Vera Lengsfeld / 20.11.2020 / 13:06 / 80 / Seite ausdrucken

Linke Aktivisten im Bundestag regen niemand auf

Im Jahr 2014 spielte sich Folgendes im Bundestag ab: Zwei israelhassende linke Aktivisten, die von Abgeordneten der Fraktion der Linken ins Haus geholt worden waren, jagten den Abgeordneten Gysi wegen seiner Israelfreundlichkeit regelrecht durch die Gänge. Gysi musste sich schließlich auf die Toilette flüchten.

Der Vorfall wurde halb amüsiert als „bizarre Szene“ berichtet. Die Aufregung hielt sich in engsten Grenzen. Niemand dachte darüber nach, ob nach § 106 Absatz 1 Nr. 2a und §106 Absatz 2 StG, eine Strafbarkeit nach – Versuch der Nötigung von Mitgliedern eines Verfassungsorgans – zu prüfen sei.

Im Jahr 2019 entrollten im Plenarsaal des Bundestags „Fridays for Future“-Aktivisten direkt vor Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble ein Plakat mit der Aufschrift „Eure Klimapolitik = Katastrophe“. 

Einige der etwa 25 Aktivistinnen legten sich auf den Boden und stellten sich tot. Wolfgang Schäuble musste die Glocke läuten – „öffentliche Proteste“ sind der Hausordnung zufolge im Bundestag untersagt. Während Schäuble weitersprach, blieben die Jugendlichen minutenlang am Boden liegen. Wie waren diese Jugendlichen in den Bundestag gekommen? Dem gerade stattfindenden Kongress „Jugend und Parlament“ gehörten die Störer nicht an. Abgeordnete mussten sie ins Haus geholt haben. Obwohl auch Abgeordnete im Saal waren, fühlte sich niemand bedrängt, auch nicht Parlamentspräsident Schäuble, der gelassen reagierte.

„Eine Zukunft ohne Kohlekraft“

Noch gar nicht lange her ist es, dass im Juli dieses Jahres vor der Abstimmung über das Kohleausstiegsgesetz Aktivisten von Extinction Rebellion eine Flugblattaktion im Bundestag gestartet haben. Der Gruppe gelang es, in die sonst abgeschirmte Westlobby vorzudringen. Berichtet wurde in den Medien eher wohlwollend, von Bedrängung von Abgeordneten war nicht die Rede, wieder dachte niemand über § 106 Absatz 1 Nr. 2a und § 106 Absatz 2 StG nach.

An diesem Juli-Freitag, als der schrittweise Ausstieg aus der Kohleenergie im Bundestag beschlossen wurde, sind Greenpeace-Aktivisten aus Protest gegen den ihrer Meinung nach zu langsamen Ausstieg auf das Dach des Reichstagsgebäudes geklettert. Unter dem Schriftzug „Dem deutschen Volke“ brachten sie ein großes Transparent mit der Aufschrift „Eine Zukunft ohne Kohlekraft“ an. Wieder fühlten sich die Abgeordneten weder bedrängt noch genötigt. Während der angebliche Sturm von Rechten auf die Reichstagstreppe, die von dubiosen Figuren neben der Querdenken-Demonstration im August initiiert worden war, breit in den Medien als Angriff auf die Demokratie verurteilt wurde, war es um die Greenpeace-Aktion verhältnismäßig still.

Man könnte noch weitere Beispiele von Aktionen im Bundestag finden, die von Leuten ausgeführt wurden, die von Abgeordneten eingelassen wurden. Besonders aktiv waren in dieser Beziehung die Linke und die Grünen, bevor letztere zur Regierungspartei im Wartestand mutierten.

Rudimentäres Demokratieverständnis

Deshalb ist es schon verwunderlich, wie voll gerade Linke ihren Mund jetzt nehmen. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) sagte gegenüber Medien: „Abgeordnete dürfen nicht in ihrer Entscheidung bedrängt werden.“

Und der Linken-Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte plädierte dafür, dass im Kreis der parlamentarischen Geschäftsführer der demokratischen Fraktionen über Konsequenzen für den Parlamentsbetrieb gesprochen werde. Er will offenbar viel mehr, als künftig Aktivisten aus dem Bundestag fernhalten. Es geht ihm um Abläufe wie das Besprechen der Tagesordnungen oder zur Redezeit, also offenbar eine Beschränkung der Rechte von Abgeordneten. „Nach den Vorfällen von gestern wird es so nicht weitergehen“, sagte er und forderte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) auf, gegen die AfD nun „alle Möglichkeiten zu prüfen und auszuschöpfen“.

Er sei offen für harte Auseinandersetzungen und auch provokative Aktionen, aber was am Mittwoch passiert sei, sei „eine Grenzüberschreitung“ gewesen. Dass Korte „offen für provokative Aktionen“ ist, kann man nur so verstehen, dass linke Aktivisten weiter nichts zu befürchten haben. Damit zeigt Korte, wie rudimentär sein Demokratieverständnis immer noch ist, denn im Rechtsstaat gilt gleiches Recht für alle und nicht zweierlei, eins für Linke und eins für Rechte.

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Leserpost

netiquette:

T. Weidner / 20.11.2020

“Abgeordnete dürfen in ihrer Entscheidung nicht bedrängt werden”. Was ist denn “Fraktionsdisziplin” anderes als unmittelbarer Zwang? Mit einem Bedrohungsszenario, das bis zum Ende der politischen Laufbahn des Betroffenen - ggf. sogar weiter -  geht. Also ein äußerst massives Bedrohungsszenario. Und wen interessiert das?

Martin Bingel / 20.11.2020

Die Wahlschafe sind wie der Frosch im Kochtopf - das Wasser wird heisser und heisser…..

Joerg Haerter / 20.11.2020

Manche sind eben gleicher. Vor allem die Nazis von der AfD. Doppelstandards.

Frank Mertes / 20.11.2020

Wir leben schon lange nicht mehr in einem Rechtsstaat, sondern in einem linken Gesinnungsstaat. Dieses Beispiel ist dafür ein weiterer Beleg. Aber die Leute wählen ja weiter diese Leute. Enden wird es früher oder später wie in der DDR, nur dass dann kein Westen mehr da ist, der mit harter Währung hilft. Dann kann man nur sagen, selber schuld.

Claudius Pappe / 20.11.2020

Linke habe alle Rechte ( auch wenn es Unrecht ist) Rechte haben keine Rechte, sie sind Rechtlos.

Hans-Peter Dollhopf / 20.11.2020

Das geht in letzter Zeit immer sehr schnell. Sie werden sich schon was ausdenken gegen die AfD. Wozu bezahlen wir ihnen den die Zeit zum Ausdenken?

Dirk Jungnickel / 20.11.2020

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) sagte gegenüber Medien: „Abgeordnete dürfen nicht in ihrer Entscheidung bedrängt werden.“ Wenn ich bedenke, dass diese krächzende rote Bürste im doppelten Sinn heutzutage Sitzungen eines deutschen Bundestages leiten und solide Abgeordnete rügen darf, dann muß ich wahrlich meinen Morgenkaffee um Stunden verschieben. Von Pionier - Dresseuse zur Bundestagsvizepräsidentin !!! Diejenigen Bundestagsabgeordneten, die das direkt verschuldet haben sowie alle, die sich damit abfinden , müßten lebenslang genauso in Sack und Asche gehen, wie die, die vorgestern für ihre eigne Entmachtung gestimmt haben.

Engelbert Gartner / 20.11.2020

Wer nicht links ist, ist automatisch recht. Es gibt keine Mitte mehr. Die Gesellschaft ist gespalten wie noch nie zuvor.

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