seit du 1974 auferstanden bist von den müffelnden Toten des Realsozialismus, hast du uns zuverlässig mit all den Themen unterhalten, die im ultralinken Kuckucksnest der Bee-Err-Dee gerade auf der Agenda standen. Über „Berufsverbote“ zetern, Terroristen schönreden, Polizeistaat herbei labern, Atomkrieg an die Wand malen – kein quiekendes Ferkel, das du nicht durchs Deppendorf getrieben hast. Dass die Faschos in Washington die Weltherrschaft an sich reißen wollen, Deutschland verrecke! den dritten Weltenbrand plant und so ziemlich jede Verschwörungstheorie von der Mondlandung bis zu 9/11 stimmt – wer hätte uns das stringenter erklären können als du, großer Kommunikationsriemen der Vorhut der Arbeiterklasse…
Wenn wir, der linken Szene schon leicht entfremdet, dich in einer dieser verräucherten Studikneipen herum liegen sahen und nostalgietrunken durchblätterten, waren wir schon nach einem Bier nicht nur mit dem Stand des revolutionären Kampfes in der Trikont-Zone, sondern auch mit allem Wichtiggetue, Klugschiss und kesselflickerischen Gezänk des linken Sektenspektrums à jour.
Letzthin warst du, liebe konkret, leider vom Schirm unseres Medienradars verschwunden. Es war irgendwie schwer geworden, deiner habhaft zu werden. „Überall am Kiosk“, wie es in deiner Werbung heißt, bist du ja eher nicht, außer man versteht „überall“ in einer völlig neuen Bedeutung. Unsere linken Freunde lasen lieber Jungle World oder Freitag. Lokale, die dich abonniert hatten, machten nach und nach dicht. Gab es dich überhaupt noch? Oder hatte dein Herausgeber Hermann „Kreml“ Gremliza, genannt der Elbe-Kraus, sein Lebenswerk eingestellt, bevor er sich auf seinen geräumigen Altersruhesitz in Minsk zurück zog?
Welche Freude, als wir neulich dann doch ein Zeichen von dir auffingen! In der von uns geschätzten Publikation „titanic“ lasen wir ein Inserat, in dem du unter dem treffenden Claim „Lesen, was andere nicht wissen wollen“ auf deine Juli-Ausgabe aufmerksam machst. Auf dem Cover fährt eine brutale Faust (des Kapitalismus, nicht wahr, hihi) auf eine Rasselbande spärlich bekleideter, sympathisch lächelnder junger Frauen nieder. „Casten, coachen, knechten“ ist der Titel deiner sicher schonungslosen Abrechnung mit dem menschenverachtenden System des Sänger- und Klamottenanzieher-Wettbewerbs. Diesem „Primetime-Sklavenmarkt“ gilt deine ganz gewiss messerscharfe Analyse, die hoffentlich in einer scharfen Verurteilung der Expropriierung junger Lohnabhängiger durch den medial-industriellen Komplex kulminiert. Das war mal fällig! Hoffentlich bricht ein Sturm los, wenn die jungen Fernseh-Werktätigen die Wahrheit über ihre verzweifelte Lage erfahren! Was haben die Opfer des TV-Schweinesystem denn mehr zu verlieren als ihre Ketten mit den Eisenkugeln dran, in denen sie über die Flughäfen (Mark Medlock!) schlurfen.
Dass sich über den Castingquatsch mittlerweile jedes deutschsprachige Druckerzeugnis ein bis zehnmal ausgemährt hat, meistens pflichtschuldig kritisch wie der Stern, sollte dich keinesfalls irritieren. Zwar hat der Philosoph und Schriftsteller Ralph Waldo Emerson schon vor anderthalb Jahrhunderten gewusst: „Es gibt viele Dinge, die ein kluger Mann nicht wissen will“. Aber Betreuung brauchen ja vor allem die nicht gar so hellen Kerle. Und die sind in deiner kleinen, aber exklusiven Zielgruppe, liebe konkret, bekanntlich stark vertreten. Venceremos!