Gastautor / 05.04.2025 / 10:00 / Foto: Montage achgut.com / 13 / Seite ausdrucken

Liberation Day und die Doppelmoral der EU-Handelspolitik

Von Thomas Kolbe.

Zölle sind schlecht fürs Geschäft. Sie schädigen die internationale Arbeitsteilung und treiben Verbraucherpreise in die Höhe. Ihr Comeback zeigt, dass wir im Primat der Politik leben. Eine neue Zeit der Machtpolitik ist angebrochen.

Donald Trump kommuniziert laut, bisweilen schrill. Dass er den 2. April, den Tag der Einführung eines aggressiven Zollprogramms der USA, zum „Liberation Day“ verkündete, sollte nicht verwundern – es ist Teil der harschen Kommunikationsstrategie des Weißen Hauses seit der Amtsübernahme. Handelspartner wie die Europäische Union reagieren geschockt, drohen mit Gegenmaßnahmen auf den massiven Zollschritt, der einen Grundzoll von 10 Prozent vorsieht und im Wesentlichen tarifäre Hemmnisse anderer Staaten spiegeln soll. Politiker wie Argentiniens Präsident Javier Milei oder Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum betonen ihre Bereitschaft zu Konzessionen und beugen sich der Drohgebärde.

Doch hinter der schrillen Kommunikation des US-Präsidenten steckt mehr als bloße Provokation. Die USA befinden sich fest im Würgegriff eines doppelten Defizits. Handels- sowie Fiskalbilanz rutschen immer tiefer in den roten Bereich und sorgen für Verwerfungen in der amerikanischen Wirtschaft, bis hin zum Verlust der industriellen Basis. Hier setzt die neue US-Regierung an, das sogenannte „Triffin-Dilemma“ zu eliminieren. Dieses besagt, dass derjenige, der die Weltreservewährung emittiert, die globale Wirtschaft über ein korrespondierendes Handelsdefizit mit Liquidität versorgen muss. Zollpolitik und Steuersenkungen sollen die größte Volkswirtschaft der Welt aus dieser Umklammerung befreien. Darum geht es hier im Kern.

Aufschrei der Dauerempörten

Dass dies zu Problemen führen kann, wissen wir aus der Wirtschaftsgeschichte. Aktive Zollpolitik mündet nicht selten in Handelskriege und kann den beteiligten Ökonomien schwere Schäden zufügen. Nur ein freier Handel befähigt die Teilnehmer des Wirtschaftsgeschehens, Spezialisierungsmuster auszuformen, die eine optimale Versorgung der Märkte gewährleisten. Allerdings befinden wir uns nicht in einer utopischen Lehrbuchökonomie, sondern an einer geopolitischen Schwelle, die uns kalte Machtpolitik und nationale Präferenzlagen zurückbringt. 

Die Reaktion der EU-Europäer auf die Kehrtwende der US-Handelspolitik fällt daher auch erwartbar heftig aus. Auf die rege Reisetätigkeit europäischer Spitzenpolitiker der Präsidenten Emmanuel Macron und Keir Starmer folgt nun die Ankündigung der EU-Kommission, die Zölle der Amerikaner mit Gegenmaßnahmen zu kontern. Willkommen im Handelskrieg!

Folgt man den Empörungswallungen der Europäer, muss man sich allerdings verwundert die Augen reiben. Immerhin ist es die EU, die bereits ihr Fundament auf Kohle- und Agrarsubventionen aufsetzte und seit ihren Gründungstagen eine überdimensionierte Subventionsmaschine zur Umsetzung eigener industriepolitischer Ambitionen betreibt. Wer heute als Externer den Schritt auf den europäischen Binnenmarkt wagt, sieht sich einer Fülle regulatorischer Handelsbarrieren ausgesetzt, die unter dem Euphemismus „Harmonisierung“ firmieren. Subtil und anstelle hoher Einfuhrzölle weist die EU externe Konkurrenz über Produkt- und Produktionsstandards (Lieferkettengesetz), bürokratische Hürden und Schutzzölle ihrer Kernsektoren an den Grenzen zurück. Die Zeche zahlt der Verbraucher über höhere Preise, da so der Wettbewerb geschwächt wird.

Gemeinsame Agrarpolitik als Pseudoargument

Produkte wie Fleisch oder Milch aus Drittländern unterliegen nicht nur Zöllen, sondern auch Hygiene- und Qualitätsstandards, die oft nichts anderes sind als reine Schikane, um potenzielle Wettbewerber aus dem Feld zu räumen. Häufig wird medienwirksam auf den Schutz der Verbraucher verwiesen, doch in Wahrheit dient die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), um nur ein Beispiel zu nennen, ausschließlich dem Schutz heimischer Anbieter. Laut OECD machen solche nichttarifären Barrieren bis zu 60 Prozent der EU-Protektion aus – weit mehr als die sichtbaren Zölle. 

In der Industrie zeigt sich ein ähnliches Bild. Die Automobilbranche etwa wird durch einen Zoll von 10 Prozent auf Importfahrzeuge geschützt, ergänzt durch technische Vorschriften und Emissionsstandards, die auf europäische Hersteller und ihre Produktionsstruktur zugeschnitten sind. US- oder asiatische Firmen sind auf diese Weise gezwungen, hohe Anpassungskosten zu stemmen und treten mit spürbaren Nachteilen in den Markt. Das Ergebnis: ein faktischer Marktschutz für Konzerne wie Volkswagen oder Stellantis, ohne dass die EU als protektionistisch auffiele.

Europa agiert im Klandestinen

Während die USA nun versuchen, ihr Handelsdefizit zu reduzieren und ihre Industrie wieder aufzubauen, operiert die EU im Klandestinen. Der „Carbon Border Adjustment Mechanism“ (CBAM), ab 2026 aktiv, belastet Importe aus Ländern mit niedrigeren Klimastandards. Offiziell geht es um den Klimaschutz. In Wahrheit handelt es sich aber um ein scharfes Schwert des Protektionismus, da die Europäer die CO2-Keule als betriebswirtschaftliches Totschlagargument einsetzen und wissen, dass man außerhalb der klimamoralisierenden Brüsseler Bürokratie eher auf wirtschaftliche Vernunft als auf ideologische Wolkenkuckucksheime setzt. 

Und auch in der Digitalwirtschaft verhängt die EU hohe Auflagen gegen US-Tech-Riesen wie Google oder X, während sie europäische Konkurrenzunternehmen aktiv fördert. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) erschwert nicht-europäischen Firmen den Marktzugang, während heimische Unternehmen profitieren. Das ist kein freier Handel, sondern gezielte Abschottung. 

Ausgang offen, aber mit Vorteilen für die USA

Wir dürfen gespannt sein, wie sich dieser Konflikt in den kommenden Wochen entfaltet. Die USA setzen dabei auf ihre breite technologische Basis, auf Energieautonomie und die Fähigkeit, über offenere Märkte mobiles Kapital von einem Investment in den Staaten zu überzeugen. Sie nehmen mit der Zollpolitik in Kauf, dass der US-Verbraucher zunächst geschwächt wird. Europa sollte den Fehdehandschuh der Trump-Regierung als Arbeitsauftrag auffassen und eigene Konzepte und Fehlentwicklungen kritisch unter die Lupe nehmen. Eine Rückkehr zu marktwirtschaftlichen Prinzipien und offenen Märkten ist eine zwingende Schlussfolgerung, die aus dem aggressiven Auftreten der Amerikaner abzuleiten wäre. 

Allerdings ist dies nicht denkbar ohne ein radikales Umdenken in Brüssel und den europäischen Hauptstädten. Der Versuch, eine grüne und weitgehend deindustrialisierte Ökonomie zu errichten, ist an der ökonomischen Realität gescheitert. Diese präsentiert sich als tiefe Wachstumskrise und legt sich nieder im erlahmten Produktivitätswachstum. Und der Machtapparat der Zentralplaner in Brüssel ist nun diesem gleißenden Licht der Realität ausgesetzt.

 

Thomas Kolbe studierte Volkswirtschaftslehre an den Universitäten zu Köln und der FernUniversität Hagen. Als Mitarbeiter der FDP-Landtagsfraktion NRW arbeitete er Anfang der 2000er für den damaligen wirtschaftspolitischen Sprecher Dr. Gerhard Papke und absolvierte in dieser Zeit sein Studium der Betriebswirtschaftslehre. Seit 2009 ist er als freiberuflicher Berater in der Öffentlichkeitsarbeit tätig und blickt auf 19 Jahre Berufserfahrung im Bereich der Public Relations zurück.

Foto: Montage achgut.com

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Leserpost

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sybille eden / 05.04.2025

Danke, Herr KOLBE, endlich mal eine kompetente Klarstellung ! Noch Folgendes : Mein Mann ist/war Musiker. Er wollte sich in den 80ger Jahren ein US-amerikanisches Schlagzeug kaufen . Eine legendäre Marke, namens ” Slingerland” Das berühmte Swingdrumset ( Gene Krupa )                                        Das war nicht möglich, denn durch den enorm hohen EG- Einfuhrzoll von fast 90% kostete es mit den Versandkosten fast das Doppelte wie in den USA, also fast 10 000 DM. Also aus der Traum. Jammere mir bitte niemand was wegen der Trump-Zölle vor !

W. Renner / 05.04.2025

@j.kunze: „Viele normale Verbrauchsgüter in den USA werden jetzt deutlich teurer. Die amerikanische Gesellschaft besteht aber nicht nur aus Leuten, die alle 6000 $ monatlich zur Verfügung haben und das abfedern können.“ Welche Verbrauchsgüter sollen das denn genau sein? Krupp Stahl? Schweizer Käse? Nürnberger Bratwürste? Windmühlen? Volocopter? Lastenräder? Die BMWs und Mercedes, die die Amerikaner fahren, werden auch längst dort gebaut. Und jene, die Ferraris, Rolex und Champagner kaufen, zahlen auch 20% mehr dafür. Da geht’s ums Image, nicht um den Preis.

Rolf Wächter / 05.04.2025

Trump macht Politik für sein Land, nicht für andere Länder, auch nicht für Deutschland. In seiner ersten Amtzeit entstanden in den USA neue Arbeitsplätze und ein langsamer Wirtschaftsaufschwung. Die deutsche und EU-Politik sollte ihre Preistreiber abschaffen. Also weg mit Klimaquatsch, CO2-Steuer, hohen Energiepreisen, Alimentierung von nichtarbeitenden Ausländern und strengeres Vorgehen gegen nichtarbeitende aber arbeitsfähige Deutsche. Weg auch mit Gesetzen und Vorschriften, die den Handel und die Wirtschaft behindern.

Harald Hotz / 05.04.2025

Ich frage mich, wie die Europäer gedenken in der Gegnerschaft zu dem totalitären chinesischen Staat überhaupt bestehen zu können, wenn sie weder den Stahl, noch die Medikamente, noch die Fahrzeuge produzieren können, die sie bräuchten, um eine wirksame Abschreckungskulisse auch nur zu simulieren. Trump jedenfalls weiß, daß eine deindustrialisierte USA keinerlei Möglichkeiten mehr hätte, den chinesischen Expansionismus aufzuhalten. In einer Welt, in der die freien Nationen in der Minderheit sind, ist Protektionismus für eine freie Nation ein notwendiges Mittel, um sich verteidigen zu können. Alles andere ist eine Einladung zur Übernahme und vorauseilende Kapitulation. Aber vielleicht finden unsere europäischen Superstrategen ja das chinesische Modell von “unsere Demokratie” richtig gut. Trump jedenfalls weiß, der wirklich gefährliche Gegner ist nicht Putin, sondern der andere.

j.kunze / 05.04.2025

Viele normale Verbrauchsgüter in den USA werden jetzt deutlich teurer. Die amerikanische Gesellschaft besteht aber nicht nur aus Leuten, die alle 6000 $ monatlich zur Verfügung haben und das abfedern können. Trump geht eher wie ein Elefant im Porzellanladen vor, nicht nur bei den Zöllen, sondern auch bei den Behörden der USA. Wie sollen z. B. die Zölle kontrolliert werden, wenn es kein Kontrollinstrumentarium mehr gibt? Die Schlampigkeit mit Sicherheitsinformationen ist ein weiterer Punkt, der das Unprofessionelle dieser Regierung offenbart.

Lutz Herrmann / 05.04.2025

Die Europäer sind überwiegend technologisch abgehängt und wegen der Sozialabgaben generell zu teuer. Der eigene Markt kann nur durch Strafzölle gehalten werden. Alles andere ist Moralismus. Ob sich Trump auf das Niveau Europas herablässt, ist eigentlich bedeutungslos. Der nächste heiße Scheiss kommt aus den USA. Das steht jetzt schon fest.

Franz Klar / 05.04.2025

Aha, “Fehlentwicklungen” in der EU trotz Überschüssen . Und die Gründe amerikanischer Defizite? Ich empfehle die Videos deutscher Auswanderer zum Thema Lebensdauer dortiger Hausgeräte…

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