Elisa David, Gastautorin / 22.10.2019 / 06:15 / Foto: Endan / 60 / Seite ausdrucken

Linke Werbe-Veranstaltung mit angeschlossenem Studium

Meine ersten Vorlesungen fangen erst nächste Woche an, und doch hat das Unitreiben es mit nur einer Info-Veranstaltung bereits geschafft, mich daran zu erinnern, wo ich hier gelandet bin. Denn dies ist seit langem kein Ort der Bildung, der Forschung und der Fakten mehr. Vielmehr bieten die Universitäten heute einen Unterschlupf für diejenigen, die zu empfindlich und weltfremd für das echte Leben sind. Vor allem wird Toleranz hier im alltäglichen Leben nicht so groß wie auf den Fahnen geschrieben. Die Info-Veranstaltung war als Campus-Tag ausgelegt, das bedeutet, dass unterschiedliche universitätsangebundene Einheiten, wie die Bibliothek, das Sprachenzentrum und die Fachschaften, aber auch Firmen und sogar Parteien sich über den Campus verteilen und Stände aufgebaut haben. Dort verteilten sie Flyer und – am allerwichtigsten – Werbegeschenke, auf die sich die Studenten stürzten wie hungrige Hyänen auf ihre Beute.

In diesem Getümmel bekam ich gar nicht mehr mit, was man mir da alles in die Hand drückte. Erst zu Hause bemerkte ich, dass ich neben den tausenden Flyern, -zig Kugelschreibern, Jutebeuteln, Süßigkeiten und sogar einer Packung „Bio-Basilikumsamen zum Selberzüchten“ irgendwie ganz nebenbei die stolze Eigentümerin einer Ausgabe der Zeitung „Straßen aus Zucker“ geworden bin. 

Aus dem Namen konnte ich mir zuerst nichts vorstellen. Ich fand heraus, dass es sich bei dieser Zeitung um eine kostenlose antinationale Jugendzeitung handelt, die sich als linksradikal versteht und seit 2009 halbjährlich in einer Auflage von bis zu 180.000 Stück erscheint. Eine größere Verbreitung erzielt dieses Meisterwerk des Journalismus dadurch, dass es auch als Beilage von Medien wie der taz regelmäßig zu bewundern ist. Und nun beehrt es auch meine Wenigkeit – wie könnte ich so eine wunderbare Fügung des Schicksals da bloß zur Seite legen? 

Die ganze „Gesamtscheiße“ bekämpfen

Ich machte mich also daran, das Glanzstück aufzuschlagen. Ich las brav das Vorwort, aber da gab es nichts weiter zu sehen – nur die Aufforderung, sich zusammenzufinden, ein „Konzept von Gegenmacht“ zu entwickeln, um „gemeinsam gefährlich sein können“ und die ganze „Gesamtscheiße“ zu bekämpfen. Diese literarisch geniale Bezeichnung scheint ein äußerst dehnbarer Begriff zu sein, der alles zusammenfasst, was nicht bei drei auf dem politisch korrekten Baum ist. 

Um das herauszufinden, kämpfte ich mich durch geniale Überschriften wie „Wo bleibt die RAF, wenn man sie braucht?“, „Faschismus war als Kind schon scheiße“, „Arschlöchern Einheit gebieten“, „MiMiMiMiMi: Rechtes Rumopfern“ und „Antifa heißt Aufklärung“ – mal schauen, vielleicht klau ich mir welche davon, für meine nächste Hausarbeit. Außer der Erkenntnis, dass mein Schreibstil nicht mit dieser Menge an Intellekt mithalten kann, habe ich in den Artikeln auch gelernt, wie man eine Antifa-Gruppe gründen kann, und dass es sich im Kampf gegen Rechts lohnt, zu lernen, wie man „Geschlossene Organisationsplattform von Faschist*innen“ infiltriert und private E-Mails klaut, um sie zu veröffentlichen. Eigentlich kann man da nichts mehr zu sagen, das spricht für sich selbst. Nur eins noch: Wer interessiert ist – die Redaktion sucht händeringend nach türkischen, russischen und französischen Muttersprachler*innen, die dabei helfen, die Ökopapier-Botschaft auf der Welt zu verbreiten. Ich würd’s ja sonst machen, aber ich bin „sooo deutsch“ wie ne frisch geschnittene Hecke, um mal auf die neue Plakataktion unserer Bundesregierung Bezug zu nehmen.  

So viel zu den neuen literarischen Eindrücken, die ich als Student bisher gesammelt habe. Eigentlich war das mehr Kontakt zur Antifa, als ich geplant hatte, vor allem, wo ich auf dem Campus-Tag noch extra einen Bogen um den Stand mit den Antifa-Plakaten gemacht habe, der da scheinbar frei und unhinterfragt stehen durfte. Genauso wie ich von dem Stand der AOK Abstand hielt wie Vampire vom Licht, denn die meinte im Kampf gegen Zucker Äpfel verteilen zu müssen. Ebenso bekam auch der Stand der Linksjugend und der Jusos – beide als Hochschulgruppe in meine Uni integriert, nichts von mir zu sehen. Und das, obwohl die Linken eifrig mit ihrer Karl-Marx-Spardose nach Spenden bettelten und die Nachwuchsgenossen mit Forderungen nach mehr Frauen in den Gremien, einem elternunabhängigen BAföG als Vollzuschuss und der Abschaffung der Anwesenheitspflicht lockten. 

Nur um einen Stand bin ich nicht rum gekommen – dem vom Deutschen Roten Kreuz. Die hatten sich an dem Tag ganz der Registrierung von Stammzellenspendern gewidmet und konnten sich über mehr Zulauf freuen, als sie abfangen konnten. Eine gute Sache zweifelsohne. Aber wenn es dann tatsächlich so kommt, dass die Stammzellen gebraucht werden, und es dann tatsächlich zur Spende kommen soll, erfolgt ein relativ aufwendiger medizinischer Eingriff. Inklusive Vollnarkose, bei der einem 1 Liter Knochenmark-Blut-Gemisch entnommen wird. Alternativ bekommt man etwa eine Woche lang Hormone gespritzt, welche Grippe-ähnliche Symptome auslösen, dann wird einem über mehrere Stunden Blut entnommen und wieder zugeführt, so dass das gesamte Körperblut etwa viermal durch eine Apheresemaschine läuft. Ob ich dazu am Ende tatsächlich bereit bin, wollte ich mir gut überlegen und mich nicht zwischen Tür und Angel unter Gratislorbeeren registrieren lassen, nur um am Ende dann doch nicht zu spenden.

Zum Seminar für „Respektvolles Flirten"

Meine Kommilitoninnen aber waren direkt Feuer und Flamme. Kurzerhand wollten sie sich als Spender registrieren lassen. Dann verkündeten sie lauthals, dass sie am Wochenende ganz spontan Blut gespendet hatten und präsentierten stolz die blauen Flecken, die an ihre Heldentaten erinnerten. Sie schienen sich mit aufopfernden Gutmenschengeschichten förmlich übertrumpfen zu wollen – und dann fiel der Blick auf mich. Ich habe nämlich keine große Retterquote vorzuweisen und so auch nichts, womit ich mich brüsten konnte. Also wurden mir Fragen gestellt und Vorwürfe gemacht, ich wurde aufgefordert, mich zu rechtfertigen. 

Ich kam aus der Nummer erst raus, als ich erklärte, dass mir die Spende schlichtweg Angst bereitet – da reagierten die Schneeflöckchen zwar perplex, aber interessiert und fast mit Mitleid. Man fragte mich zum Beispiel, ob ich denn auch Angst vor Blut hätte oder irgendwelche schlechten Erfahrungen mit Ärzten gemacht hätte, und so galt die gesamte Aufmerksamkeit der Gruppe mir, und das schienen sie auch selbst mitzubekommen. 

Es war wirklich interessant, wie viele sich plötzlich mit mir aus Angst gegen die Spende aussprachen. Obwohl sie sich vorher noch gegenseitig ein schlechtes Gewissen eingeredet hatten. Alle unterhielten sie sich über Dokumentationen, in denen solche Eingriffe schiefgelaufen sind und Krankheiten, die es ihnen plötzlich schlichtweg verboten, auch nur irgendetwas von sich zu spenden. Andere schraubten sich in Erzählungen von Ängsten bis hin zur Phobie hoch – am Ende des Ganzen meldeten sich von den ursprünglich sieben nur eine Einzige zum Spenden an. Es war nicht meine Absicht, das Rote Kreuz um seine Spenden zu bringen, ich wollte ja nur ein bisschen vernünftiges Nachdenken anregen.

Mit einer Mischung aus Sorge und Belustigung blickte ich auf den Veranstaltungsplan und dann auf die Uhr – schon 11:15 Uhr, wenn ich noch zum Seminar für „Respektvolles Flirten lernen“ wollte, müsste ich mich sputen, die Vorlesung zum „günstigen Veganer Lebensstil“ hatte ich schon verpasst. Doch mit einem Blick auf meine Truppe von Mädchen, die sich mit furchtbaren Ausführungen über ihre Traumata des Blutspendens austauschten, entschied ich, doch nicht zum Seminar zu gehen – ich hoffe, die Männerwelt wird es mir verzeihen.

 

Elisa David ist 18 Jahre alt und stammt aus Lübeck. Dieser Beitrag erscheint auch auf dem Jugend und Schülerblog Apollo-news.

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Max Flegel / 22.10.2019

Wie man private email klaut…. Ja,ich kenne ich einen KOREANER bei dem die ANTIFA gemeint hatte das er sich wie ein Nazi Sänger anhört…das reichte um in sein email Konto einzubrechen.

Manfred H. Hofmeister / 22.10.2019

Elisa, statt Luisa täte not!

Elias Truttmann / 22.10.2019

“Gesamtscheisse” gefällt mir. Notiz an mich selber: “Gesamtscheisse” zu Wortschatz hinzufügen.

Gabriele Schulze / 22.10.2019

Ich habe einen freundlichen Kontakt zu einer weiblichen Servicekraft, sehr jung, eingeschrieben für Anglistik und vollkommen frustriert ob der angebotenen Veranstaltungen. Sie ist zwar, nicht überraschend, für Fff etc. - darüber diskutiere ich auch gar nicht - berichtet aber empört über Gender-Themen im Anglistikstudium (Uni hat einen eigenen Studiengang für Gender Studies), in egal welchem Seminar geht es um “Postkolonialismus”, um pc-Formulierungen in Literatur….Die kranke Situation an US-Colleges und Unis ist hierangekommen. Was sind das für faule Säcke/Säckinnen, die diese Pläne erarbeiten? Wofür bekommen die ihr Geld? Wo soll Bildung da herkommen? Ist wohl auch gar nicht erwünscht. Interessiertem Jungvolk bleibt ja nur subversives Eigenstudium. Die Antifa-Sch….e fügt sich doch nahtlos ein! Quasi. Liebe Elisa David, bleiben Sie so hallo-wach.

Elke Schmidt / 22.10.2019

Es ist eines der Kennzeichen der Jugend „dagegen“ zu sein. Das ist wichtig und gut so, sonst haben wir einen gesellschaftlichen Stillstand. In der DDR hatten sich Jugendliche eine Zeit lang Kanülen an die Revers gesteckt, die Botschaft war: wir lassen uns den Sozialismus nicht einimpfen. Das wurde natürlich unterbunden, als die Botschaft bekannt wurde, aber gesellschaftliche Entwicklung kann nur durch den Widerspruch vorangetrieben werden. Wenn ein Pendel zu einer Seite zu weit ausschlägt, muss gegengesteuert werden. Wenn Omas, Eltern und Kinder zusammen FÜR die Politik von „Partei(en) und Staatsführung“ demonstrieren, erfolgt das zumeist durch vorherige massive Propaganda, siehe NS-Zeit, Sowjetunion, DDR, Maoismus, Nordkorea, FfF, das sollte hellhörig machen.

Sebastian Weber / 22.10.2019

bitte merken: LINKS = GUT (auch wenn z.B. bei indymedia.org zur linken Gewalt aufgerufen wird, was aber niemanden insteressiert); RECHTS = NAZI (das bashing gegen alles Rechte wird von allen gutmenschen toleriertoder sogar goutiert).

Hans-Hasso Stamer / 22.10.2019

Es ist immer befriedigend, solchen Selberdenkern quasi beim Denken zuzuhören. Konformitätsdruck erzeugt immer zwei Reaktionen: die einen hinterfragen nichts, wollen nicht auffallen, unbedingt dazugehören und passen sich an, die anderen sagen sich, nun gerade nicht, selbst denken ist ja das einzige, was mir noch bleibt. Ganz genau so habe ich das im DDR-Sozialismus erlebt. Dort waren auch nicht alle, sogar recht viele, die dieser täglichen Indoktrination (vor allem von den Medien, weniger von den Lehrern) ausgesetzt waren, später zu “aufrechten Sozialisten“ geworden. Im Zeitalter der immer weiter zunehmenden Ideologisierung und Linksverschiebung der Gesellschaft und vor allem der Medien wird Selberdenken wieder wichtiger denn je.

Stefan Weil / 22.10.2019

Ich kann Elisa David nur zustimmen. Die Einführungsveranstaltungen vor sechs Jahren an der Universität Leipzig erinnerten mich an die Choreographie kommunistischer Parteitage: Buh bei “Faschismus” und “Geschlecht”, empörtes Emotionalisieren bei “Klimaleugner” und die nette Idee, “dumme” Menschen aus Gesellschaft und Demokratie auszugrenzen - “sie haben einfach nicht den objektiven Blick, den wir - wir - als Wissenschaftler haben”. Man musste mitmachen, sonst gab’s den bösen Blick der Referenten. Tja. Da sind wir jetzt also.

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