Vera Lengsfeld / 03.11.2016 / 11:11 / 6 / Seite ausdrucken

Da schau her: Linke für Trump

Was verbindet Jakob Augstein, Susan Sarandon, Oliver Stone, Matt Damon und die Native American Coalition? Sie unterstützen Donald Trump als das kleinere Übel, wenngleich mit Bauchschmerzen. Auch viele Anhänger von Bernie Sanders sind sich nach der Aufdeckung von massiven Wahlfälschungen durch den Clinton-Clan während der Primaries nicht mehr sicher, ob sie der Aufforderung ihres Kandidaten, nach seiner Niederlage Hillary zu unterstützen, nachkommen werden.

Susan Sarandon gab diesen Zweiflern in einem Fernsehnterview eine Stimme. Der Sender hatte das Gespräch anfangs ins Netz gestellt mit der Überschrift, dass Sarandon Trump statt Clinton wählen würde. Nach massiven Protesten aus dem Clinton-Lager aber dahingehend geändert, Sarandon wisse nicht, ob sie Clinton wählen werde. Außerdem wurden kritische Statements zu den „seltsamen“ Bemerkungen Sarandons ergänzt.

Im Interview macht Sarandon klar, dass es kaum etwas gibt, was Sanders und Clinton verbindet. „Sie glaubt nicht an das, was Bernie glaubt.“ Clinton stehe für fast alles, was Sanders-Unterstützer ablehnten. Sie nehme Geld von den Multis, sie unterstütze militärisches Eingreifen, sie sei für Fracking. Sarandon scheut sich nicht einmal, darauf hinzuweisen, dass viele Menschen, mit denen sie gesprochen habe, Hillary für eine Lügnerin hielten. Trump sei für viele Menschen die Revolution, die sie sich erhofften. Er würde die Dinge zum „explodieren“ bringen. Sarandon setzt hinzu: „Wer denkt, dass es pragmatisch wäre, den Status quo zu stützen, der hat keine Ahnung vom Zustand des Status quo.“

Noch deutlicher wurde Michael Moore in seinem Film „Trumpland“, den er Mitte Oktober überraschend präsentierte. Am Ende des Films heißt es:

"He's saying the things to people who are hurting, and that's why every beaten-down, nameless, forgotten working stiff who used to be part of what was called the middle class loves Trump. He is the human Molotov Cocktail that they've been waiting for; the human hand grenade that they can legally throw into the system that stole their lives from them. ... The dispossessed will walk into the voting booth, be handed a ballot, close the curtain, and take that lever or felt pen or touchscreen and put a big f—ing X in the box by the name of the man who has threatened to upend and overturn the very system that has ruined their lives: Donald J Trump. ... Trump's election is going to be the biggest f–you ever recorded in human history and it will feel good."

Der größte Stinkefinger der Geschichte

Frei übersetzt: Trump ist der menschliche Molotow-Cocktail, auf den die Mittelschicht gewartet hat, eine Granate, die sie in das System werfen kann. Trumps Wahl wird der größte Stinkefinger, den es in der Geschichte gab, und es wird sich gut anfühlen. Als Donald Trump diesen Teil des Films in seine Kampagne einbaute, fühlte Moore, über den prompt ein gewaltiger Shitstorm hinwegfegte, sich missverstanden. Schließlich hatte er am Schluss darauf hingewiesen, dass dem Glücksgefühl der Kater folgen werde. Seine  Zustandsbeschreibung hat er nicht rückgängig gemacht.

Matt Damon, der ein aktiver Unterstützer der Obama-Kampagne war, ist vom Noch-Präsidenten der USA desillusioniert. Er hält Obama für komplett von der Wall-Street gekauft. Trump sie ein Geschäftsmann. Was Amerika brauche, seien Jobs. Auch kann Damon nichts dabei finden, dass Trump die Sozialleistungen kritisiert, die Einwanderer erhalten, Veteranen dagegen nicht.

Die Native Americans Coalition ist unzufrieden, weil die Bundesgesetze in Amerika verhindern, dass die Reservate wirtschaftlich selbständig werden und ihre eigenen Ressourcen nutzen können. Sie wollen lokal entscheiden können und nicht von einer Bundesbürokratie gegängelt werden. Von Trump erhoffen sich die Native Americans die Freiheit, ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen zu können, die sie bislang vermissen.

Jakob Augstein hat sich zu der Einsicht durchgerungen, Donald Trump sei ein Garant gegen weitere Militäreinsätze der USA. Schließlich gehörte der republikanische Kandidat von Anfang an zu den Gegnern des Irak-Kriegs und spricht sich deutlich gegen Militärinterventionen aus. Ganz anders Hillary Clinton, die als Gesellschaftsklempnerin fest an therapeutische Maßnahmen und die Pflicht des Staates glaubt, solche durchzusetzen. Im Sommer 1999 drängte sie ihren zögernden Präsidentengatten dazu, Clusterbomben auf Serbien zu werfen. Sie selbst sagte im letzten Sommer in einem Interview: „Ich drängte ihn dazu, zu bombardieren. Man kann das einfach nicht geschehen lassen, am Ende eines Jahrhunderts, das den großen Holocaust unserer Tage erlebt hat. Wozu haben wir denn die NATO, wenn nicht, um unseren way of life zu verteidigen?“.

Noch nie war eine US-Wahl so spannend, seit dem Duell Jimmy Carter gegen Ronald Reagan. Damals lag Carter in den Umfragen permanent mit großem Abstand vorn. Nach der Wahl war aber nicht er, sondern Reagan der neue Präsident.

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Leserpost

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Thorsten Schmidt / 04.11.2016

@Judith Hirsch “Ich bin 45 Jahre alt und kann mich noch an den Sommer 1983 erinnern, als der kalte Krieg fast eskalierte und die Welt nur knapp einem Atomkrieg entging.” Ich lege noch 5 Jahre drauf und würde gerne wissen, was Sie als damals 12-jährige von der großen weiten Welt der Erwachsenen mitbekommen haben wollen, was mir als 17-jährigen Fast-Erwachsenen vollkommen entgangen ist!?

Helmut Driesel / 03.11.2016

Die Effekte, die so ein Rüpel- und Machopräsident auf die USA und ihre Nachbarländer haben könnten, sind völlig unvorhersehbar. Aber zu besseren Einsichten werden seine Aktivtäten in jedem Falle führen, selbst dann, wenn er größeren Schaden anrichtet. Im extremen Falle könnte sich die Union sogar in zwei oder drei Blöcke aufspalten. Die Waffenfreiheit und die Gesundheit-für-alle-Kampanie Obamas haben gezeigt, wie tief die Gräben zwischen verschiedenen Interessen sind. Und wahrscheinlich bräuchte man den aufschlussreichen Artikel oben von Herrn Seitz auch gar nicht grob zu verändern, sollte er sich auf die USA beziehen.

Wolfgang Richter / 03.11.2016

Und auf Obama soll sie eingewirkt haben, seinerzeit Libyen zu bombardieren, ohne auch nur annähernd einen Plan für die Zeit danach zu haben. Das Ergebnis können wir heute betrachten, ein Gebiet, in dem Dutzende von marodierenden Gruppen die Bevölkerung terrorisieren. Ich hoffe darauf, daß die Amerikaner den Mut haben, etwas Neues auf den Weg zu bringen. auch um den EU-Granden die Grenzen ihrer geglaubten Alternativlosigkeit aufzuzeigen.

Thomas Bonin / 03.11.2016

Lesenswert, wie so vieles aus Ihrer Feder, vielen Dank. Interessant auch, dass sich mittlerweile ausgemachte “Paradiesvögel” nicht scheuen, in ungenierter Offenheit gegen Clinton resp. für Trump Stimmung (mit Schmackes) zu machen. Auffälligstes Beispiel: Milo Yiannopoulos, bekennend-selbstverliebter Schwuler, der den Demokraten (ausgelöst durch das terroristisch motivierte Massen-Massaker in Orlando) dermaßen einheizt, dass einem die Spucke wegbleibt. Hinter seinen Mätzchen, Slapsticks und Clownerien (ein bisschen wie wir es von seinem Landsmann Sacha Baron Cohen kennen) offenbart sich allerdings die knallhart-faktenbasierte Angst vor der tödlichen Intoleranz des Islamismus - in Umkehrung zu Verharmlosungen/Nivellierungen aus dem demokratisch-affinen Lager. Welcher Bühnen und Kanäle sich dabei Yiannopoulos bedient, zeigt, dass der Junge kein “kleiner Dummer” ist. Sogar “Zeit Online” - und das lässt aufhorchen - widmet seinem Phänomen - einen 3-seitigen Artikel (Suchleiste: “Yiannopoulos”).

Judith Hirsch / 03.11.2016

Ich bin 45 Jahre alt und kann mich noch an den Sommer 1983 erinnern, als der kalte Krieg fast eskalierte und die Welt nur knapp einem Atomkrieg entging. Heute empfinde ich wieder Angst vor einem vernichtenden Krieg. Egon Bahr sagte kurz vor seinem Tod, dass wir in einer Vorkriegszeit leben. Ich befürchte, dass Clinton im Falle eines Wahlsieges sehr schnell Russland attackieren würde. Ob nun in Syrien oder in der Ost-Ukraine, die Folgen wären verheerend für uns Europäer. Das ist der entscheidende Punkt warum ich mir Trump als Präsidenten wünsche. Ich lasse mir lieber sexistische Sprüche um die Ohren hauen als Raketen!

Lutz Muelbredt / 03.11.2016

In Amerika ist das Wort Solidarität gleichbedeutend mit Sozialismus. Also vermintes Gebiet. Trump weckt jedoch genau diese Instinkte und holt sich mehr Stimmen, als sein Lager zu “Friedenszeiten” hergeben würde.

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