Von Thomas Kolbe.
Die Entwicklung in Argentinien ist ein erfrischender Kontrapunkt zur Realität auf dem alten Kontinent. Mileis Marktöffnung und Staatsabbau wirken vertrauensbildend auf Investoren und Märkte.
Letzte Woche am Dienstag gab die argentinische Zentralbank den Handel der Landeswährung Peso mit dem US-Dollar frei. Ein kleiner „Liberation Day“ für Präsident Javier Milei, der das krisengeschüttelte Land schrittweise vom Bürokratismus der Kirchner-Jahre befreit. Ein erfrischender Kontrapunkt zur Realität auf dem alten Kontinent.
Sozialistische Wirtschaftsmodelle haben eine programmierte Halbwertzeit. Kollabieren sie, müssen marktwirtschaftlich orientierte Politiker den Schaden durch harte Reformen beseitigen. Sie sind die Müllmänner der Wirtschaftsgeschichte. Im Falle Argentiniens hat sich im Dezember 2023 Javier Milei, der Mann mit der Kettensäge, dieser Herkulesaufgabe gestellt. Stand heute können wir sagen, dass er auf einem guten Weg ist.
Nun folgte ein weiteres Reformkapitel, ein kleiner „Liberation Day“ für den argentinischen Peso, der nun in gesteckten Grenzen von 1.000 bis 1.400 Peso frei zum US-Dollar notieren kann. Nach anfänglichen Verlusten am Montag von 10 Prozent stabilisierte sich die Währung jedoch innerhalb des Korridors, und es sieht so aus, als wirke Mileis Marktöffnung und Staatsabbau vertrauensbildend auf Investoren und Märkte. Die Bedeutung dieses Ereignisses sollte nicht unterschätzt werden.
Der Peso gilt als Spiegelbild der gescheiterten Kirchner-Jahre, einer Zeit beinharten argentinischen Sozialismus. Unter Néstor und Cristina Kirchner (2003–2015) verwandelte sich Argentinien in einen Moloch aus staatlichen Eingriffen, Preisvorgaben und Währungskontrollen. Ihre Politik des „nationalen Populismus“ – ein Euphemismus für Klientelwirtschaft und Staatsdirigismus – kulminierte letztlich in einer Hyperinflation von 211 Prozent im Jahr 2023 und einem kafkaesken Währungssystem mit multiplen Dollarkursen. Die Menschen flüchteten aus der gescheiterten Währung in den US-Dollar oder harte Assets, wo dies möglich war, vornehmlich auf Schwarzmärkten, die das repressive System nicht unter Kontrolle bringen konnte.
Libertäre Wende
Acht Jahre mussten nach der Kirchner-Katastrophe vergehen, bis der argentinische Wähler Ende 2023 die Notbremse zog und einem erklärten Libertären die Regierungsgeschäfte anvertraute. Berühmt-berüchtigt durch seinen schrillen Wahlkampf mit der Kettensäge – Ausdruck des maximalen Bruchs mit der Vergangenheit – entfaltete Milei eine bemerkenswerte Reformpolitik. Mit chirurgischer Präzision reduzierte er die aufgeblähte Ministerialbürokratie von 18 auf 8 Ministerien, kappte Subventionen und präsentierte den ersten ausgeglichenen Haushalt seit Jahrzehnten. Flankierend setzte er um, was andernorts unmöglich scheint, und entfesselte die Wirtschaft von Preisdiktaten sowie ideologischer Überregulierung.
Und der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Argentinien befindet sich nach dem Entschlackungsschock im ökonomischen Aufwind: Im letzten Quartal 2024 wuchs die Wirtschaft nach sechs rezessiven Vorquartalen um 3,9 Prozent. Für das laufende Jahr erwartet die Zentralbank, die Milei bislang nicht eliminieren konnte, ein Wachstum von 4,8 Prozent. Das sind beachtliche Werte, bedenkt man, dass es zudem gelang, die Hyperinflation zu stoppen und sich der 2-Prozent-Marke anzunähern. Auch die harte, aber aus wirtschaftlicher Sicht unvermeidliche Abwertung des Peso um 50 Prozent im Jahr 2023 steckten Wirtschaft und Haushalte weitestgehend unbeschadet weg. Eine starke Bilanz nach etwas mehr als einem Jahr im Amt!
Der argentinische Trump?
Die Politik Mileis erinnert an die Bemühungen von US-Präsident Donald Trump. Auch in den USA hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es so nicht weitergehen kann. Die drastischen Einschnitte der DOGE-Einheit (Department of Government Efficiency) um Elon Musk haben eine drastische Verschiebung des öffentlichen Diskurses über die Rolle des Staates erzwungen.
Erstmals seit langer Zeit wird in den Vereinigten Staaten, dem Mutterland von Freiheit und Staatsskepsis, wieder intensiv über die Folgen überbordender Bürokratie und tiefer Eingriffe in Wirtschaft und Privatsphäre debattiert. DOGE ist es mit der Aufdeckung des US-AID-Skandals gelungen, einen Bogen zwischen nationaler Sozialisierungstendenz und medialer Narrativbildung zu spannen. Man muss sich fragen: Woher stammen die Mittel, um Medien weltweit gegen konservative Politik und bürgerliche Prinzipien in Stellung zu bringen? Die Antwort, die wir nun alle kennen, ist zynisch: Es war der amerikanische Steuerzahler, der diese mediale Eskalationsmaschine – ohne sein Wissen – finanzierte.
Kulturwandel im Gepäck
Selten haben wir erlebt, dass der links-etatistische Mediensektor so in Aufruhr geraten ist wie seit der zweiten Amtsübernahme von Donald Trump. Es scheint beinahe so, als ahnte man in den Chefetagen von CNN und Co., dass die bequemen Subventionsjahre ihrem Ende entgegengehen. Kurz gesagt: Trump hat der linken Propagandamaschine den Fehdehandschuh hingeworfen und es findet sich kaum jemand, der bereit oder Manns genug wäre, diesen aufzuheben. Die Zeiten werden härter, wenn das Kampagnengeld nicht mehr wie von Zauberhand aus dem Geldbeutel der Mittelschicht in die Propagandakassen der unzähligen linken NGOs und Medienhäuser fließt, um die schrägen Ideen des woken Globalismus in den Zeitgeist einzuweben.
So gesehen bringt die Rückkehr zu Marktwirtschaft und (angestrebtem) Minimalstaat eine Kulturwende mit sich, die sich über die Zeit entfalten wird. Das bürgerliche Bild von Leistung und Verantwortung, das Revival der Familie als einzig wirksame „Sozialversicherung“ oder auch die Befreiung der Kunst von einseitiger staatlicher Zweckförderung werden das gesellschaftliche Klima auf den Kopf stellen. Eine Rückkehr zur Meritokratie, zur Herrschaft klassisch-bürgerlicher Werte, wird einen Generationensprung auslösen, die Abkehr vom bräsigen Sozialismus und der alles kontrollierenden Wohlfahrtsmaschine wird auf viele wie eine Befreiung wirken. Das hat multiplikativen Charakter, das wirkt im besten Wortsinne ansteckend. Trump und Milei könnten eine neue Zeitrechnung eingeleitet haben, eine Wiedergeburt der freiheitlichen Wertegesellschaft.
Europa: Wo es hakt
Doch diese Wendepolitik hat mächtige Feinde – und diese haben sich besonders in den Tagen des Zollschocks in der Europäischen Union offenbart. Brüssels Frontlinie verläuft exakt dort, wo wir es vermutet haben: bei der tiefen Regulierung des heimischen Marktes. In der Klimaregulierung, den Harmonisierungsvorschriften und Sonderabgaben wie der CO₂-Besteuerung ruht die ganze Macht des gigantischen Bürokratenapparats der Europäer. Ihn zu brechen, gleicht einer Herkulesaufgabe. Sein Einfluss speist sich aus mächtigen Industrielobbys und einer friktionslosen Medienmaschine, der es gelungen ist, einen ganzen Kontinent auf den Weg in den Klimasozialismus zu führen. Er entpuppt sich als Gegenentwurf mileischer Provenienz: digitales Kontrollgeld, digitale Identitäten, individuelle CO₂-Steuern – Europa hat sich im Rausch des Kontrollwahns verrannt und die Zeichen der Zeit gründlich missverstanden.
Wer als Augur auf den politischen Vogelflug schaut, kann den Drang zur Freiheit und die Rückkehr der Bürgergesellschaft eigentlich nicht übersehen. Europa erscheint in diesem Moment der Geschichte als Antagonist auf der Bühne des Systemkampfs.
Thomas Kolbe, Jahrgang 1978 aus Neuss, ist studierter Volkswirt. Seit über 25 Jahren arbeitet er als freiberuflicher Autor sowie als Medienmacher für Kunden aus verschiedenen Branchen und Wirtschaftsverbänden. Als freier Publizist widmet er sich schwerpunktmäßig ökonomischen Prozessen und beobachtet geopolitische Ereignisse aus dem Blickwinkel der Kapitalmärkte. Seine Publikationen folgen den Prinzipien libertären Denkens und einer Philosophie, die das Individuum und seine Selbstbestimmungsrechte in den Mittelpunkt rückt.