein – nun endlich auch auf den Prüfstand zu stellender – Bibelübersetzer in ungerechter Sprache soll einst in Worms ausgerufen haben: „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders.“ Bedford-Strohm hat, seiner leisen, sympathischen Art entsprechend, natürlich niemals so laute Töne von sich gegeben. Aber er hat die Worte durch sein Wirken mit neuem und in unserer Zeit wegweisendem Sinn erfüllt. An so manchem Abend wird er gedacht haben: „Hier stand ich, ich konnte nicht anders.“

Was wird bleiben? Myriaden von Verdiensten wären aufzuzählen. Leider muss die Beschränkung auf weniges Exemplarisches genügen. Unvergessen bleiben wird das Zeichen der Toleranz, welches er, Hand in Hand mit Reinhard Kardinal Marx setzte, dem damaligen, nunmehr ebenfalls im Ruhestand befindlichen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, was für die Katholiken unseres Landes einen fast ebenso großen Verlust darstellt, wie der Verzicht auf die erneute Kandidatur Bedford-Strohms für den EKD-Vorsitz. Beide sind im Übrigen auch Träger des Augsburger Friedenspreises des Jahres 2020.

Ihr Brustkreuz, eine völlig überbewertete Symbolik, ja eher eine Spielerei, hatten Bedford-Strohm und Marx 2016 bei einem Besuch  auf dem Jerusalemer Tempelberg abgelegt. Der Vorgang zeigt den EDK-Ratsvorsitzenden als rücksichtsvollen Vertreter seiner Kirche, erklärte er doch später, sie seien „bei beiden Religionen, die wir besucht haben, von den Betreuenden gebeten worden, das Kreuz nicht zu tragen, um nicht zu provozieren“. Zugleich zeugt es von seinem Mut, dass er die „Betreuenden“, die sich möglicherweise in der aufgeheizten Atmosphäre der Gegenwart Angriffen ausgesetzt gesehen hätten, nicht näher benannte und sich damit schützend vor sie stellte.

Der eine oder andere verlässt die Kirche

„Haltung“ zeigte Bedford-Strohm immer wieder. Der Begriff „Kirchenschiff“ hat durch ihn eine ganz neue Bedeutung erhalten. Kein Umweg war dem Bischof zu lang, um die „christliche Seefahrt“, ebenfalls ein alter Begriff, der durch ihn mit neuen Inhalten wieder belebt wurde, als zentralen Aufgabenbereich der EKD zu „verankern“ – womit wir in kürzester Zeit mit einem dritten verbalen Markstein im maritim-evangelischen Kreuzbereich aufwarten können.

Gegen Hass und Hetzte stellte sich der couragierte Bischof immer wieder. Und nicht nur allgemein, nein, mitunter muss auch ein Kirchenmann den Feind klar beim Namen nennen, so schmerzhaft es für ihn selbst, im immerwährenden Streben nach Nächstenliebe auch sein mag. Da kommt man – leider – auch an einer klaren Freund-Feind-Unterscheidung nicht vorbei. Die AfD, das diesseitige Höllenfürstentum unserer Tage, sei für die EKD „auch weiterhin kein Gesprächspartner“, so äußerte Bedford-Strohm bekräftigend im November 2020. Hellsichtig hat er erkannt, dass diese Partei, neben vielen anderen Mängeln, angesichts der „Corona-Krise“ unfähig sei „Lösungsvorschläge zu machen“. Glücklicherweise regiert die AfD nirgendwo, ganz anders als die traditionsreiche Partei, deren ruhendes Mitglied Bedford-Strohm ist. 

Der eine oder andere verlässt die Kirche, aber kommt es darauf an. Ein charismatischer, landauf, landab  in nahezu allen Gemeinden geschätzter –  vielleicht sollte man sich nicht scheuen zu sagen, geliebter – Kirchenführer wie Bedford-Strom vermag Visionen aufzuzeigen. Zudem ist man ja nicht nur für Christen da, die Welt ist bunt und vielfältig. Weniger Mitglieder? Auch dann „können wir eine große Strahlkraft entwickeln.“

Neben vielem anderen sind es einprägsame, luzide Aussagen wie diese, die aufzeigen, welch große Lücke durch den Rückzug von Heinrich Bedford-Strohm an der Spitze der Evangelischen Kirche Deutschlands entstanden ist. Er wird uns fehlen.

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B.Kröger / 22.11.2020

Immer schön auf der sicheren Seite der gerade herrschenden Meinungsmacher.

Werner Lange / 22.11.2020

Oh, wie werde ich ihn vermissen! Endlich keinen Brechreiz mehr wenn ich an die EKD denke!

Wilfried Düring / 22.11.2020

Eines der wichtigsten Glaubensdokumente von (protestantischen) deutsch-sprachigen Kirchen ist die berühmte Theologische Erklärung von Barmen (1934). ‘... Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen.’ (aus Artikel III). Artikel VI möchte ich vollständig zitieren: ‘Jesus Christus spricht: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. (Mt 28,20). Gottes Wort ist nicht gebunden. (2. Tim 2,9) Der Auftrag der Kirche, in welchem ihre Freiheit gründet, besteht darin, an Christi Statt und also im Dienst seines eigenen Wortes und Werkes durch Predigt und Sakrament die Botschaft von der freien Gnade Gottes auszurichten an alles Volk. Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne die Kirche in menschlicher Selbstherrlichkeit das Wort und Werk des Herrn in den Dienst irgendwelcher eigenmächtig gewählter Wünsche, Zwecke und Pläne stellen.’ >> Zitat Ende << . Bedford-Strohm und nicht wenige EKD-Funktionäre (denken wir nur an die ‘grüne Katrin’, die einige Jahre als Präses der EKD-Synode wirkte’), mach(t)en genau das. Sie stellen die ‘Frohe Botschaft’ in den Dienst einer ‘fremden Sache’ - immer wieder. Der politisierende Kirchenadel benutzt und verzweckt die ‘Frohe Botschaft’ für eigene (politische) Wünsche und Ziele. Die ‘Frohe Botschaft’ wird so den ‘herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen’ angedient. Das ist Mißbrauch! Übrigens: In MEINER Bibel steht, daß man seine Feinde lieben soll (Neues Testament). Vom ‘Kampf gegen Rächts’ und vom Gender-Deutsch finde ich in meiner Luther-Bibel keine Zeile. Und ‘Demokratie’ und ‘Nazi’ sind Worte, die die Bibel nicht kennt!? Da ich mich als Dunkel-Deutscher zu meiner ‘Rückständigkeit’ bekennen muß (ich muß ja lt. Frau Bischöfin Junkermann: ‘Demokratie erst lernen’) - alle Mit-Foristen werden gebeten, sich an meiner ‘Weiterbildung’ zu beteiligen.

Gert Köppe / 22.11.2020

Dann kann er seine ganze Liebe, einzig und allein sich selbst zuteil werden lassen. Ach was! Das tut er schon die ganze Zeit? Na dann, möge er zur Hölle fahren!

Hannes Krautner / 22.11.2020

Der Konzernführer des evangelischen Kirchenkonzerns Bedford-Strohm gehört zu 100 Prozent zu dem aktuellen links-grünen politischen System in Deutschland. An seinem Beispiel kann man ganz deutlich erkennen, dass Kirche und Staat in Deutschland eine Einheit sind.

M. Terrres / 22.11.2020

@Hans Buschmann: Aber erst morgen, bitte. Auch der Anti-Christ braucht seinen freien Sonntag! Und eine Schubkarre! Wie sonst soll den dicken Marx der Teufel holen??? Der ist sicher sau schwer.

Werner Arning / 22.11.2020

Ja, er wird uns fehlen, der Bedford. War immer für ein scharfes Wort gut, immer für eine Abgrenzung zu haben, um kein Vorurteil verlegen. Ein bekennender Kämpfer gegen Rechts. Bot den Vertretern des Teufels auf Erden mutig die Stirn. Kannte kein Erbarmen mit Gläubigen aus der AfD. Verweigerte gerne das Gespräch. Zeigte Haltung bis hin zum Ablegen des Kreuzes an geeigneter Stelle. Gibt es bessere Beweise für Gottesfurcht? Für die Fähigkeit in diesen Zeiten die Schäfchen führen zu können? In Liebe, im Geist der Wahrheit, des Mutes und des Anstandes? Kann denn jemand noch fürsorglicher auftreten? Noch selbstloser? Noch nachsichtiger? Noch einsichtiger ob der eigenen Sünden, der eigenen Fehlerhaftigkeit, der eigenen Schwäche? Kann man noch demütiger auftreten wie dieser Kenner dessen, was Gott für richtig hält. Jedenfalls kann dieses keine Mitgliedschaft in der AfD sein. Das steht schon einmal fest. Danke dafür, Bedford. Denn du bewahrst uns vor dem Bösen und warnst uns vor der Versuchung. So mancher Genosse könnte sonst auf dumme Gedanken kommen.

Hemut Steinig / 22.11.2020

Habe selten so einen großen Heuchler gesehen wie diese Person. Wenn nun die Schäfchen in größter Zahl diesen Laden verlassen, dann liegt das nicht zuletzt an Gestalten wie B.-S., Käsmann, (bei den Katholen Marx), denen alles zugetraut wird, nur nicht, wie sie einem den Weg ins Himmelreich weisen können. Wer diesen Figuren folgt, hat vielleicht nicht gleich die Hölle -der Allmächtige ist ja schließlich voll der Güte und Nachsicht- aber doch lange Zeit des Fegefeueraufenthalts vor sich. Gott stehe uns bei, nicht auf solche Seelenhirten reinzufallen.

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