David Harnasch / 16.11.2006 / 19:20 / 0 / Seite ausdrucken

Legalize it

Energiesparen kommt unter amerikanischen Konservativen in Mode – weder, weil sie sich über die Klimaveränderung besonders sorgten, noch weil sie Angst hätten, das Erdöl versiege in den nächsten Jahren. Es verbreitet sich die Erkenntnis, dass die erklärten Feinde Amerikas samt und sonders von dessen Öleinkäufen profitieren – und sei es indirekt über den hohen Ölpreis. Die Quaida wird zu wesentlichen Teilen aus saudischem Ölgeld finanziert. Die strategische Allianz mit dem Haus Saud ist ein derzeit alternativloses Überbleibsel aus Zeiten der sogenannten Realpolitik, als Amerika sich wissentlich mit den finstersten Regimen einließ, um sie unter eigenem Einfluss zu behalten und keinesfalls an die (damalige) sowjetische Gegenseite zu verlieren.
Je höher der Preis für Rohöl ist, desto selbstbewusster treten so illustre Unsympathen wie Ahmadinedschad, Chávez, Al-Assad, und Putin auf. Auch konservative Bible-Belt-Fundis haben Grund, die Abneigung gegen solche Herren über ihre (mir sehr verständliche) Liebe zum Hubraum zu stellen.

Vielleicht bildet sich aus ähnlichen Erwägungen eine Allianz zwischen kiffenden KiTa-Leitern, koksenden Karrieristen, ecstasygestählten Ravern, löschpapierlutschenden Lavalampenbesitzern und politischen Pragmatikern aller Länder und Denkrichtungen - mit der Forderung nach der Legalisierung aller Drogen.

Abgesehen von vielen gesellschaftspolitischen Gründen, die ich später noch kurz anreißen werde, existieren gewichtige sicherheits- und außenpolitische Argumente hierfür. Afghanistans Exporte bestehen zu etwa 50 % aus Opium – aus dessen Erlösen finanzieren sich die Warlords und Taliban, die leider außerhalb Kandahars praktisch überall das Sagen haben. Zwar richteten die USA 2002 das „Counter Narcotics Police of Afghanistan“ ein, dessen Erfolge sind aber bis heute marginal. Dass die amerikanische Taktik gegen den Drogenanbau und Schmuggel dauerhaft erfolglos bleibt, beweist das Beispiel Kolumbiens. Einem Bauern die Felder abzufackeln, der die Wahl zwischen relativer Armut beim Opiumanbau (bzw. in Kolumbien Kokaanbau) und totaler Armut beim Weizenanbau zugunsten seiner Familie entschieden hat, ist weder ein Weg, deren „hearts and minds“ zu gewinnen, noch sonderlich moralisch. Die westliche Welt zwingt die Bauern solcher „Narcostates“ auf zweierlei Arten zum Drogenanbau: Einerseits, indem der Preis und die Gewinnspannen durch die Illegalität des Endprodukts künstlich hochgehalten werden, andererseits indem mittels Agrarsubventionen und Zöllen die Agrarwirtschaft der ersten Welt vor ihrer Konkurrenz geschützt wird – widersinnigerweise auf Kosten der Verbraucher ebendort. Afghanistan wird in absehbarer Zeit keine TFT-Displays, Autos oder gar Finanzdienstleistungen exportieren, Bodenschätze sind (fast möchte man sagen: zum Glück, betrachtet man das Schicksal der Länder, die reich daran sind) kaum vorhanden, 67 % der Bevölkerung sind im primären Sektor tätig, und das wird sich nur sehr, sehr langsam ändern. Die fatalen Folgen der in Afghanistan vorhanden „Youth Bulge“, auf die Prof. Dr. Gunnar Heinsohn hinwies, werden gewiss nicht leichter in den Griff zu bekommen sein, wenn man der ländlichen Jugend nicht einmal eine legale – geschweige denn eine wohlstandsverheißende – wirtschaftliche Zukunft in Aussicht stellen kann.

Die Soldaten der Bundeswehr sind zur Konfliktvermeidung – noch - explizit gehalten, Drogengeschäfte nicht zu verfolgen. Aber jede Kugel und Granate, die auf sie geschossen wird, wurde in letzter Konsequenz vom ehemaligen Besitzer des Autoradios bezahlt, das ein europäischer oder amerikanischer Heroinabhängiger soeben gegen eine Dosis seiner Droge eintauschte.

Der wichtigste gesellschaftspolitische Grund gegen irgendwelche Drogenverbote ist meines Erachtens die zutiefst liberale Überzeugung, dass solcherlei den Staat schlicht nichts angeht. Es ist Aufgabe des Staats, mich vor Dritten zu schützen, nicht aber vor mir selbst – Suizid, auch auf Raten, ist Privatvergnügen.
Die gesetzliche Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Drogen ist aus medizinischer Sicht vollkommen willkürlich – ein Alkoholentzug ist kein Robinsonclub, während noch niemand nach seiner letzten Tüte ins Delirium Tremens fiel.

Kokain macht unsympathisch, aber von diesem Charakterzug lebt Dieter Bolen in großem Wohlstand (wobei er sicher ein Naturtalent ist).
Die meisten Heroinopfer sterben entweder am Dreck, mit dem ihr Heroin verdünnt ist, oder an einer Überdosis des Wirkstoffs, weil eben nicht genug Dreck im Heroin war, oder an den Folgeerscheinungen des Elends, in das die Sucht nach dieser ausschließlich wegen ihrer Illegalität teuren Droge sie trieb. Es gibt keinen Grund, warum Heroin in der industriellen, klinisch sauberen Herstellung teuerer sein sollte, als das chemisch eng verwandte Codein. 30 Milliliter Codipront kosten etwa 15 Euro. Und davon hat der Apotheker bereits Haus und Porsche bezahlt.

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