Thilo Schneider / 11.03.2018 / 11:00 / Foto: Timo Raab / 31 / Seite ausdrucken

Lieber Thilo, muss Dich entfreunden, Du bist rechts

Neulich öffnete ich Facebook und fand dort folgende kleine Nachricht: „Lieber Thilo, sei mir nicht böse, aber ich muss Dich entfreunden, weil Du rechts bist. Dies kann und will ich in meinem Freundeskreis nicht dulden.“ Ich habe mir dann überlegt, ob das stimmt. Fernab davon, meinem Ex-Freund böse zu sein – jeder darf, wie er will –, hat er ja, wenn ich nicht einmal sehr tief in mich gehe, recht. Oder link.

Ich bin nicht stolz, Deutscher zu sein, aber ziemlich froh, einer zu sein. Ich finde Deutschland schön. Ich mag seine Landschaften, seine Leute, seine Literatur, seine Geschichte nebst allen dunklen, regelrecht schwarzen, aber auch hellen Seiten, seine Gebräuche und Sitten, die ich trotzdem nicht alle teilen muss, kurz: Ich fühle mich hier wohl. Ich beherrsche die hiesige Sprache in Wort und Schrift (sofern man das von einem Unterfranken erwarten kann), kenne und wende ein paar ungeschriebene Umgangsregeln an und bin der festen Überzeugung, dass, wenn ich Menschen freundlich gegenübertrete, sie ebenso freundlich zu mir sein werden.

Meine Großeltern haben zu Zeiten des Dritten Reiches gelebt und sich mit dem damaligen Regime so gut als möglich arrangiert, ob als Mitläufer, Täter oder Opfer, kann ich nicht mit letzter Sicherheit sagen, denn ich weiß nicht, ob sie mir die Wahrheit erzählt haben. Ich habe sie als liebevolle und besorgte Menschen kennengelernt und das von der Frage, ob sie im Einsatz an der Ostfront Gefangene erschossen oder Juden im Keller versteckt haben, völlig unabhängig gemacht. Denn ich war nicht dabei und bin nicht in ihren Schuhen gelaufen und kenne ihre Handlungsalternativen nicht. Sollten sie sich schuldig gemacht haben, dann mussten sie das mit ihrem eigenen Gewissen ausmachen.

Ich bin dafür, jeden hierher einzuladen, der hier sein Glück finden und aktiv diese Gesellschaft mitgestalten möchte, der fleißig und strebsam ist und mich ansonsten in Ruhe meiner Arbeit und meinem Leben nachgehen lässt, denn ich gestehe ihm das gleiche Recht zu. Ich erwarte nicht, dass er für mich bezahlt, ebenso wenig möchte ich für ihn bezahlen. Er soll Seines machen, ich mache Meines.

Deswegen bin ich auch für Grenzkontrollen und dafür, Identität und Alter meines Besuchs oder Mitbewohners festzustellen, und ich erwarte von dem Neu-Hinzukommenden, dass er daran ehrlich und offen mitwirkt. Die hiesigen Gesetze gelten dann sowohl für ihn als auch für mich, und es kann sogar sein, dass das ein oder andere Gesetz für mich vorteilhafter ist, weil ich schon länger hier lebe und beispielsweise mehr in die hiesige Solidargemeinschaft einbezahlt habe. Ich will ihm gegenüber nicht bevorzugt, aber auch nicht benachteiligt werden. Und ich kriege schneller ein Formular ausgefüllt, weil ich gelegentlich weiß, was Rathaus und Zulassungsstelle und Finanzamt von mir wissen wollen.

Wer sich nicht zu benehmen weiß, der bleibt draußen

Parke ich falsch, dann akzeptiere ich den Strafzettel und rufe nicht meine Familie zusammen, um den Typen vom Ordnungsamt zu verprügeln und zu nötigen. Ich stehe falsch, also gibt es einen Strafzettel. Wenn ich erwischt werde. So einfach ist das.

Ich gebe meine Bestellungen gerne auf Deutsch auf und erwarte von meinem Gegenüber, dass es mich versteht, weil Deutsch nun einmal die Sprache in Deutschland ist. Läden, die sich dem verweigern, benötigen mich offensichtlich als Kunden nicht und werden auch von mir nicht frequentiert. Frauen gegenüber bin ich stets höflich und nicht übergriffig, auch, wenn sie kurze Röcke oder Tops tragen, weil sich das so gehört und niemand betatscht oder befummelt werden will. Ich weiß, dass das nicht jeder meiner Landsleute so sieht, erst recht nicht, wenn er gesoffen hat, aber wenn er Pech hat, dann fängt er sich eben eine und die hat er dann auch verdient.

Ich möchte all das auch gerne be- und erhalten sehen und wünsche mir einen Staat, der dies sicherstellt. Ich wünsche mir Meinungsvielfalt ohne Bevormundung, und ich möchte mich sicher bewegen können. Ich möchte mir weder von fremden Personen noch von meiner Regierung mehr als unbedingt nötig in die Tasche greifen lassen. Und was gut für mich ist, das weiß ich selbst, dazu brauche ich niemanden, denn ich bin erwachsen. Deswegen habe ich trotzdem nichts gegen Aufklärung, damit ich Risiken abwägen und Entscheidungen treffen kann. Dafür stehe ich und dafür gehe ich.

Die Schlösser an meiner Haustüre habe ich nicht, um alle Menschen auszugrenzen, sondern lediglich die fünf Prozent, die mich beklauen oder meine Sachen kaputt machen wollen. Darunter leiden die anderen 95 Prozent der Weltbevölkerung, denn natürlich gibt mir ein Schloss die Möglichkeit, zu selektieren, wer mich besuchen darf. Und wen ich nicht leiden kann oder wer sich nicht zu benehmen weiß, der bleibt draußen. Das ist so derart banal, dass es eigentlich keiner Diskussion bedarf.

Tatsächlich ja – ich bin rechts. Ich bin für Recht und Ordnung. Ganz klassisch, bieder, langweilig und konservativ. Entfreundet mich deswegen, wenn Ihr meint. Das ist Euer gutes Recht. Falls wir uns trotzdem treffen, werde ich pünktlich und verlässlich sein und mein Bier selbst bezahlen. Weil sich das so gehört. Weil ich rechts bin. Und niemandem darüber die moralische Deutungshoheit überlasse. Niemandem.

Foto: Timo Raab

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B.Klingemann / 11.03.2018

Danke, Herr Schneider. Ich muss es lernen auszusprechen: Ich bin rechts. Nicht links. Oder irgendwie etwas dazwischen.

Jürg Casanova / 11.03.2018

So ähnlich denke ich, so ähnlich lebe ich, habe ich immer gelebt. Und staune heute, wie ich von Menschen, von denen ich glaubte, sie seien Freunde, gemieden werde, nicht von allen, aber von einigen. Staune darüber, dass sie mich mit einer Mischung aus Mitleid und selbst induzierter moralischer Überlegenheit betrachten und in der rechten Ecke entsorgen. Wie sie mir Worte im Munde umdrehen, die sie selbst in unverdächtigen Kontexten ungeniert gebrauchen. Sie strahlen noch immer, wenn von Flüchtlingen die Rede ist, denn die taugen dazu, dass man sich als Gutmensch fühlt, wenn man sie in welcher Zahl auch immer willkommen heisst und staunen Bauklötze, wenn man ihnen zu verstehen geben will, dass Flüchtlinge und Wirtschaftsmigranten und Sozialschmarotzer halt nicht das Gleiche sind. Sie finden es grauenhaft, dass in der Ägäis tote Kinder angeschwemmt werden und von den Judenkindern, die von einem Moslem in Südfrankreich abgeschlachtet worden sind, haben sie natürlich noch nie etwas gehört. Ja, seit ein paar Jahren bin ich ein Rechter.

W.Schneider / 11.03.2018

Sehr geehrter Herr Schneider, Dank für die Zustandsbeschreibung ihrer Lebenseinstellungen! Ich erkenne mich in allen Einzelheiten wieder. Bin bereit , an die Stelle Ihres entfreundeten Freundes zu treten.

Gabriele Kremmel / 11.03.2018

Ob nun aus feigem Opportunismus oder aus gesinnungstreuem Schubladendenken heraus: Wer braucht schon solche Freunde, lieber Herr Schneider? Da kann man ja fast froh sein, wenn die sich selbst entrümpeln (oder entfreunden, wie es neudeutsch heißt).

Markus Knust / 11.03.2018

Genau diese Leute muss man sich für später merken, wenn sich das Klima gedreht hat und der Normalzustand wieder hergestellt ist. Ansonsten finde ich solche Rechtfertigungstexte, für normale politische Ansichten, etwas absonderlich. Nicht Sie/wir sind es, die nicht normal sind. Von daher kann man über solche Menschen nur lachen.

Jacqueline Wege / 11.03.2018

Sehr genial,man sollte diese Zeilen als Flugblätter verteilen oder wenigstens an jede Litfaßsäule pinnen!!!

Cornelia Kuhs / 11.03.2018

Lieber Thilo, wunderbar ehrlich geschrieben. Wenn das von einigen als rechts empfunden wird, dann geselle ich mich gern zu Dir.

Peter Thomas / 11.03.2018

Verehrter Herr Schneider, es könnte der Tag kommen, an dem Sie bemerken, daß 97 Prozent aller AfDler nichts anderes sind als - rechte Menschen, die ihr Leben relativ frei und überwiegend vernunftbestimmt, in tradierten, doch wandlungsfähigen sozialen Bezügen zu leben bestrebt sind. Als ich 1985 nach Westdeutschland kam dachte ich, ich hätte den ganzen kommunistischen Schrott hinter mir gelassen - aber siehe da, Jahr um Jahr sah ich im Spiegel eine weitere Scherbe des mir indoktrinierten Mülls aus meinem Kopf fallen, und sicher ist dieser Prozeß auch noch nicht abgeschlossen. Immerhin halte ich heute die FAZ nicht mehr für ein Qualitätsprodukt, die öffentliche Meinung nicht mehr für frei und die Bezeichnung “Rechtsstaat” nicht mehr für treffend.

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