Der Beitrag Herrn Nolls trifft es komplett, nicht nur im Kern, sondern allumfassend, auch wenn manch Einer den Text als “von Oben betrachtet” sehen könnte. ... Das für mich fatale ist, dass es eine Entwicklungsstufe des Zeitgeistes ist, dessen Fortschreiten schon seit Langem zu beobachten und festzustellen ist und jetzt in diesem Buch hochgejazzt wird. ... Die Verschwendung von Papier zu manchen Veröffentlichungen von “Literatur”, falsch, Büchern bzw. eher Bedrucktem hat mittlerweile schlimme Ausmaße angenommen ... So haben immer mehr vielversprechende Buchtitel sich dann letztendlich als nicht lesbar, langweilig, üble Schreiberei mit grauenhafter Sprache herausgestellt. Schlichtweg die Berufsnennung “Schriftsteller” des Produzierenden stellt sich als Unverschämtheit und maßloser Selbstüberschätzung dar. ... Die Buchmesse ist nur noch als desolate Veranstaltung zu bezeichnen. Die Auswahl an Büchern neuerer Erscheinungen die ich kaufe oder kaufen möchte, hat sich sehr reduziert. ... Auch ist selbst die sog. Fachliteratur z.T. mit Argwohn zu betrachten (leider). Wissenschaftliche Tatsachen und neue Erkenntnisse vermischen sich oft mit Zeitgeist, Ideologien, Meinungen und verkommen zu beliebigem Geschwätz.
Ist nicht schon die Grundvorstellung eines Literatur-Nobelpreises abwegig, also jährlich jemanden als weltweit besten Schriftsteller zu küren? Konnte so ein Wettbewerbsgedanke je der realen Vielfalt von Literatur auch nur annähernd gerecht werden? Dementsprechend könnte ich spontan gar nicht sagen, ob sich unter meinen persönlichen Lieblingsautoren vielleicht auch der eine oder andere Nobelpreisträger eingeschlichen haben mag. Es ist schlicht zu unwichtig. Wichtig ist der Preis nur, um ideologische Trends zu verkünden, denn von diesen sind wir alle betroffen. Leider. - J.K. Rowling hat doch gezeigt, daß auch Lehrerinnen lebendig schreiben können und dabei keineswegs stromlinienförmig sein müssen. Vielleicht vergessen manche, angesichts des zeitweisen Hypes um Harry Potter, wie desillusioniert sie den normalen (also Muggles-)Politikbetrieb beschrieben hat. Auch sonst halte ich ihr modernes Märchen für keine schlechte Literatur, um Kinder auf die Realtät vorzubereiten, nicht unähnlich den alten Märchen. Dazu ist sie der einzige plötzlich extrem reich gewordene Mensch, der öffentlich gesagt hat, daß dies eigentlich eine total verrückte Situation ist, mit der fertigzuwerden, sie über ein Jahr gebraucht hat (ob erfolgreich, ist eine andere Frage - vielleicht schon). Auch schön zu sehen, daß sie nicht bereit ist, sich aktuellen Trends, also sozusagen Voldemorts Macht, zu unterwerfen. Und nein, für den Nobelpreis hätte ich auch sie nicht vorgeschlagen. Selbst wenn der, schwer vorstellbar, eine literarisch sinnvolle Einrichtung wäre.
Ach du meine Güte, über die seit Jahren praktizierte Art und Weise, hohe Auszeichnungen, prestige-trächtige Preise und wichtige Medaillen zu verleihen, wundere ich mich kein bißchen mehr. Man erinnere sich nur an den Friedensnobel-Preis für Obama. Es paßt zu diesen Zeiten wie die Butter zum Brot. Annie Ernaux wer? Ich kannte kein einziges Buch von ihr und hatte selbst ihren Namen noch nie gehört. Doch seltsam, bzw. interessant auch, daß Madame vom großen Suhrkamp-Verlag verlegt wurde. Seitens des Lektorats übersehene grammatikalische oder andere Fehler sind ebenfalls nichts Aufregendes mehr. Als ich mir vor zwei Jahren das sehr edel aufgemachte Buch “Komm und setz Dich, lieber Gast” - Am Tisch mit Bertolt Brecht und Helene Weigel - von der zumindest in Bayern berühmten Schriftstellerin, Dr. Martha Schad, kaufte, war ich dermaßen entsetzt über die massiven grammatikalischen wie orthographischen Fehler, daß ich diese Schriftstellerin sogar kontaktierte. Sie reagierte erstaunt, dann sehr dankbar und berichtete mir, daß das Ganze besondes peinlich sei, denn es habe gleich 5 Lektoren gegeben ... Wahrscheinlich kannte das angepaßte Leben dieser Annie Ernaux keine besonderen Höhen oder Tiefen, weshalb man halt bewundernd anerkennen wollte (oder vielleicht mußte), was Madame “schriftstellerisch” trotzdem daraus gemacht hatte. Wird denn nicht Vieles und eigentlich ganz Simples mittlerweile aufgeplustert, tansformiert und uns wichtigtuerisch gepriesen?
@Matthias Grau! >>>>>>>Warum so bescheiden! Wenn heute Minister das Thema Wirtschaft beackern und gleichzeitig Kinderbücher über den Stromausfall schreiben und sich wie Popstars in die Menge diven lassen, dann sollten Sie als Erfinder von Geschichten sich Schriftsteller nennen können. So lese ich keines Ihrer Bücher. An erster Stelle eines Schriftstellers steht der Glaube an sich selbst und die Notwendigkeit, etwas mitzuteilen. Feuerbach sagte Schriftsteller sind Gewissensbisse der Menschheit. Ob Sie es schaffen, gefrorene Herzen mit der Axt zu zertrümmern, wie Kafka es fordert, wohl eher sehr, sehr selten. Also bitte: Sie sind kein Bisschen, sondern jemand, der etwas zu sagen hat. So gut wie die woke gehypte Erneaux sind sie vermutlich allemal. Btw: toller Artikel von Herrn Noll, wie fast alles von ihm. Besonders sein Buch über die Wüste.
Der Nobelpreis ist keine Auszeichnung, die nur den Klügsten und Intelligentesten vorbehalten ist. Der Mediziner, der einst die Lobotomie erfand, bekam ihn auch. Nachdem mit dieser Operationsmethode 20 Jahre lang zehntausende psychisch kranke Menschen grausam gequält und auch getötet wurden, sahman dann ein, dass man einen falschen Weg beschritten hatte. Auch der Nobelpreis für Literatur unterliegt dem Zeitgeist und dem Wissen bzw. Unwissen, über welches man heute verfügt.
Diesen autobiographisch orientierten Schriftstellern kann ich in aller Regel nur wenig abgewinnen und zwar aus dem Grund, dass die ihre real existierenden Mitmenschen in ihren Werken verwursten. Oft genug wird der Mensch dann nur von seinen schlechtesten Seiten aus beschrieben und da wird noch einiges an Boshaftigkeiten hinzuerfunden. Der Bruder von Thomas Mann hat auf den Buddenbrooks-Roman eine damals überaus populäre Replik veröffentlicht: “Das muss schon ein ganz besonderer Vogel sein, welcher derart hemmungslos ins eigene Nest kackt!”
Wer hat nicht schon alles den Literatur-Nobelpreis bekommen… Die ganz Großen - außer vielleicht Thomas Mann, wenn man ihn dazurechnen will - jedenfalls nicht: Proust, Joyce, Kafka, Musil Irgendwo wurde die Autorin sogar mit Proust verglichen. Der ist ja nun schon 100 Jahre tot - und immer noch tausendmal lesenswerter als allles moderne Geschreibsel.
Sehr geehrter Herr Noll, völlig unabhängig vom Thema, der beste Artikel von Ihnen, den ich hier bei Achgut gelesen habe. (Ich habe sicherlich nicht alle gelesen.);Dass sich die Großkopferten gegenseitig mit Orden behängen und sich gegenseitiger Unterstützung versichern, geschenkt. Wir könnten jetzt abzählen, wer von diesen bei der nächsten gesellschaftlichen Änderung wendehalsig wird und die gelobten Bücher verbietet, verbrennt. Und weil es so ein bißchen passt: ACHTUNG Schleichwerbung! Heute 21.40 Uhr arte, Doku zu Orwell “1984” und Huxley “Schöne neue Welt”. Ich bin gespannt.
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