Volker Seitz / 16.07.2020 / 06:00 / Foto: Pixabay / 50 / Seite ausdrucken

Lieferkettengesetz: Ausschuss aus dem Hause Müller

Entwicklungsminister Gerd Müller und Arbeitsminister Hubertus Heil geben mal wieder vor, etwas vordergründig Gutes zu wollen. Sie erkennen aber nicht, dass sie wahrscheinlich im Ergebnis das Gegenteil erreichen werden. Die Zielsetzung des so genannten Lieferkettengesetzes „Kinderarbeit, Dumping-Löhne und unmenschliche Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern“ einzudämmen, wird sicher von den meisten Bürgern geteilt, doch der Weg ist problematisch.

Sicher können und sollen deutsche Unternehmen ihren Einfluss auf die Produktionsbedingungen in Entwicklungsländern geltend machen. Eine gesetzliche Sorgfaltspflicht dürfte viele Unternehmer aber überfordern. Es wird in der Praxis kaum gelingen nachzuweisen, unter welchen Bedingungen ein Produkt hergestellt wurde. Auf jeden Fall bedeutet der Nachweis einen enormen bürokratischen Aufwand. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer meint, der Plan sei „schlicht nicht praktikabel. … Mit so einem Gesetz für alle Unternehmen stehe ich ja schon mit beiden Beinen im Gefängnis. Dieser Unfug ist so groß, dass er so nicht kommen wird.“

Auch der Afrika-Verein kritisiert: „Unternehmen einer umfassenden Haftungspflicht auszusetzen, ohne die Menschenrechtslage vor Ort effektiv nachprüfen zu können, ist rechtlich sehr fragwürdig. Daher plädiert der Afrika-Verein für einen Mix aus staatlichen Maßnahmen – zur Befähigung lokaler Akteure und Kontrolle existierender Regelungen, auch auf UN-Ebene – und freiwilligen privatwirtschaftlichen Maßnahmen. Für den effektiven Schutz von Mensch und Umwelt, und gleichzeitig für weitere, sichere und nachhaltige Investitionen in afrikanischen Partnerländern“.

Wieder einmal hat Minister Müller eine Idee, die er politisch gut verkaufen kann, deren Umsetzung per Gesetz aber höchst problematisch und nicht praktikabel ist. Sie kann sogar dazu führen, dass deutsche Unternehmen viele Produkte nicht mehr in Entwicklungsländern einkaufen.

Kein Kaffee mehr aus Afrika?

Durch die Politik des CSU-Entwicklungsministers Gerd Müller sieht z.B. die Firma Dallmayr ihr wirtschaftliches Engagement in Äthiopien bedroht. Die Bürokratie, die mit einer Zertifizierung fair gehandelten Kaffees verbunden sei, könne nur in hoch industrialisierten Ländern wie Vietnam oder Brasilien bewältigt werden. Im rückständigen und extrem kleinteiligen Äthiopien sei das praktisch unmöglich. So gut gemeint Müllers Pläne auch seien und so sehr sie seine Absichten unterstütze – „sie wären der Tod für den afrikanischen Kaffee“, sagt die Mitinhaberin Marianne Wille.

Dallmayr importiert seit nun bald 60 Jahren den qualitativ besonders hochwertigen Hochlandkaffee aus Äthiopien – zuletzt von rund 1.600 Kleinbauern für 70 Millionen Dollar pro Jahr. Seit rund 20 Jahren engagiert sich das Familienunternehmen hier auch für soziale Projekte. Aktuell baut das Unternehmen gemeinsam mit der Stiftung „Menschen für Menschen“ und unterstützt vom Freistaat Bayern eine Schule auf. Und um den jungen Leuten, die dort ausgebildet werden, hinterher Arbeit zu geben, ist außerdem geplant, eine Kaffee-Kooperative zu gründen – ohne geschäftliche Bedingungen oder gar Preisdiktate, wie Wille betont. (Vgl. Augsburger Allgemeine vom 19.04.2019)

Es macht nicht immer Sinn, unsere Vorstellungen durchsetzen zu wollen. Vielen Kritikern fehlen genaue Kenntnisse der Lebenswirklichkeit vor Ort. Werden etwa Avocados aus Südafrika nach Europa exportiert, schreiben deutsche Medien, wie z.B. DIE ZEIT am 13. Oktober 2016, dass eine umweltschonende Küche auf eine Frucht wie die Avocado verzichten müsse, weil sie zu weit gereist sei und zu viel Wasser verbrauche. Kritisiert wird eine große Farm in der südafrikanischen Provinz Limpopo. Nur nebenbei wird erwähnt, dass auf der Farm 10.000 Mitarbeiter beschäftigt werden. Eine Schule für die Kinder der Beschäftigten, eine Krankenstation mit einem Krankenwagen steht zur Verfügung. Unerwähnt bleibt, dass die Arbeitslosigkeit in Südafrika bei ca. 40 Prozent liegt. Keinen Job zu haben, ist auch dort das Hauptrisiko für Armut. Wer Armut bekämpfen will, muss Arbeit schaffen.

„Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.“ (Kurt Tucholsky)

 

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018. Drei Nachauflagen folgten 2019 und 2020. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Dr. Mephisto von Rehmstack / 16.07.2020

Zu Ihrem Teaserphoto.: handelt es sich hier um ein Photo aus einer Sammlung von Ansichten deutscher Politiker_innen?

Horst Jungsbluth / 16.07.2020

Unsere “Gutmenschen” in der Politik sollten doch eher aufpassen, dass die von deutschen Steuerzahlern finanzierte Entwicklungshilfe wirklich dort hinfließt, wo sie gebraucht wird und nicht in den Taschen der Despoten landet, die sich in diesen armen Ländern nicht nur ein schier unfassbares Luxusleben leisten, sondern mit diesen Mitteln sogar noch die Bevölkerung unterdrücken. Komisch, als die SED-Diktatur noch existierte, da wollte man partout die Verbrechen nicht wahrnehmen und auch nicht, dass die politischen Häftlinge in drei Schichten in den Knästen für den Export schufteten. Man “sorgte” sich um den Erhalt dieser widerwärtigen Diktatur, unterstützte diese mit Milliarden an DM und die planten eiskalt mit dem Geld, Westberlin durch NVA und Stasi einzunehmen, weil es dort noch mehr zu holen gab. In Berlin (West) ließ man es sogar zu, dass die DDR mit Dumpingpreisen eingesessene Firmen das Leben schwer machten, wobei die Gewerkschaften eine ganz üble Rolle spielten.  Aber die waren ja fast alle stasiverseucht!  Was sind das eigentlich für Politiker?

Martin Bingel / 16.07.2020

— ja, ja, so ist das, Deutschland schafft sich halt ab. Wenn diese Leute die uns regieren, in ihren gelernten, studierten, wie auch immer, Berufen gut wären, bräuchten sie nicht in die Politik. Wenn z.B. Herr Spahn ein guter Bankkaufmann wäre, könnte er ja (wieder z. B.) Chef der Deutschen Bank sein, oder Filialleiter der Zweigstelle X der Kreissparkasse Y. Aber was tun diese Nichtsnutze nicht alles um sich den Rot-Grünen-Öko-Klima-Gutmenschen-Weltretter-Faschisten anzubiedern ? Wir wollen es doch so !!!!

Karla Kuhn / 16.07.2020

GENAU SO ist es, Robert Schleif. WARUM sollen wir ständig die ganze Welt retten ?? Wenn Unternehmen wegen den Billiglöhnen im Ausland produzieren lassen, müssen   DIESE in erster Linie dafür sorgen, daß die Arbeitsbedingungen dort okay sind.  Die deutschen Politiker sind gewählt, damit sie uns , dem VOLK, zum Wohle regieren !  Allerdings können auch wir Kunden etwas dazu beitragen, und den ganzen BILLIGKRAM nicht kaufen, zumal meistens noch die Qualität zweifelhaft ist. Ich habe mir letzte Woche einen Ventilator schicken lassen, eigentlich eine gute Marke und nicht preiswert aber schon beim auspacken hat er gestunken wie ein Chemie Fabrik, made in China ! Habe ihn sofort zurückgeschickt. WARUM können z B. Ventilatoren nicht in Deutschland hergestellt werden, genau wie vor allem MEDIKAMENTE ??  Das ganze System ist kaputt und die Flickereien von Müller und Heil machen es m.M.n. noch wesentlich schlimmer, weil das Übel nicht an der Wurzel ausgerottet wird. “Wer Armut bekämpfen will, muss Arbeit schaffen.”  RICHTIG, aber dazu ist die SÜDAFRIKANISCHE Regierung verpflichtet und nicht die DEUTSCHE !!

Cornelius Angermann / 16.07.2020

Diese Moralscheisser haben alle einen Megaknall! Nehmt den Menschen in Afrika ruhig ihren einzigen Wettbewerbsvorteil weg, denn dann können wir ja argumentieren, dass wir moralisch verpflichtet seien, die alle als Asylanten aufzunehmen. Die Afrikaner leben nach dem Brechtschen Wort “Erst kommt das Fressen, dann die Moral!” Hören wir endlich auf, anderen Völkern vorschreiben zu wollen, wie sie zu leben haben und wie sie Menschenrechte zu realisieren haben. Wir sind nicht der Nabel der Welt! Und Menschenrechte kann man nicht essen. Wir sollten anfangen, diese Moralterroristen endlich aus ihren Ämtern zu vertreiben, damit wieder rationale Politik gemacht wird. Preiswert einzukaufen ist keine Ausbeutung, wenn die Verkäuferseite mit dem Preis zufrieden ist. Und diejenigen, die sich beim Einzelhändler umfassend über einen neuen Fernseher informieren lassen, um ihn dann 50 Euro billiger bei Amazon zu bestellen, die sollten mal wegen Ausbeutung schnell ihr großes Maul halten! Sie sind selber die größten Ausbeuter, die diesen Einzelhändler um seinen Lohn, sein Brot und letztlich um seine Existenz bringen. Da muss man gar nicht nach Afrika schauen! Ressorts wie das von Müller müssten abgeschafft werden! Zusammen mit ihrem Inhaber und dessen Hofschranzen. Denn das sind selbsterhaltende Tätigkeiten, die uns als Volkswirtschaft Nullkommanix bringen. Wer jetzt sagt, die Regierung würde damit Rohstoffquellen sichern, dem sage ich: das sollen die Firmen, die diese Rohstoffe brauchen, selber tun, im freien marktwirtschaftlichen Wettbewerb mit anderen Interessenten. Meinethalben können die Firmen die dafür notwendigen Aufwendungen zu 50% steuerlich absetzen. Der Staat respektive unsere Regierung sollte sich, auch unter dem Deckmäntelchen der “Entwicklungshilfe” da raushalten! Apropos Entwicklungshilfe: noch nicht kapiert, dass das ein Fass ohne Boden ist? Wir haben schon viele Milliarden dort hineingekiptt und was ist der Erfolg? Immer noch hohe Analphabetenraten in Afrika!

Claudius Pappe / 16.07.2020

Alles was deutschen Unternehmen schadet , oder das Leben so schwer macht , das sie nicht mehr konkurrenzfähig sind, wird von der deutschen Politik beschlossen. Wann merkt der Wähler das ? Bei der Kommunalwahl in NRW ? Man( ich) darf ja mal träumen….........Alpträume…....

Werner Arning / 16.07.2020

Für manchen Bewohner der „Dritten Welt“ kann linkes Gutmenschentum lebensgefährlich sein. Der linke Gutmensch trifft seine Anordnungen aus sicherer Entfernung und mit wenig Gespür für Lebensverhältnisse, die er nur vom Hörensagen kennt. Er agiert häufig im Gefühl besinnungsloser Gutmenschlichkeit und meint es gut. Und er kämpft gegen Menschenfeinde. Zumindest gegen solche, die er dafür hält, die er als solche längst identifiziert hat. Aus sicherer Entfernung. Vor Ort hat er selbstverständlich Mitarbeiter, die genau wissen, was ihr Auftraggeber hören möchte. Und auch diese müssen schließlich leben. Dann schickt er seine Abordnungen, Berichte, die zu Empörung Anlass geben, werden erstellt und kurz darauf nagt unser Drittweltler am Hungertuch. Und mit ihm alle, die er unterstützte. Der Gutmensch hat wieder einmal ein gutes Werk getan und legt sich des Abends selbstzufrieden schlafen. Die nächste gute Tat wartet schon darauf, von ihm ausgeführt zu werden.

J. Braun / 16.07.2020

Afrika und das von dort importierte Obst interessiert mich nicht besonders, mich berührt mein Umfeld viel mehr, und da stört mich schon seit geraumer Zeit, daß ich immer weniger im Land produzierte Waren überhaupt kaufen kann, nicht einmal mehr solche aus angrenzenden EU-Ländern. Wieviele Stoffhersteller gibt es noch, die qualitativ Hochwertiges Made in Germany anbieten? Welche Elektrogeräte werden überhaupt noch bei uns produziert? Wieviel Prozent der Teile in des Fahrzeugs eines vorgeblich deutschen Herstellers stammen noch von hier? Ich finde Trumps „America First“ eine exzellente Maßnahme und in diese Kategorie sollten wir solches wie dieses merkwürdig erscheinende Gesetz auch packen: Wir werden in der nächsten Zeit eine extreme Zunahme der Arbeitslosenzahlen bekommen und da sollte es der Industrie möglichst schwer gemacht werden, in Billiglohnländern wie Pakistan, Bengalen, Indien, China oder Nordafrika und der Türkei zu produzieren. Wie man das angeht und ob dieses Ziel von der Regierung hintenherum beabsichtigt und nur den dussligen Linken als Gutmenschlichkeit verkauft wird oder ob das durch die pure Blödheit inkompetenter Ministerdarsteller erreicht wird, sollte uns erst einmal egal sein. Wichtig ist, daß es wieder attraktiver wird, seine Waren hier herzustellen.

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