Die irische Fluggesellschaft Ryanair befördert mehr Passagiere als die „Lufthansa Group“. Auch der Ryanair-Marktwert soll inzwischen über dem von Lufthansa liegen. Erstaunlich? Vielleicht nicht. Der irische Billigflieger hat ein klares Konzept (cheap, nothing else) und alimentiert keine Piloten und Saftschubser, die das Unternehmen ständig mit grotesken Forderungen erpressen und die Flieger am Boden halten könnten. Ryanairs Flotte ist jünger als die von Lufthansa, ihr Komfort marginal. Die Buchungswebsite steckt voller Fallen. Wer sich aber auskennt, fliegt mit dieser Airline am Ende meist erheblich günstiger als mit ihren Mitbewerbern.
(Offenlegung: Ich war niemals mit dieser Gesellschaft unterwegs. Sie ist mir, wie ihr Chef-Kasper O’Leary, herzlich unsympathisch. Müsste ich in meinem fortgeschrittenen Alter bei den Iren an Bord gehen, dann wüsste ich: Das ist jetzt, flugreisenmäßig, meine Éndstation.)
Ryanair schaltet keine großklotzige Werbung im „Stern“ oder anderen Medien, wie es Lufthansa tut. Auch darin liegt, vermute ich, ein Grund, dass Ryanair schon bei den kleinsten Verfehlungen, und seien sie nur behauptet, einen Shitstorm der Journaille auf sich zieht. Kürzlich diese Meldung, international verbreitet (hier und hier und hier). Eine Behinderte im Rollstuhl sitzt weinend am Flughafen in Dublin. Die hartherzigen Iren haben sie nicht an Bord gelassen!
„Crying my eyes out“ postete eine Miss Niamh, laut Medienberichten „Studentin am renommierten Trinity College“ von Dublin (als stünde das „renommiert“ für eine Art Vielfliegerstatus). Die angehende Modefrau wollte zur Fashion Week nach London düsen, kam jedoch nicht zur gewünschten Zeit dort an.
Was war um Himmels Willen geschehen?
Die junge Dame hatte für ihren Flug bei Ryanair einen Rollstuhlservice am Airport gebucht. Dann den Flug kurzfristig umgebucht, vor Ort aber keinen Rollstuhl mehr bekommen. Das fand sie menschen- oder wenigstens behindertenfeindlich. Denn die Airline hätte wissen müssen, dass auch für den umgebuchten Flug für sie ein Rollstuhl vonnöten gewesen wäre.
Kann, muss man aber so nicht sehen. Wer zum Schnäppchenpreis Ryanair fliegt, weiß mit etwas Grips: Service ist in diesem Laden ausgeschlossen. Er widerspräche dem spindeldürren Geschäftsmodell. Überdies muss jede Fluggesellschaft, ob nun billig oder nicht, auf vielfrequentierten Pisten zusehen, ihre Aeroplane pünktlich vom Acker zu kriegen. Ob da mal behinderte Modestudentinnen mit unklarer Rollstuhlbuchung oder gröhlende britische Sauftouristen (eine Kernklientel von Ryanair) zurückbleiben – who cares?
Zudem erschien die Passagierin, erklärte Ryanair unwidersprochen, erst eine Viertelstunde vor Abflug. Weshalb die Maschine leider ohne sie starten musste. Die Airline buchte für Little Miss Crying kostenfrei einen anderen Flug nach London, was ihr Leid aber kaum lindern konnte. Und die Gazetten keineswegs davon abhielt, längliche Tränendrüsenstorys über das Schicksal der Entrechteten zu verfassen. Eine Studentin zu spät auf der Fashion Week in London! Die schärfsten Fummel womöglich verpasst! Was sagt eigentlich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dazu?
Was mir das sagt? Vermute mal: Fake News bilden das geringste Problem in unseren Mediengeschehen. Viel öfter sind es Blöd News.