Von Okko tom Brok.
Die Menschen im "Silo" bleiben in ihrem unterirdischen Käfig, weil sie glauben, dass draußen der sichere Tod wartet. In Deutschland glaubt immer noch mancher, dass ein warmer Sommer gleich das Ende der Welt bedeutet.
Mögen Sie Science-Fiction-Filme? Als Kind der optimistischen, technologiefreundlichen 70er Jahre habe ich sie regelrecht „verschlungen“. Meine Lieblingsserie war seinerzeit „Raumschiff Enterprise“ (Original-Titel „Star Trek“), eine Endlos-Serie, in der Männer in bunten „schlafanzugähnlichen“ Uniformen jede kosmische Herausforderung meisterten und dabei mit beeindruckendem Technologie-Kauderwelsch um sich warfen. Die Frauen der USS Enterprise gefielen in ihren sexy Miniröcken, ohne dass damals darin ein Skandal ge(t)wittert wurde. Und an jedem Samstagabend gab es einen neuen aufregenden Science-Fiction-Spielfilm, wie etwa den Klassiker Soylent Green, ein dystopischer Streifen aus dem Jahr 1973, basierend auf dem Roman Make Room! Make Room! von Harry Harrison, welcher Umweltzerstörung und Ressourcenknappheit in einer Zukunft des Jahres 2022 (!) schildert.
Damit war das Thema vieler weiterer dystopischer Filme dieses Genres von Mad Max (1979) bis Book of Eli (2010) gesetzt: eine menschengemachte Umweltkatastrophe, die zu drastischen Einschränkungen der Freiheit und der Versorgungssicherheit der Menschheit führt. Auf den ersten Blick fällt auch die neue Fernsehserie Silo in diese Kategorie, deren letzte Folge aus Staffel 2 gerade im Januar 2025 auf Apple TV+ ausgestrahlt wurde.
In der Apple-TV-Serie Silo lebt eine Gesellschaft tief unter der Erde in einem gigantischen Beton-Bunker, abgeschottet von einer vermeintlich lebensfeindlichen, vergifteten Außenwelt, deren wahre Natur niemand mehr kennt. Alle Überbleibsel und Erinnerungsstücke der Alten Welt gelten als sog. relics, und ihr Besitz ist illegal und führt zu drakonischen Strafen. Informationen werden streng kontrolliert, jede Abweichung vom offiziellen Narrativ wird bestraft, und selbst das Fragenstellen kann tödlich sein. “Why are questions more dangerous than answers?”, fragt eine der Serienfiguren, Sheriff Holston Becker, kurz bevor er aus dem Silo “ausgebürgert“ wird.
Die Menschen im Silo leben in einer technokratisch-bürokratischen Ordnung, in der sie ihren Platz kennen – oder besser: zugewiesen bekommen. Doch während sich die Handlung um die Suche nach Wahrheit und Freiheit dreht, drängt sich dem Zuschauer eine unbequeme Frage auf: Ist das dystopische Silo wirklich so weit von unserer Realität entfernt?
Die Bundesrepublik Deutschland, einst ein Vorbild für politische Stabilität, Meinungsfreiheit und wirtschaftliche Stärke, wirkt ebenfalls zunehmend wie eine Gesellschaft, die sich selbst einmauert – nicht physisch, aber mental, ideologisch und strukturell. Die Parallelen zu Silo sind frappierend: Eine permanente Angsterzählung, systematische Desinformation, eine zunehmende Kontrolle über die Bevölkerung und die Unterdrückung abweichender Meinungen prägen das Bild.
Krankheitsangst und Klimapanik – Der Schutzschild des Systems
In Silo ist die Vorstellung von der giftigen Außenwelt das zentrale Herrschaftsinstrument. Das zentrale, gebetsmühlenartig wiederholte „Credo“ der Silo-Welt lautet: “We do not know why we are here. We do not know who built the Silo. We do not know why everything outside the Silo is as it is. We only know that here is safe and there is not.” ("Wir wissen nicht, warum wir hier sind. Wir wissen nicht, wer das Silo gebaut hat. Wir wissen nicht, warum außerhalb des Silos alles so ist, wie es ist. Wir wissen nur, dass es hier sicher ist und dort nicht.")
Wer das Silo verlassen will, stirbt angeblich sofort. Mehrere Charaktere der Serie probieren es dennoch, allen voran die Heldin der Geschichte, Juliette Nichols, die zur Strafe für ihr Rebellentum ausgeschlossen und zum sog. „Cleaning“ verurteilt wird. Cleaning (Reinigung) ist der euphemistische terminus technicus für die Ausweisung eines Oppositionellen aus der Beton-Unterwelt des Silo. Den Delinquenten wird dabei regelmäßig ein letzter patriotischer Dienst abverlangt, die Außenkameras des Silo von Staub und Schutt zu reinigen, um den etwa 10.000 Bewohnern der Silo-Unterwelt eine „klare Sicht“ auf die vermeintlich zerstöre Außenwelt zu erlauben. Doch die auf niedrigem Niveau zu einem hohen Preis stabilisierte Gesellschaft des Silo hat einen erbitterten Feind: truth, die Wahrheit. Immer wieder schimmert er während der Serie auf, der bohrende Zweifel, what if everything you know to be true was just one big lie („was, wenn alles, was du jemals für wahr gehalten hast, sich als Lüge entpuppen würde?“).
Ähnlich wurde in Deutschland wie in vielen westlichen Ländern der Welt in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten eine Atmosphäre der Dauerkrise etabliert, die jede Diskussion über Verhältnismäßigkeit erstickt. Ob Corona-Panik oder Klimakatastrophe – wer die offiziellen Narrative infrage stellt, wird als „Leugner“ diffamiert und sozial isoliert. Kritische Fragen sind unerwünscht, kritische Journalisten wurden und werden aus der Bundespressekonferenz ausgeschlossen.
Die Parallele zur Serie ist offensichtlich: Die Menschen im Silo bleiben in ihrem unterirdischen Käfig, weil sie glauben, dass draußen der sichere Tod wartet. In Deutschland glaubt immer noch mancher, dass ohne Maskenzwang das Gesundheitssystem kollabiert oder dass ein warmer Sommer gleich das Ende der Welt bedeutet. Statt rationale Debatten zu führen, regiert der Alarmismus.
Digitale Überwachung und die Kontrolle über die Wirklichkeit
Das Silo-Regime setzt auf totale Überwachung: Kameras sind überall, Gespräche werden aufgezeichnet, und der Informationsfluss ist zentral gesteuert. Die Bevölkerung kennt nur das, was die Herrschenden für wahr erklären. Die Justiz ist gleichgeschaltet, und die Sicherheitsorgane der schwer bewaffneten Abteilung „Judicial“ sind dem arroganten, skrupellosen Bürgermeister Bernard Holland unterstellt und haben nur eine einzige Funktion: Einschüchterung. Ein Schelm, wer hier an Zustände im Deutschland der Gegenwart denkt!
Aber auch in Deutschland schreitet die digitale Kontrolle voran. Eine Bargeldabschaffung wird diskutiert, Überwachungssoftware auf Smartphones war während der Corona-Zeit plötzlich denkbar, und wer sich „falsch“ äußert, kann schnell von Social-Media-Plattformen entfernt werden. In Silo sind die Monitore in den Wohnungen allgegenwärtig – in der Realität übernehmen das Smartphones, smarte Haushaltsgeräte und die algorithmisch gesteuerte Informationsfilterung durch Tech-Konzerne.
Die Lüge als Fundament der Stabilität
In Silo basiert das gesamte System auf einer zentralen Lüge: Die Außenwelt ist nicht zwingend tödlich, aber dieses Wissen würde das System destabilisieren. Die Wahrheit darf nicht ans Licht kommen, weil sie die bestehende Ordnung infrage stellt.
Auch in Deutschland scheint die Politik zunehmend auf narratives Denken statt auf faktenbasierte Entscheidungsfindung zu setzen. Wer sich mit den realen wirtschaftlichen Konsequenzen der Energiewende beschäftigt, wird als „Klimasünder“ verunglimpft. Wer Statistiken zur Migrationskrise zitiert, gilt als „rechtsradikal“. Die Wahrheit wird nicht widerlegt, sondern delegitimiert. Unangenehme Erkenntnisse werden als „nicht hilfreich“ disqualifiziert.
Ausschluss von Kritik und die Selbstzerstörung der Gesellschaft
In Silo reicht es, ein Tabu zu brechen, um verhaftet oder beseitigt zu werden. Kritik am System ist gleichbedeutend mit Verrat. Die einzig mögliche Bestrafung ist die Ausweisung, das bereits angesprochene „Cleaning“, ein Begriff, der sicherlich nicht nur zufällig an die stalinistischen Säuberungen in der Sowjetunion erinnert.
In Deutschland sieht es zwar (noch) nicht so drastisch aus, aber das Prinzip ist ähnlich: Wer sich gegen die etablierten Narrative stellt, wird zum Außenseiter. Wissenschaftler, die während der Corona-Pandemie für Verhältnismäßigkeit plädierten, wurden als „Schwurbler“ diskreditiert oder entlassen. Bürger, die eine offene Debatte über Migration fordern, werden als „Rechte“ diffamiert. Selbst liberale Medien, die noch vor Jahren als maßvoll galten, geraten ins Visier, wenn sie die falschen Fragen stellen.
Die Cancel Culture, die in Deutschland mittlerweile politische Karrieren, akademische Laufbahnen und selbst private Existenzen vernichten kann, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass Kritik nicht mehr als unentbehrlicher Bestandteil der demokratischen Debattenkultur, sondern als Gefahr für das System gesehen wird.
Leben wir bereits im Silo?
Die Parallelen zwischen Silo und Deutschland sind bedrückend. Natürlich ist die Bundesrepublik noch kein totalitäres Regime. Es gibt immer noch Wahlen, immer noch oppositionelle Stimmen, immer noch kritische Journalisten. Aber die Mechanismen, die in Silo zur totalen Kontrolle führen, sind bereits vorhanden: eine ständige Krisenrhetorik, digitale Überwachung, die Kontrolle über den öffentlichen Diskurs und die Marginalisierung kritischer Stimmen.
Die entscheidende Frage ist: Haben wir die Kraft, das Silo-Narrativ zu durchbrechen? Die Menschen in der Serie brauchten eine Heldin, die bereit war, den Preis für die Wahrheit zu zahlen. In der Realität sind es keine Einzelkämpfer, sondern mündige Bürger, die ihre Rechte verteidigen müssen. Noch gibt es Hoffnung – aber nur, wenn wir nicht vergessen, dass auch das größte Silo letztlich nur aus den Ängsten seiner Bewohner gebaut ist.
Der Autor ist Lehrer an einem niedersächsischen Gymnasium und schreibt hier unter einem Pseudonym.