Liebe Frau Lötzsch,
Sie haben im Fachblatt für den jung gebliebenen Alt-Dogmatiker „Junge Welt“ erklärt, dass der „Weg zum Kommunismus steinig“ werde, aber man müsse sich halt immer wieder aufmachen und ihn ausprobieren. Ich persönlich möchte Ihnen für diesen Weg alles erdenklich Gute wünschen, würde aber, wenn es sich einrichten ließe, diesmal gern nicht wieder mitmachen. Ich hatte (ungefragt) die Gelegenheit, beim ersten Versuch 25 Jahre meines Lebens mit von der Partie zu sein, und bitte darum beim nächsten Mal aus familiären Gründen aussetzen zu dürfen. Es hat mir – aber das ist meine ganz private Meinung – nicht so viel Spaß gemacht, wie man uns versprochen hatte. Meine Skepsis bezüglich eines weiteren Versuches bitte ich daher zu entschuldigen. Besonders weit waren wir ja auch nicht gekommen, wenn man es genau nimmt.
Willy Brandt hat einmal gesagt, der Fortschritt sei eine Schnecke. Bei der SED-PDS-Linken bringt dieses ansich sympathische Häuslebauer-Tier das Kunststück fertig, mit nur einem Schleimfuß sogar auf der Stelle zu treten. Was das Weltbild anbelangt, lernen Sie, liebe Frau Lötzsch, ganz offensichtlich aus den Fehlern aller anderen, dass Sie aus Ihren eigenen nichts lernen müssen. Ihr Thüringer Parteifreund Bodo Ramelow hat feinsinnig erklärt, dass Sie mit Kommunismus selbstverständlich nicht den „Stalinismus“ meinen. Kommunismus, das habe ich noch in der ersten Reisegruppe dorthin gelernt, ist gekennzeichnet durch die „Führung der revolutionären Partei neuen Typs“ und Vergesellschaftung der Produktionsmittel. Wenn Sie jetzt womöglich etwas anderes unter Kommunismus verstehen, sollten Sie es der Verständlichkeit halber auch anders nennen. Oder ist Blau das neue Rot und der Weg zum Kommunismus führt diesmal nach Dubai? Zum Kommunismus jedenfalls ist historisch gesehen alles gesagt, wenn man mal davon absieht, dass es noch einige Ochsen und Esel gibt, die ihm nachlaufen wollen.
Mag sein, dass der Weg, Ihr Weg, zum Kommunismus steinig wird. Der Weg des Kommunismus selbst war blutig, und der Weg aus dem Kommunismus wieder heraus war elend und erbärmlich. Ich hatte bisher angenommen, dass Sie und die maßgeblichen Leute Ihrer Partei das zumindest das in den vergangenen zwanzig Jahren gelernt hätten und es inzwischen ähnlich sähen. Ich habe mich getäuscht. Selbst wenn Sie unter Kommunismus nicht das leninistisch starre Theorie-Gebilde sehen, sondern eine eher abstrakt gefasste Gesellschaft gleicher, freier und engagierter Menschen, eine Art glücklicher Kommune eben, dann wissen selbst durchschnittlich begabte Zeitgenossen heute, dass es solche Inselchen der Seligen nicht gibt. Sie scheitern am Menschen und seinen Unzulänglichkeiten, seinem Wunsch nach mehr, der die Welt zwar voranbringt, aber eben mitunter auch zerstört.
Darum wird eine humane Gesellschaft immer eine ungleiche unzulängliche Gesellschaft sein, in der Wettbewerb herrscht, bei dem es Gewinner und Verlierer gibt. Die meisten anderen Parteien arbeiten daran, diese unvollkommene Gesellschaft besser zu machen und Korrekturen anzubringen, wo es aus Fehlern etwas zu lernen gibt. Sie dagegen wollen irgendwohin anders aufbrechen und den Weg dahin mit der DKP-Führung und einer Ex-Terroristin beim Kongress der Rosa-Luxemburg-Stiftung diskutieren. Liebe Frau Lötzsch, Sie haben sie nicht mehr alle.
Mit irgendwelchen Grüßen
Ralf Schuler