Peter Grimm / 27.05.2024 / 16:00 / Foto: Pixabay.de / 20 / Seite ausdrucken

Linksaußen im Club der Demokraten

Angeblich soll die Demokratie mit Hilfe von linken Demokratie-Verächtern gegen rechts verteidigt werden. Von den SED-Erben bis zur CSU sind alle älteren Parteien dabei. Kein Wunder, wenn das immer mehr Wähler als eigennütziges Parteien-Kartell wahrnehmen.

Eine Meldung wie die Folgende war kaum geeignet, sich zum großen Aufreger-Thema zu entwickeln: SPD, CDU, CSU, FDP und Die Linke haben sich auf einen Verhaltenskodex unter dem Titel „Für den Schutz unserer Demokratie und Fairness unter Demokratinnen und Demokraten“ geeinigt. Die Grünen fassen den beliebig klingenden Inhalt in einer Mitteilung so zusammen:

„Im Kodex legen wir klare Grundsätze fest, um den demokratischen Wettbewerb zu schützen. Diese Regeln sollen sicherstellen, dass Wahlkämpfe unter Demokrat*innen fair und respektvoll geführt werden. Denn: Demokratie lebt vom offenen Austausch unterschiedlicher Meinungen und dem Wettbewerb um das beste Argument. Als demokratische Parteien verstehen wir es als unsere Aufgabe, den Raum des fairen demokratischen Wettstreits zu schützen und zu pflegen – in der analogen Welt ebenso wie online.“ 

Nun ist grundsätzlich nichts dagegen zu sagen, wenn sich Parteien auf einen fairen und respektvollen Wahlkampf verständigen. Das gab es schon häufiger. Es ist aber interessant, wer in diesen Verhaltenskodex-Klub eingeladen wurde und wer nicht. Die unterzeichnenden Parteien sehen sich selbst und akzeptieren die Mitunterzeichner „als demokratische Parteien“. Wenn man das ernst nimmt, heißt das doch: Für CSU und CDU sind die SED-Erben von der Linken jetzt ebenso lupenreine Demokraten wie sie selbst. Denkt man das weiter, dann passt das zu den vor einigen Monaten vorgebrachten Forderungen mancher CDU-Politiker an ihre Partei, Koalitionen mit der Linken nicht mehr auszuschließen.

Jahrzehntelang galt für die Christdemokraten, dass es – um im heutigen Abgrenzungs-Deutsch zu sprechen – nach rechts und links eine Brandmauer zu Radikalen und Extremisten geben müsse. So waren bislang nach Beschlusslage für die CDU nicht nur Koalitionen mit der AfD, sondern auch mit der Linken ausgeschlossen. Dass man sich daran nur noch eingeschränkt hielt, war in Thüringen jetzt jahrelang zu beobachten. Die CDU stützte brav die rot-rot-grüne Minderheitsregierung, und beide Seiten verhinderten die 2020 eigentlich versprochenen Neuwahlen des Landtags.

Wer zertifiziert Demokraten?

Wenn man Linksaußen in den Club der anerkannt demokratischen Parteien aufnimmt, dann kann man auch miteinander regieren, denn in der Zeit der alten Bonner Republik gab es den Spruch, wonach alle demokratische Parteien im Ernstfall zu Koalitionen untereinander bereit sein müssen. 

Heutzutage dient die Unterscheidung zwischen demokratischen und anderen Parteien bekanntlich dazu, bestimmte Parteien von einer Regierungsbeteiligung fernzuhalten. Vor allem eine Partei ist hinter die Brandmauer verbannt: „Mit der AfD und mit Parteien, die nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen, wird es keinerlei Zusammenarbeit geben.“

Wer legt denn fest, welche Parteien „auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen“ und welche nicht? Die Kodex-Unterzeichner im Club der Demokraten? Immerhin ist die Parteienlandschaft außerhalb der Unterzeichner inzwischen doch etwas vielfältiger geworden. Da geht es nicht mehr nur um die AfD. Warum stehen denn beispielsweise die Freien Wähler nicht auf der Kodex-Liste? Wollten sie nicht unterschreiben oder wollten CDUCSUFDPSPDLinke sie nicht dabei haben? Bei denen kann es wohl kaum an Zweifeln an ihrer Demokratietauglichkeit liegen.  

Dass das Bündnis Sahra Wagenknecht und die WerteUnion fehlen, ist hingegen allein schon deshalb nachvollziehbar, weil CDU und Linke die von ihren jeweiligen Parteien Abgefallenen nicht schon jetzt als gleichwertige Mitbewerber anerkennen wollen. Und die AfD ist ohnehin von allen hinter die Brandmauer verbannt worden.

Kaum hilfreiche Unwucht

In dieser Gemengelage wirkt das Verhaltenskodex-Papier aber eben nicht nur wie eine überparteiliche Vereinbarung über einen friedlichen und zivilisierten Wahlkampf, sondern auch wie eine Kartellverabredung, dass man die Machtverteilung nach den Wahlen ausschließlich innerhalb dieser Parteien aushandeln möchte, die sich gegenseitig für demokratisch erklären.

Eigentlich ist das nicht überraschend, außer im Falle von CDU und CSU. Gerade bei ihnen soll es doch auch die Überlegung geben, dass man zur Mehrheitsbeschaffung ohne AfD und Linke doch mit der Wagenknecht-Partei kooperieren könnte. Deren ideologische Leitlinien liegen den Christdemokraten zwar ebenso fern wie die der Linken, aber um mit diesen Genossen zusammenzuarbeiten, muss kein Parteibeschluss geändert werden.

Der gemeinsame Kodex von CDU und Linken wirkt aber wie ein gegenteiliges Bekenntnis. Gibt es vielleicht auch innerhalb der CDU/CSU irgendwann einen Richtungsstreit zwischen Wagenknecht-Anhängern und Linken-Freunden? 

Wahrscheinlich wird an dieser Stelle am Ende das Wahlergebnis entscheiden, ob überhaupt für beide Parteien des linken Randes Platz in deutschen Parlamenten ist oder ob eine die andere verdrängen kann.

Was bleibt, ist eine Unwucht: Nach rechts gibt es eine Brandmauer und Linksaußen gehört zum Club der Demokraten. Und eine solche Unwucht dürfte sich am Ende für Demokraten kaum als hilfreich erweisen.

Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.

Foto: Pixabay.de

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Leserpost

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Alex Kaufmann / 27.05.2024

@Rolf Mainz. DED, “Demokratische Einheitspartei Deutschlands”. Genial! Bloß darf das letzte D nicht für Deutschland stehen, Klima bewahre! Sondern für “Der hier lebenden”.

Wilfried Düring / 27.05.2024

‘mit Parteien, die nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen, wird es keinerlei Zusammenarbeit geben.’ Das hört doch nicht schlecht an. Für mich heißt das, keinerlei Zusammenarbeit mit ‘Partnern’ von Terror-Palis (Jusos) und einem gewalttätigen Wahn verfallenen Anbetern des Klima-Baals. in meinem Bundesland (MVP) wurde vor Monate eine junge Frau verurteilt. Sie war kriminell geworden, indem sie Wahlkampfplakate der sogenannten ‘demokratischen Konkurrenz’ (nicht Linke, nicht AfD) verunstaltete, beschmierte und zerstörte. Heute ist die rechtskräftig verurteilte Vorbestrafte Landesvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen Mecklenburg-Vorpommern. So sehen ‘Anstand’ und ‘Fairness’ der Grünen aus! Und die Dame scheint ja nicht Einzelfall zu sein - sondern Regel. Die schon sprichwortlich charakterliche Verkommenheit der österreichischen Spitzenkandidatin Schilling brauche ich hier nicht mehr auszuführen. Die Partei von Adenauer und Kohl, Biedenkopf und Schönbohm sollte jedes Übereinkommen mit SPD und Grünen für die nächsten 20 Jahre ablehnen und endlich lernen diese Parteien und ihren personellen Auswurf zu bekämpfen!

Sam Lowry / 27.05.2024

Mal 2 blöde Fragen an die “Omas gegen rechts”: Wie sehr sind die Nebenkosten eigentlich gestiegen? Traut ihr euch nachts noch raus? hahaha

Sam Lowry / 27.05.2024

Bald leben die Doitschen in beheizten Zelten im Garten, im Haus wohnen die Barbaren. Wie gewählt, so geliefert… echt kein Mitleid mehr mit diesem Volk…

Lao Wei / 27.05.2024

Die Saat geht auf, wie Margot Honecker prophezeite, und Bärbel Bohley befürchtete auf dem Weg in eine DDR 2.0 einschl. „Blockparteien“. Alles, was unser Grundgesetz zu verhindern versuchte, wird schamlos und ideologisch pervertiert! Mariana Mazzucato - als Mao-Verschränkung - darf in diesem „Konglomerat“ nicht unerwähnt bleiben. Auch das noch: „es wächst zusammen was zusammen gehört“ bekommt eine völlig neue Bedeutung!

W. Renner / 27.05.2024

Ave Obstructionum Partium, morituri te salutant.

Karsten Dörre / 27.05.2024

@T.Gilde, Als Newsletter-Abonnent bei BSW konnte man Großplakatwerbung auswählen und finanzieren. Um die 160 Euro pro Großplakat und Standort für ca. eine Woche. Die BSW-ler sind nicht auf den Kopf gefallen. Ich bewundere deren Organisation und Management. Die haben den Willen und wissen, was sie wollen. Das sind keine Amateure, wie z.B. die AfD, die Öffentlichkeitsarbeit in Form von Höcke, Krah und Bystron betreiben.

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