Roland Jeske, Gastautor / 31.03.2020 / 16:22 / 12 / Seite ausdrucken

„Leidbild statt Leitbild“

Roland Jeske ist Professor für Quantitative Methoden an der Hochschule Kempten im Allgäu. In der aktuellen Corona-Krise hat er sich wiederholt mit Offenen Briefen an politische Verantwortungsträger gewandt. Nicht als Querulant, stets hat er seine Loyalität zu den getroffenen Maßnahmen im Rahmen des verordneten Corona-Notstands betont. Aber der Prof. Dr. rer. nat. Jeske hat offenbar die Hoffnung nicht aufgegeben, dass verantwortliche Politiker auch Fachleuten zuhören, die nicht ohnehin zu ihrer Entourage gehören. Er fordert aussagekräftige Statistiken, damit es für die Entscheidungen der Verantwortungsträger überhaupt eine sachliche Grundlage gibt.

„Vernachlässigung der statistischen Grundaufgaben durch das Robert Koch-Institut, Forderung nach aussagekräftigen Statistiken, kurzfristig umzusetzender Maßnahmen-Katalog für aussagefähige Statistiken“, ist sein Offener Brief überschrieben.

„In Deutschland erscheint die Wahrnehmung der statistischen Aufgaben durch das Robert Koch-Institut allerdings deutlich überfordert zu sein, sein Präsident lieferte in den vergangenen Wochen mehrfach widersprüchliche Aussagen zur Corona-Ausbreitung in Deutschland. All diese Aussagen müssten eigentlich mit Zahlen gestützt werden. Das sind sie aber offenbar nicht, die Öffentlichkeit erhält keine zuverlässigen Zahlen vom RKI und es hat den Anschein, dass das RKI auch seinen Präsidenten selbst nicht mit den richtigen Zahlen versorgt, andernfalls würde dieser nicht binnen Tagesfrist seine „Prognosen“ ändern. Mit diesen Äußerungen seines Präsidenten verstößt das RKI nicht nur gegen jedes Leitbild der amtlichen Statistik (in seinem eigenen kommt der Begriff „amtliche Gesundheitsberichterstattung im Infektionsfall“ mit keinem Wort vor!), es gibt mit diesen amateurhaften Äußerungen auch eher ein Leidbild als ein Leitbild ab!“

Professor Jeske belässt es nicht nur bei Kritik, er stellt ganz konkrete Forderungen an die Strukturstatistiken, die endlich erstellt werden müssten:

  • Infiziertenzahlen nach Altersklassen und Geschlecht. Aus Geheimhaltungsgründen, die sich aus einem Verfassungsgerichtsurteil in Verbindung mit den Datenschutzgesetzen von Bund und Ländern sowie dem Bundesstatistik-Gesetz (BStatG) ergeben, würde ich dabei auf die Angabe „divers“ verzichten und ausschließlich eine Darstellung nach den Geschlechtern „weiblich“ und „männlich“ anregen wollen. 
  • Infiziertenzahlen je 100.000 Einwohnern, und zwar ebenfalls untergliedert nach Alter und Geschlecht.
  • Infiziertenzahlen je 100.000 Einwohnern mit stationärer Behandlung
  • Infiziertenzahlen je 100.000 Einwohner mit intentivstationärer Behandlung nach Alter und Geschlecht.
  • Letalität nach Alter und Geschlecht
  • Ergänzend sollten alle diese Daten auf Landesebenen dargestellt werden. Dabei könnte es sein, dass aufgrund der geringeren Fallzahlen noch keine validen Aussagen für Bremen und Mecklenburg-Vorpommern möglich sind. 
  • Sobald weitere Tests auf Immunität in der breiten Bevölkerung durchgeführt werden, sollten auch die positiv Getesteten nach Alter und Geschlecht dargestellt werden.

Dies sind die wahren Statistiken, die die Gesellschaft interessieren sollten. Nebenbei bemerkt hätte auch die Wirtschaft solide Daten für die Ausstiegsstrategien aus dem Shut-Down. Und Sie als politisch Handelnde sollten sich ebenfalls dafür interessieren, könnten Sie doch daran die umgesetzten oder noch umzusetzenden Maßnahmen evaluieren. 

Die vollständigen Wortmeldungen von Prof Dr. Roland Jeske finden Sie hier:

https://www.hs-kempten.de/metanavigation/personen/detailansicht.html?typo3state=persons&lsfid=1000466

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Leserpost

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Wolfgang Kaufmann / 31.03.2020

Ich werde den Verdacht nicht los, dass einzelne Länder die aktuellen Zahlen einem Fünfjahresplan entnehmen, d.h. so ungefähr den Verlauf der geschönten chinesischen Kurve nachmodellieren. Das muss keine offene Lüge sein, es kann auch durch unterschiedliche Philosophien entstehen; wer beispielsweise kein Fieber misst und keinen Virustest macht, hat auch niedrigere Infektionszahlen und mehr unverdächtige Tote durch altersbedingtes Frühableben, die vielleicht anderswo dem Virus angelastet worden wären. – Ziemlich glaubwürdig scheinen mir hingegen die logarithmischen Kurven und der tägliche Faktor: Italien 5%, Deutschland 7%, Spanien 9%, UK 14%.

Bernhard Idler / 31.03.2020

Das kommt mir arg professoral vor. Das Robert-Koch-Institut hat während der Pandemie andere Prioritäten, als möglichst detaillierte Statistiken zu produzieren. Auch sehe ich nicht, wie diese Detaillierung den “Verantwortungsträgern” helfen könnte. Hätte eine Differenzierung nach Geschlecht Konsequenzen für die Entscheidungen? Sicher nicht, damit ist sie überflüssig für die Bekämpfung der Pandemie. Rein akademisch interessante Daten sind etwas für ruhige Zeiten, in denen man sonst nichts zu tun hat.

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