Redaktion / 07.09.2024 / 13:00 / 5 / Seite ausdrucken

Leserkommentar der Woche: Die Anamnese ist wichtiger als die Behandlung

Besonders erfreulich sind Leserkommentare, die eigentlich selbst eigene kleine Texte sind. Und damit sie nicht alle in der Menge untergehen, veröffentlichen wir an dieser Stelle regelmäßig den „Leserkommentar der Woche“.

Diesmal ist es ein Kommentare zu Jordan B. Petersons Beitrag „112-Peterson: Falsch oder Richtig“, in dem er erklärt, dass er als Therapeut nicht immer recht haben muss, sondern in erster Linie kritisch und hinterfragend sein sollte.

Ralf Pöhling schreibt:

Um zu erkennen, dass ein Patient keinen Hautkrebs sondern nur ein harmloses Muttermal hat, braucht der Therapeut nicht nur seine übliche Brille, sondern die hochauflösende Lupe. Was auf den ersten Blick oftmals klar zu sein scheint, ist es bei genauerer Betrachtung meist nicht. Man sollte eine Diagnose immer erst dann stellen und auch dann erst mit der Behandlung beginnen, wenn man sämtliche Untersuchungen korrekt abgeschlossen hat. Sonst kann das nämlich passieren, dass man jemanden gegen etwas behandelt, was er gar nicht hat. Oder umgekehrt: Wenn der Therapeut die Lupe weglässt, dann erkennt er vielleicht einen bereits wuchernden Hautkrebs nicht und tut auch nichts dagegen. Und nun noch ein kritischeres Beispiel an ein und dem selben Patienten: Nehmen wir mal an, ein Patient hat wirklich Krebs. Einen malignen Tumor am Bein, der schlecht zu erkennen ist, und ein riesiges aber harmloses Muttermal am Arm. Wenn dann die hochauflösende Lupe direkt an den Verdachtsstellen nicht zum Einsatz kommt, wird das Muttermal am Arm sinnlos weggeschnitten, während der Tumor am Bein weiter wuchert. Und dann gibt es ja noch verschiedene Formen von Krebs, was die Sache extrem verkompliziert: Nehmen wir mal an, der Patient hat zwar ein harmloses Muttermal und landet deswegen beim Therapeuten, aber auch die ganze Zeit schon Bauchschmerzen, die als harmloser Reizdarm fehlinterpretiert werden. Er wird dann vom Therapeuten als gesund bzw. ohne Befund entlassen, während ihn der Bauchspeicheldrüsenkrebs in kürzester Zeit komplett dahinrafft. Eine Behandlung ist immer nur so gut wie die Anamnese davor. Die Anamnese ist damit letztlich viel wichtiger als die Behandlung selbst. Das setzt voraus, dass man mit dem Patienten auch mal redet und ihm ganz genau zuhört, wo es weh tut, anstatt ihn andauernd nur durch die braune Sonnenbrille vom anderen Ende des Raumes zu beobachten. Wenn die Augen das Problem nicht sauber erkennen, müssen es Ohren und Verstand kompensieren.

 

Zum Hintergrund: Leserkommentare dienen nicht nur dem Gedankenaustausch, sondern ergänzen mitunter die dazugehörigen Texte um neue Aspekte und geben ein Bild der Stimmungslage. Leserkommentare sind dabei nicht repräsentativ für die Leserschaft, viele Achgut-Leser stehen beispielsweise im Berufsleben und haben gar keine Zeit oder haben Scheu, sich öffentlich zu äußern. Umso mehr freuen uns sachliche und im Ton konziliante Zuschriften, die entsprechend unserer Netiquette ruhig kritisch sein können, aber nicht verletzend sind. Die Redaktion freut sich dabei ganz besonders über Kommentare, die eigentlich selbst eigene, kleine Texte sind.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

netiquette:

W. Renner / 07.09.2024

Ich gehe nur noch zum Pathologen meines Vertrauens.

F.Lux / 07.09.2024

Genau das ist meine Erkenntnis seit den frühen Achzigern schon.Leider wird eine korrekte amnesieerhebung aber schon durch die “Minutenmedizin” verunmöglicht,mit allen hieraus sich ergebenden Konsequenzen.

Boris Kotchoubey / 07.09.2024

Ein alter Witz bestätigt, dass Diagnose wichtiger ist als Behanflung. Arzt: “Sagen Sie, Schwester, hat der Patient vor dem Tod geschwitzt?” Schwester: “Ja, Herr Doktor! Sehr stark geschwitzt sogar.” Arzt: “Das ist gut!”

T.S. Schmidt / 07.09.2024

Passend dazu meine letzten Erfahrungen mit unserem Gesundheitssystem. Die letzen drei Male, die ich es bei einem Orthopäden ,genauer Kniespezialisten, Handchirurgen und Fussspezialisten, mit meinen Beschwerden, versucht habe,war die Aussage jeweils ” wahrscheinlich ...arthrose”. Keiner der “Spezialisten” hat das entspechende Körperteil auch nur 10 Sekunden in der Hand gehabt. Auch zwei MRTs wurde keine 10 Sekunden angeschaut. Ergebnis. zwei krasse Fehldiagnosen und eine fragwürdige. Also folgt: werde selbst zum Spezialisten und suche dir eher Hilfe im Ausland für entsprechendes Geld, das man dafür extra rechtzeitig ansparen sollte.

Rainer Niersberger / 07.09.2024

Korrekt. Wichtige Teile dieser Anamnese sind Perzeption und ( Er) Kenntnis. Zur Wahrnehmung gehoeren der Wille und die Fähigkeit, die dafuer vorhandenen Mittel, biologisch und technisch, einzusetzen. Ich vermute, dass Herr Poehling unter anderem daran zweifelt, nicht nur in der Medizin. Zu Recht. In seinen Beispielen gibt es ja sogar vergleichsweise Handfestes, Sichtbares und kausal Greifbares.  Funktioniert aber trotzdem zu oft nicht. Damit sind Diagnose und Therapie falsch. In den hier, auch von Mr. Peterson behandelten Phaenomenen gestaltet es sich etwas schwieriger, mitunter komplexer und kausal komplizierter. Man ahnt oder sieht ein Problem, meistens ist es eine Ahnung, weil die Wahrnehmung ” getrübt” ist, hier in den Symptomen regelmaessig beschrieben, hat aber bereits “Schwierigkeiten” , es hinreichend deutlich zu benennen und noch groessere Probleme, den ” eigentlichen” Ursachen nachzugehen, ahnend, dass dabei Unannehmlichkeiten drohen.  Die menschlich durchaus normale Folge : Man umkurvt das Problem oder das Gehirn ” erfindet” weniger gefährliche Erklärungen. Nicht selten mit der naiven Hoffnung verbunden, der “Krebs” verschwindet von allein oder noch ” besser”, wenn ich ihn oder es nicht sehe, ist er oder es gar nicht da. Regressives Kleinkindverhalten, nicht untypisch fuer eine Gesellschaft wie diese. Zusammen ergibt es eine gurugefuehrte Blase oder Sekte, die Wahrnehmungen und Diagnosen von Aussen verhindert.

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