Thilo Schneider / 25.02.2025 / 12:00 / Foto: Montage achgut.com / 104 / Seite ausdrucken

Lebewohl, FDP!

Die FDP hat zwar nicht viele Wähler, aber die, die sie hat, sind intelligent, und sie vergeben und vergessen nicht. Ich darf das sagen, denn ich war langjähriges Mitglied, und wenn es so etwas wie einen FDP-Stammwähler gibt, dann bin ich das.

Die Stimmung im Hans-Dietrich-Genscher-Haus dürfte aktuell, gelinde gesagt, etwas gedrückt sein. Zum zweiten Mal in ihrer Geschichte ist die FDP achtkantig aus dem Bundestag geflogen. Wegen Lindner und trotz und auch wegen Kubicki. Im Nachhinein werden sie auch bei der FDP wissen, „woran es gelegen hat“. Der Hauptgrund wird aber wie stets, übersehen werden: Die FDP hat zwar nicht viele Wähler, nie gehabt, aber die, die sie hat, sind intelligent und sie vergeben nicht und sie vergessen nicht.

Ich darf das sagen, ich war lange genug selbst Mitglied, und wenn es so etwas wie einen FDP-Stammwähler gibt, dann bin ich das. Ich habe FDP schon gewählt, da war Kohl noch Kanzler. Gschicht'n aus'm Krieg. Ich fand die Grundeinstellung: „Egal wie, Hauptsache Dienstwagen“ als junger Mann so ziemlich das ehrlichste Statement, das eine Partei unterschwellig von sich geben konnte. Aber man wird ja auch älter und Elter und interessiert sich mehr und mehr für die Menschen, von denen man sich nach freien, geheimen und demokratischen Wahlen das Geld aus der Tasche ziehen lassen darf.

Ich bin 2013 in die FDP eingetreten, ich dachte, nach dem ersten Abflug hätten sie es kapiert. Ich mochte Lindner und Baer und deren Eloquenz, und sie haben vieles richtig gesagt und 2017 dann auch richtig gemacht. Und 2021 dann so gründlich versemmelt, dass ich weit und lang und breit niemanden sehe, der nicht nur der FDP, sondern auch ihren Ex-Wählern klarmachen könnte, dass die FDP endlich begriffen hat, wer ihre Wähler sind und was sie diesen schulden.

Das Elend begann mit dem Eintritt in die Ampel

Die FDP ist keine Akademiker-Partei, auch wenn sie sich gerne so sehen möchte. Der klassische FDP-Wähler ist ein Liberal-Konservativer, der einfach nur in Ruhe und vom Staat unbehelligt seinen Kram machen will. Der will sich sein Häuschen bauen, Fleisch essen und das Auto seiner Wahl fahren und fände es nett, den Stadtpark ohne Stichweste besuchen zu können. Das ist im Vergleich zu anderen Partei-Wählern nicht so viel verlangt, die es, wie beispielsweise bei den Grünen, unter Weltrettung und Siegfrieden über Russland nicht tun.

Aber gut, ich helfe, wo ich kann: Das Elend begann mit dem Eintritt in die Ampel. Und der Ernennung von Wissing zum Generalsekretär. Einem blassen, farblosen Bürokraten, dessen zweiter Satz die Aussage „der Staat kann vieles besser als die freie Wirtschaft“ war. Spätestens da hätte Lindner schon reagieren müssen, aber Wissing war die Schnecke, die ihm die Schleimspur zu den Herzen von SPD und Grünen legen sollte.

Danach ging so ziemlich alles schief, und der Platz genügt hier nicht, um all die Mätzchen aufzuführen, die die FDP in der Ampel lieferte. Es war abzusehen, dass der viel zu spät erfolgte Koalitionsbruch die FDP nicht oder nur retten würde, wenn sie sich endlich wie die bürgerliche Partei verhalten, die sie sein sollten. Stattdessen führt die „Partei der Freiheit“ in ihren Reihen Personal wie Franziska Brandmann, die mit der lustigen Sozialvernichtungsagentur „So done“ das Internet nach schlimmen Beleidigungen im Internet durchforstet und kosten- und selbstlos für den Beleidiger zur Anzeige bringt.

Warum blieben FDPler der Abstimmung fern?

Friedrich Merz hatte nach Aschaffenburg der FDP mit der Abstimmung über das „Zustrombegrenzungsgesetz“ eine goldene Brücke gebaut, über die sie nur hätten gehen müssen, um als bürgerliche Partei wieder wahrgenommen zu werden. Und was macht die FDP? Sie taucht weg. Vielleicht hätte Merz in Neonbuchstaben „Abstimmung zur Rettung der FDP im Bundestag“ nageln sollen!

Ich habe ein wenig zu den fehlenden FDP-Abgeordneten am Tag der Abstimmung recherchiert. Genau gesagt, habe ich die zu Hause gebliebenen Abgeordneten angeschrieben. Von vierzehn Abgeordneten (Buschmann war leider sehr, also ganz schlimm, wirklich, der war echt krank und der Aschaffenburger FDP-Abgeordnete Karsten Klein war Gastgeber von lecker Sektempfang zu Neujahr) haben ganze zwei geantwortet: Renata Alt, die auf Anraten ihres Arztes gesundheitsbedingt fernbleiben musste – aber FÜR das Zustrombegrenzugsgesetz gestimmt hätte und, tatsächlich, Konstantin Kuhle, der bewusst ferngeblieben ist, da er dem Zustrombegrenzungsgesetz (was für ein Wortungetüm) in seiner damaligen Form nicht zustimmen wollte.

Die weiteren zwölf FDP-Abgeordneten haben meine Anfrage schlicht ignoriert. Wo also waren sie, die Nicht-zur-Abstimmung-Gekommenen? Ohne groß zu recherchieren, halten wir fest:

Abel Valentin: Man weiß es nicht, man weiß es nicht.

Alt, Renata: Erkrankt.

Dr. Brandenburg, Jens: Zumindest auf X war er voll da.

Buschmann, Marko: Erkrankt (aber sehr twitterfähig!).

Hacker, Thomas: Falls er am 31.01. krank war – am 2.2. war er zum Neujahrsempfang in Erhating wieder fit. Wäre also nichts Ernstes gewesen. Gottseidank.

Helling-Plahr, Katrin: Ist laut „Abgeordnetenwatch“ in Mutterschaft und stimmt außerdem prinzipiell nicht mit der AfD. Jetzt mehr Zeit fürs Kind.

Höferlin, Manuel: Oh, das war anscheinend ausgerechnet an diesem Tag schlecht. Keine Ahnung, wo er war.

Dr. Hofmann, Christoph: Kein Eintrag des eifrigen Facebookers zwischen 24.1. und 2.2. Vielleicht war er im Urlaub? Den hat er dann jetzt wieder.

Dr. Jurisch, Ann Veruschka: Sie postete aus Konstanz, wo sie hingehört und jetzt auch bleiben wird.

Dr. Köhler, Lukas: Tja. Antwortet wohl nicht ohne seinen Anwalt. Weder auf E-Mails, noch auf „Abgeordnetenwatch“. Hat sich erledigt, Herr Dr. Köhler.

Kuhle, Konstantin: Absichtlich nicht da.

Schröder, Ria: Wo war sie? Das weiß nur sie. Verrät sie aber nicht. Hatte aber ein paar Tage später für „Party in Hamburg“ Zeit. Man muss auch gönnen können!

Prof. Dr. Seiter, Stephan : Wollte lieber nicht dabei sein.

Vogel, Johannes: Musste leider in Heppenheim einen Vortrag halten, wie er die Rente retten will.

Westig, Nicole: Konnte laut „Abgeordnetenwatch“ wegen einer „lange vereinbarten familiären Verpflichtung“ nicht dabei sein. Hoffentlich war es keine Beerdigung, sondern ein freudiges Ereignis.

Diese Leute da oben sind die endgültigen Totengräber der FDP und haben jetzt viel Zeit, um über sich und das weitere Schicksal ihrer Fraktionsangestellten nachzudenken. Zur Rettung der FDP hat sich jetzt bereits Marie Agnes Strack-Zimmermann in Angriffsstellung gebracht. Das ist ähnlich charmant wie ein Organhändler, der sich als Chefchirurg ins Gespräch bringt.

Tja, FDP: So done. So what?

(Weitere Nachrufe und Vorhersagen des Autors unter http://www.politticker.de

 

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

Foto: Montage achgut.com

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Leserpost

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Klara Altmann / 25.02.2025

“Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.” Wer allerdings um Jahrzehnte zu spät ist… Seit wann steht die FDP nicht mehr wirklich für die Werte, die sie propagiert? Genscher war für mich der letzte glaubwürdige Liberale, danach kam nichts mehr. Wie man man das erst 2025 bemerken kann, ist mir ein echtes Rätsel. Genscher schied 1992 aus der letzten Bundesregierung aus. Und danach kam…Westerwelle….Lindner….und das große Nichts. Es gibt wirklich nichts, worüber man sich heute noch aufregen muss, wer diese Partei in diesem Jahrtausend je gewählt hat, der ist schlicht selbst schuld.

SHolder / 25.02.2025

Ich denke einen ähnlichen wenn nicht sogar gleichlautenden Nachruf werden wir in 2-4 Jahren auch über die Union lesen können.

Thomas Hechinger / 25.02.2025

„Das ist ähnlich charmant wie ein Organhändler, der sich als Chefchirurg ins Gespräch bringt.“ Zum Schluß Ihres bitterbösen deprimierenden Artikels haben Sie mich doch noch zum Lachen gebracht, lieber Herr Schneider. Ich selbst komme aus einem katholischen Elternhaus. Für mich war es selbstverständlich, CDU zu wählen, im Unterschied zu vielen Altersgenossen, die eher links tickten. „Wer mit zwanzig kein Sozialist ist, hat kein Herz, wer es mit vierzig immer noch nicht ist, keinen Verstand“, heißt es in einem bekannten Spruch. Nun, dann hatte ich eben kein Herz, aber immer schon Verstand. In Kohls letzten Jahren fehlte mir bei der Union der Antrieb und die Reformbereitschaft, so daß ich 1998 zum ersten Mal mit meiner Zweitstimme die FDP gewählt habe, mit der Erststimme blieb ich bei der CDU. Das habe ich dann eine Reihe von Bundestagswahlen so gemacht. Und ich wurde zum überzeugten FDP-Wähler. Guido Westerwelle hat mir anfangs sehr gut gefallen. Und daß die linke Presse ihn lächerlich machen wollte und über ihn herfiel, hat mir nur gezeigt, daß ich richtig liege. Leider hat er beim Regierungseintritt 2009 alles falsch gemacht. Er hat auf seinen Mentor Genscher gehört und das Außenministerium übernommen. Besser, er wäre Wirtschaftsminister geworden, um zumindest einen Teil seiner Versprechungen umsetzen zu können. So lieferte die FDP nicht und flog 2013 unter tätiger Mithilfe der linken Medien aus dem Bundestag. Auch meine FDP-Stimme konnte das nicht verhindern. 2017 hätte ich beinahe wieder FDP gewählt. Inzwischen aber hatten wir das Jahr 2015 erlebt. Als ich zusätzlich wahrnahm, daß es da eine neue Partei mit migrationskritischem Kurs gibt, der man unter fadenscheinigen Gründen Verträge für Hallen, in denen Wahlveranstaltungen abgehalten werden sollten, kündigte und die man nach allen Regeln der Kunst in ihren Wirkmöglichkeiten behinderte, wurde ich hellhörig. Den Ausschlag gab eine verlogene ZDF-Wahlsendung. Sie hat mich zum AfD-Wähler gemacht.

Ulla Schneider / 25.02.2025

Da fällt mir nur mein legendär benutzter Satz in der Oberstufe ein:“In Kiel habense mal einen Matrosen erschossen, der hatte keine Ausrede!”

H. Hoffmeister / 25.02.2025

Die FDP besteht aus Leuten, die ausschließlich an ihrer Nutzenoptimierung interessiert sind und sonst nichts. Dies gilt zwar für das gesamte Altparteienkartell, ist aber für eine kleine Partei die in der Nähe der 5%-Hürde agiert hat, keinen einzigen ihrer marktliberal-freiheitlichen Kernsätze mehr fehlerfrei rezitieren konnte und damit ihre Kernwählerschaft betrogen hat, mit Bedeutungslosigkeit quittiert worden. Union und SPD haben noch viele des Denkens müde gewordene Gewohnheitswähler, die ausgereicht haben, beide Parteien über die Ziellinie zu bringen. Das Ergebnis ist ein grünwokes Regierungsbündnis ohne Grüne, die aber als Chefs vom Spielfeldrand die Tagesbefehle erteilen. Bis eben alles am Boden liegt.

Wiebke Jung / 25.02.2025

Sehr geehrter Herr Schneider, Mein Vater war schon in den 60 Jahren in Schleswig Holstein im Vorstand der FDP. Erich Mende war häufig zu Gast bei uns. Ich selber bin mittlerweile bald 80 und habe bis vor 3 Jahren der FDP die Stange gehalten. Nun ist es endgültig vorbei, Dieses Mal habe ich die Partei gewählt, der ich wie 20% der Deutschen nur noch zutraue, uns aus diesem Schlamassel zu ziehen. Wiebke Jung

Sabine Heinrich / 25.02.2025

Intelligente FDP-Wähler? Ich lach’ mich schlapp - um mich einfach mal so plump auszudrücken. - Jedem halbwegs intelligenten Stimmberechtigten, der sich nicht durch die Mainstreammedien hat verblöden lassen, musste doch schon vor Jahren, Jahrzehnten klar geworden sein, dass die FDP eigentlich PDW (Partei Der Wetterhähne) heißen müsste - die sich stets darin gefallen hat, Zünglein an der Waage zu spielen - und sich immer an die jeweils Mächtigen angekuschelt hat.- Ich könnte mich auch viel direkter ausdrücken - aber das verbietet mir meine gute Erziehung. Gut, dass sie nun weg ist! - Kann ich mich hier demnächst auf Berichte über Frau Strack- Zimmermanns persönlichen Einsatz an vorderster Ukrainefront freuen? Sicher opfert sie sich gern für die Ziele des größenwahnsinnigen Schauspielers S., der vermutlich nicht einmal weiß, wie man ein Katapult bedient - aber in seinem Größenwahn -zigtausende Menschen in den Tod geschickt hat. Wie viele wohl allein heute gestorben sind?

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