René Zeyer, Gastautor / 27.05.2020 / 16:54 / Foto: Pixabay / 29 / Seite ausdrucken

Let it all out: Die Finanzpolitik der Extase und des Wahnsinns

Als wäre es ein Ausverkauf, eher ein Rausverkauf, als gälte: Alles muss weg, alles muss raus. So sieht die Finanzwelt in der EU aus. Zumindest, was die Regierungen und die Notenbanken betrifft.

Die anfänglich herumgebotenen Horrorzahlen von Millionen von Toten durch die neuste Pandemie haben sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. Aber die Anzeichen werden immer deutlicher, dass das Virus einen ungesunden Effekt auf die Hirnzellen hat.

Denn anders ist nicht zu erklären, dass in der EU inzwischen ein Wettbewerb existiert, der an Verantwortungslosigkeit nicht mehr zu überbieten ist. Ein Wettbewerb der grossen, der ganz grossen Zahlen. Eine Million Euro? Lachhaft, Peanuts, Kleinscheiss, wer redet denn noch von so einem Kleckerbetrag? Eine Milliarde? Schon besser, aber auch noch nicht richtig gut. 10 Milliarden? Langsam stimmt die Richtung, aber das Ziel ist noch weit entfernt.

Nein, klotzen, nicht kleckern, bitte schön. Die von der eigenen Regierung verschuldeten und dem Virus untergeschobenen Schäden an der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft? Na ja, also eine Billion sollte das doch wieder regeln. Und wenn nicht, da wo die herkommt, da gibt’s noch mehr.

Ob man da einen Krieg irgendwie verpasst hat?

Deutschland hat ja scheint’s den Euro als Währung, da gibt es noch andere Bedürftige. Wie viel darf’s denn sein? Frankreich und Deutschland bieten, um nur mal so eine Zahl in den Raum zu stellen, 500 Milliarden. Wieso nicht 800? Oder 400? Oder nicht so zimperlich, sagen wir doch gleich eine Billion. Wofür? Na, als Wiederaufbaufonds für die europäische Wirtschaft.

Wie bitte, ob man da einen Krieg irgendwie verpasst hat? Seit wann es eine europäische Wirtschaft gibt? Blöde Fragen, was die Regierungen, Pardon, der Virus kaputt gemacht hat, muss ja wieder repariert werden, oder etwa nicht? Muss doch jeder kapieren. Zugegeben, man kann da zurzeit leicht den Überblick verlieren, stimmt schon.

Aber versuchen wir mal, wenigstens ein wenig zu sortieren. Es gibt also das grosszügige 500-Milliarden-Angebot von Macron und Merkel. Da will sich die EU-Kommission natürlich nicht lumpen lassen. Sie bietet mehr, nämlich 750 Milliarden. Okay, das ist ja auch noch etwas mickrig, also legt von der Leyen noch eine Billion drauf, als "Finanzrahmen" für die kommenden Jahre. Ist doch immer gut, wenn man noch etwas Reserven hat.

War doch gar nicht so schwer, sagt da jemand? Nun ja, da hätten wir noch das im März aufgelegte 750-Milliarden-Ankaufsprogramm der EZB. Richtig, das ist die Fortsetzung des 2,1 Billionen Ankaufsprogramms, das ja ordentlich zu Ende geführt wurde. Hat immer noch jemand den Durchblick? Na, da lege ich doch noch den ESM drauf, den Europäischen Stabilitätsmechanismus. Der wiederum ist die Nachfolgeorganisation der Europäischen Finanzstabilitätsfazilität, die wiederum, also wirklich, es reicht, ich kapier’s auch nicht mehr.

Das ist jetzt aber eine doofe Frage

Dabei habe ich noch gar nicht die Target 2 Schulden in der Höhe von einer runden Billion erwähnt. Richtig, Schuldner sind Staaten wie Italien oder Spanien, Gläubiger ist, das ist jetzt aber eine doofe Frage, natürlich Deutschland. Dann hätten wir noch diverse Rettungsprogramme, so ist bekanntlich zum Beispiel Griechenland noch immer nicht zu Tode gerettet. Ach, und dann gibt es noch ein paar Zombie-Banken, die nur noch auf der Welt sind, weil sie Schrottstaatsschuldpapiere in ihren Büchern lächerlich werthaltig bilanzieren dürfen. Aber da reden wir jeweils von schlappen knapp dreistelligen Milliardenbeträgen, also vernachlässigbar.

Dann ist ja auch mal gut, oder? Nun ja, fast. Bei all diesen Zahlen wäre vielleicht noch interessant zu wissen, ob es sich dabei um Schenkungen oder um Darlehen handelt. Ein kleiner, aber eigentlich unwichtiger Unterschied. Geschenkt heisst bekanntlich: weg ist weg. Darlehen in der EU heisst bekanntlich: weg ist auch weg.

So gesehen ist das kleine Gehampel, ob es sich bei all diesen neuen Geldbergen um milde Gaben oder Kredite handelt, eigentlich völlig unnötig. Unabhängig davon, wie man das bezeichnet, welche Rückzahlungsbedingungen man ausarbeitet, welche Kontrollmechanismen man erfindet, welchen Zinssatz man vereinbart: Es ist völlig egal. Es ist eigentlich auch egal, ob wir von 100 Milliarden, 500 Milliarden oder gleich einer Billion sprechen. Denn nur etwas ist amtlich: kommt nie wieder zurück. Ausgeschlossen. Nicht in diesem Leben, und auch nicht im nächsten.

Ist schlichtweg unbezahlbar. Nun gut, der deutsche Steuerzahler wird immerhin den Versuch unternehmen. So ist er, so kennt man ihn, so lieben ihn viele europäische Staaten. Auch wenn er manchmal mürrisch wird, so wie ein Gast in einem wieder offenen Lokal, der am Tisch sitzen bleibt, während alle anderen Zecher schnell aufstehen, dabei nach hinten zeigen und zum Kellner sagen: Der Herr da zahlt.

Mit Verlaub, das ist auch eine selten dämliche Frage

Alle gewichtigen Vertragswerke, die da entwickelt werden, sind eigentlich nichts anderes als ein Beschäftigungsprogramm für sonst arbeitslose Anwälte und Beratungsfirmen. Denn wie alle vorherigen Vereinbarungen in der EU über finanzielle Verpflichtungen, Obergrenzen, Eigenverantwortung usw. sind sie in dem Moment Makulatur, wo sie gewichtig unterzeichnet werden.

Noch Fragen? Wo das ganze Geld herkommt? Mit Verlaub, das ist auch eine selten dämliche Frage. Bei solchen Beträgen setzt sich ein EZB-Beamter an ein Terminal, drückt auf ein paar Tasten, und schwups, hinten aus dem Computer rieselt eine Milliarde raus. Die versteckt sich dann schnell im Bildschirm als flimmernde Zahl. Ist aber real. Ja müsste dem nicht in irgend einer Form eine Wertschöpfung gegenüberstehen? Ach ja, das ist nun wirklich ganz, ganz altmodisch gedacht. Und wenn es ein Generationenprojekt sei, diese neuen Schulden wieder zurückzuzahlen, sollten wir da nicht die nächste Generation fragen, was sie davon hält? Nein, das sollten wir auf keinen Fall. Wirklich. Überhaupt keine gute Idee.

Immerhin, einen Lichtblick gibt es. Diese sprudelnden Geldfontänen in die immer klammen Taschen von Euro- und EU-Staaten haben etwas Gutes für Deutschland. Sie ermöglichen es, dass wir eine starke Exportnation bleiben. Denn womit würde zum Beispiel Italien deutsche Exporte sonst bezahlen? Richtig, mit von Deutschland finanzierten milden Gaben. Womit denn sonst? Die Target 2 Schulden von Italien liegen ja schon bei einer runden halben Billion, da kann man nicht allzu viel mehr draufsatteln.

Noch mehr Trost? Also gut. Wer sich noch an diesen Spruch erinnert, war nicht wirklich damals dabei: "Turn on, tune in, drop out." Das hiess soviel wie: anschalten, einschalten, abschalten. Oder aussteigen. Richtig, das war eine kaum verhüllte Aufforderung, es mal mit LSD zu probieren.

Das war und ist allerdings eine verbotene Substanz, wie einige andere Rauschmittel. Keines davon ist zu empfehlen, und eines ist sicher: diese Geldberge kann man sich weder schönsaufen noch kleinkiffen. Man kann höchstens die Augen davor verschliessen und das Stossgebet zum Himmel senden, dass der grosse Kladderadatsch hoffentlich erst in zehn, besser in zwanzig Jahren stattfindet. Das hilft aber auch nur Mitmenschen von 70 aufwärts. Jüngere müssen halt selber schauen, wie sie einer Depression entgehen.

Foto: Pixabay

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Dieter Weingardt / 27.05.2020

Schon wieder Versailles? Haben wir jetzt die Globalisierung verloren? - und tragen die Alleinschuld an deren Ausbruch? Scheitert dann auch das „nie wieder“, wenn der Euro scheitert?-und alles geht dann von vorne los? Dagobert Scholz hat ja angeblich „gut gewirtschaftet“ und noch einige der uns abgeknöpften Fantastilliarden im Geldspeicher,  Falls das nicht reichen sollte und es der Regierung in Berlin zu heiss wird, muss sie ja nicht nach Weinar, sondern kann bestimmt in Quarantäne nach Erfurt. -Also: Alles halb so schlimm.

Ralf Ehrhardt / 27.05.2020

...und genau das ist das Schöne an der EU:  “Wenn ALLE “über´s Kuckucknest” fliegen dürfen und danach NIEMAND der Wahnsinnigen dafür verantwortlich ist ! “

Bernd Große-Lordemann / 27.05.2020

Soll die Generation der potenziellen Hab/bock-Wähler doch sehen wie sie die Billionen-Schulden CO2-frei weg hüpft!? Apres les EUnuques le déluge vient quand même, prédit par Greta…..............

Andreas Müller / 27.05.2020

Hinsichtlich der Vertretung der Interessen deutscher Bürger muß man inzwischen auf ausländische Staatschefs hoffen.

RMPetersen / 27.05.2020

Wofür sind die vom Steuerzahler erpressten Multi-Milliarden gedacht? Was damit konkret bewirkt werden? Welche Projektpläne und -prüfungen gibt es? Der Verwaltungsapparat “EU-Kommission” hat überhaupt nicht die Kapazitäten, um auch nur Plausiblitätsprüfungen vorzunehmen und die Geldströme mit den erbrachten Leistungen abzugleichen. Die aus vdLs Zeit im Verteidigungsministerium bewährten Beraterschwärme werden einen erheblichen Teil der Summen abgreifen, aber auch die können nicht mehr als - sagen wir mal - 100 Mrd. € schlucken.

Gudrun Dietzel / 27.05.2020

Ich hoffe, ich erlebe den Tag, an dem all diese Flachpfeifen, die uns und vor allem unseren Kindern, die die Suppe auslöffeln müssen, das eingebrockt haben, in Handschellen abgeführt werden.

Peter Robinson / 27.05.2020

DIE VIER REITER DER APOKALYPSE: Merkel, Schäuble, Legarde und von der Leyen werden dafür Sorgen, dass Deutschland wie ein Ganz ausgenommen wird. Bundestagspräsident Schäuble verlangt gar, dass die bestehende EU-Abkommen in den Mulleimer gehören. Europa hat uns hierhin geführt. Jetzt soll mehr von dem selben und heilen. Mehr Europa. Man fasst es nicht wie schnell das gehen kann, wenn die Falschen in der Machtzentrale sitzen. GOTT STEH’ UNS BEI.

Werner Arning / 27.05.2020

Für irgendetwas müssen unsere gezahlten Steuern ja gut sein. Gut für den Franzosen, den Italiener, den Spanier, den Griechen. Wir sollen ja nicht umsonst so hart gearbeitet haben. Mit unserem Geld kauft der Grieche unsere Autos. Nur, „unser Geld“ ist wörtlich zu verstehen. Schließlich zahlen wir doch die meisten Steuern in Europa. Oder sogar in der Welt? Wie war das noch? Ist doch klar, dass dann kein Geld für eine Eigentumswohnung übrig bleibt. Die kauft stattdessen der Grieche. Dafür haben wir höhere Spareinlagen? Die holt sich der Italiener über unsere nicht mehr vorhandenen Zinsgutschriften. Was bekommt der Spanier? Er hatte so viele Corona-Tote zu beklagen. Gut, da lassen wir ein paar Milliönchen, nein Milliarden springen. Alles hat seinen Preis. Und der Franzose? Der darf alles entscheiden. Und Entscheidungen zu treffen, ist anstrengend. Da zahlen wir auch ein paar Milliarden dafür. Und wir? Wir arbeiten. Und exportieren. Und bezahlen unsere Exporte selbst. Wir hätten ohnehin keine Zeit, um die ganze erwirtschaftete Kohle auszugeben. Dafür sind „wir alten Nazis“ zumindest beliebt auf unsere alten Tage.

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