Thomas Rietzschel / 23.10.2024 / 10:00 / Foto: Unbekannt / 29 / Seite ausdrucken

Laster mit Stromanschluss – zwei Millionen Euro pro Fahrt

Auf einem zwölf Kilometer-Abschnitt der A5 zwischen Darmstadt und Frankfurt können Laster mit Strom fahren. Der Versuch hat bis jetzt 56 Millionen Euro gekostet, teilgenommen haben elf E-Laster, jede einzelne Fahrt hat zwei Millionen Euro verschlungen.

Die Älteren unter uns mögen sich erinnern. Früher verkehrten in vielen Städten die sogenannten O-Busse (Oben ein Bild aus Paris im Jahr 1900) Über den Straßen verliefen Stromleitungen, an die sich die Busse mit einer ausfahrbaren Gabel andockten. Unter Strom fuhren sie dann abgasfrei und fast geräuschlos. Ihr Radius war jedoch beschränkt. Nur dort, wo es Stromtrassen gab, konnten sie verkehren und seitlich nicht weiter ausschwenken, als es die Länge der Gabel erlaubte.

Heute sind die O-Busse aus dem öffentlichen Nahverkehr fast überall verschwunden. Nur wenige Städte wollen davon nicht lassen, Salzburg zum Beispiel. Für die meisten jedoch ging die Rechnung nicht auf. Der Strom war teurer als der Diesel, die Flexibilität der Fahrzeuge durch die Abhängigkeit von den Oberleitungen eingeschränkt. Auch konnte die O-Busse im Vergleich zu den Straßenbahnen weniger Fahrgäste befördern. Der Unterhalt des Oberleitungsnetzes kostete mehr, als die Busse einfuhren. Außerhalb der Städte konnten sie nicht verkehren, das gilt ebenso für Trambahnen. Nur sind diese dank der reservierten Fahrspuren weniger vom allgemeinen Straßenverkehr abhängig. Wo die Autos im Stau stehen, kann die Tram flott überholen. 

Masten mit Auslegern, an denen Stromkabel hängen

Nicht um zu überholen, nur um dem grünen Dogma zu gehorchen, will man in Hessen jetzt zurück ins Oberleitungszeitalter. Auf einem inzwischen zwölf Kilometer langen Teilstück der A5 zwischen Darmstadt und Frankfurt stehen nun wieder Masten mit Auslegern, an denen Stromkabel hängen. LKW sollen sich andocken und als Stromer fahren. 2019 wurde das Projekt gestartet. Um das Angebot nutzen zu können, müssen die Sattelschlepper technisch vorbereitet werden. Wie die Straßenbahnen benötigen sie eine Ziehharmonika auf dem Dach, die der Fahrer ausfahren muss, um Strom von der Oberleitung abzugreifen. Kaum ein Transportunternehmen wollte sich bisher zu dieser Investition überreden lassen. 

Wann immer ich das verkabelte Autobahnstück bisher passiert habe, noch nie bin ich an einem E-Laster vorbeigefahren. Folgerichtig hat der Bund der Steuerzahler in seinem neuen Schwarzbuch das Ganze als eine horrende Verschwendung von Steuergeldern gebrandmarkt. Die Kosten des Experiments belaufen sich bis dato auf 56 Millionen Euro. Jede Fahrt eines der elf LKW, die seither auf der zwölf Kilometer langen Teststrecke elektrisch unterwegs waren, kostete rein rechnerisch über zwei Millionen Euro, ungeachtet der laufenden Kosten von jährlich 400.000 Euro. Allein für die „wissenschaftliche Betreuung“ durch die Hochschule Darmstadt waren schon 3,5 Millionen fällig. 

Nun ist die Einführung einer technischen Neuerung in die Praxis immer ein teures Unterfangen. Von daher ist gegen den Versuch, Elektroenergie für die Nutzung von Schwerlast-Transporten einzusetzen, zunächst nichts einzuwenden. Nur wenn sich dabei herausstellt, dass sich das Ganze nicht rechnet, würde jeder halbwegs vernünftige Planer den Versuch abbrechen, das Handtuch werfen, ehe ihm die Kosten davonlaufen. Das Scheitern gehört zum Versuch. Weshalb sonst spräche man von einem „Test“. Der Bund jedoch hat 2022 weitere 22 Millionen investiert, um die Teststrecke um sieben Kilometer zu verlängern. Als ob man die Akzeptanz des E-Highways durch die Spediteure erzwingen könnte und ein ähnliches Projekt in Schleswig-Holstein nicht schon abgeblasen worden wäre.  

Schlechte Aussichten für die Klimabilanz und das Transportgewerbe

Nur um nicht klein beizugeben, werden Millionen um Millionen verschwendet, obwohl von Anfang klar war, dass eine Elektrifizierung des gesamten deutschen Autobahnnetzes – 13.200 Kilometer – weder finanzierbar noch sinnvoll wäre. Würden doch beim Aufbau tausender Masten bereits mehr Treibhausgase freigesetzt, als nachher einzusparen wären. Schlechte Aussichten sowohl für die Klimabilanz als auch für das Transportgewerbe. Was die Unternehmen, die sich auf den Versuch einließen, durch den elektrischen Betrieb einsparten, liegt unter dem messbaren Bereich. Selbst wenn man bedenkt, dass während der Fahrt die Batterien für den E-Laster aufgeladen werden, ist in Rechnung zu stellen: Die Nutzlast der Fahrzeuge wird durch die Aufnahme der neuen Technik so reduziert, dass eine wirtschaftliche Auslastung der Fahrzeuge nicht mehr möglich ist, zumal sie weiter auf den Dieselmotor angewiesen sind, wollen sie nicht nach der Abfahrt von der elektrifizierten Autobahn am Straßenrand liegen bleiben.

Nach der alten Devise der Sozialisten „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“ werden nun bis 2025 weiter Millionen um Millionen vergeudet. Was am Ende bleibt, ist eine befahrbare Investitionsruine, ein Denkmal der Steuerverschwendung und des grünen Dogmatismus. Mag unten der Straßenbelag bröckeln, weil die Mittel zur Sanierung fehlen, oben drüber wird Kurs gehalten.

 

Dr. Thomas Rietzschel, geboren 1951 bei Dresden, Dr. phil, verließ die DDR mit einer Einladung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. Er war Kulturkorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung FAZ und lebt heute wieder als freier Autor in der Nähe von Frankfurt. Verstörend für den Zeitgeist wirkte sein 2012 erschienenes Buch „Die Stunde der Dilettanten“. Henryk M. Broder schrieb damals: „Thomas Rietzschel ist ein renitenter Einzelgänger, dem Gleichstrom der Republik um einige Nasenlängen voraus.“ Die Fortsetzung der Verstörung folgte 2014 mit dem Buch „Geplünderte Demokratie“. Auf Achgut.com kommt immer Neues hinzu.  

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Wolfgang Richter / 23.10.2024

Diese Oberleitungsfzge. gab es als Busse vor ewigen Jahren in diversen deutschen Städten. Hätte man kaum abgeschafft und gegen Verbrenner getauscht, wenn das Prinzip so was vvon toll gewesen wäre. Für die Zahlung von “jede einzelne Fahrt hat zwei Millionen Euro verschlungen.” würde ich auch irgendwelche Transporte übenehmen. Wo kann man sich bewerben, zB alternativ als entsprechender Lieferant? Dafür würde ich sogar eines dieser dämlichen E-Fahrräder mit Holzkiste vorne dran kaufen.,

Karl Vogel / 23.10.2024

Diese Straße diente schon den Nazis als Teststrecke für ihre Prestige-Projekte, Caracciola auf Mercedes-Benz erreichte dabei 432,7 km/h, der Rennfahrer Rosemeyer auf Auto-Union verlor allerdings sein Leben.

Torsten Hopp / 23.10.2024

Nichts gegen Experimente. Aber kein Geld für offensichtlichen Schwachsinn. Gerne nehmen die Universitäten den Vollidioten die Kohle für sinnlose Forschungsprojekte ab. Mal schauen, wann die Schwerlasttransporter elektrisch fliegen sollen.

Gerard Döring / 23.10.2024

Als ich das letzte Mal die Strecke Richtung Schweiz fuhr, hatte ich vorher noch gar nichts davon gewusst.Ich gebe zu, das ich zunächst überrascht war und es mir nicht gleich erklären konnte. Im Hinterkopf habe ich aber schon etwas geahnt und dachte mir “die werden doch wohl nicht”.Weil keine Schienen vorhanden waren dachte ich an Gondeln zur Personenbeförderung.. Alle paar Meter so ein riesen Mast, die sind ja verrückt geworden. Hätten sie doch lieber Pyramiden errichtet,die sollen ja die Völker zusammengeführt haben und es ergäbe mehr Sinn.

Karl Dreher / 23.10.2024

“Nur wenn sich dabei herausstellt, daß sich das Ganze nicht rechnet, würde jeder halbwegs vernünftige Planer den Versuch abbrechen, ... , ehe ihm die Kosten davonlaufen”. Nach meiner Wahrnehmung gilt das nicht für Politiker. Die Dresdner Verkehrsversuche mit grünem Amtsbürgermeister sind in meiner Wahrnehmung absolut negativ beispielhaft: Die berühmte alte Elbbrücke “Blaues Wunder” (verkehrswichtig) mit vom grünen Baubürgermeister (seine fachliche Kompetenz erkenne ich nicht) verändert: Versuchsweise Radwegeplanung mit die KfZ-Spuren im Brückenbereich querenden Wegen, quälender Ampelschaltung (Folge: Wartezeiten von einer Stunde) führten zu einem vorzeitigen Versuchsabbruch durch den FDP-Oberbürgermeister (es standen Kommunalwahlen an). Ein weiteres Beispiel für höchst sträfliche Vernachlässigung von Substanzerhalt sehe ich im Einsturz der Dresdner Carolabrücke - einem sehr wichtigen Bauwerk. Allen Bürger in Städten mit Flußquerungen (einschließlich Pendlern) erschließt sich die Bedeutung solcher Brückenbauwerke unschwer. Ich lese jetzt in der Presse, welch’ fachplanerische Warnungen im Rahmen der regelmäßigen Überprüfungen es schon viele Jahre vor dem Einsturz mit den politisch unterschiedlichsten Verantwortlichen gegeben hat (der Leser mag recherchieren, bin mir unklar, ob ich Berichte bekannter Medien zitieren darf, ohne verklagt zu werden). Im Saldo befürchte ich verallgemeinernd: Deutschland lebt seit vielen (längst auch schon vor “Merkel-Jahren”) von seiner Substanz. Besserung sehe ich nicht in Sicht, weil strukturell nachhaltige generationengerecht ausgerichtete realistische Gesellschafts-, Wirtschafts-, Sozialpolitik (man frage dazu Prof. Dr. Lucke) stets daran scheitert, daß Politiker zuerst an sich selbst denken, völlig ungebildet ideologisiert, sachfremd agieren; “qualitätsmedial” auf ihren Irrwegen medial freundlich begleitet. Ein strukturell verantwortliches Gestalten echter Fachleute fehlt unverändert! Und wie soll unsere Zukunft aussehen?

Else Schrammen / 23.10.2024

Kleiner Nachtrag: In meiner Jugend gab’s noch O-Busse. Die waren bei den Verkehrsbetrieben beliebt, weil sie auf den Straßen flexibler waren als Straßenbahnen. Diese Busse fuhren aber NUR innerstädtische, genau wie die Straßenbahnen nie in den Außenbezirken. Zu teuer!

Else Schrammen / 23.10.2024

Vor gut 100 Jahren gab es einen E-Auto-Boom in Amerika, rund 38 % der damaligen PKWs waren solche Stromer mit einer Reichweite von 100 km und mehr. Dann kam das Aus wegen k. I. (nicht künstliche Intelligenz, kein Interesse). Die damaligen Autobauer - und Kunden - erkannten, dass in puncto Preis/Leisting die E-Autos dem Benzinern nicht mal in die Nähe kamen. In unserem Jahrhundert wurde die Wiedergeburt der batteriebetriebenen Kutschen nicht von den Autobauern forciert, sondern von Leuten, die was davon verstehen: Von den Politikern. Mit Milliarden wurde zuerst die Neugeburt auf dem Bereich der PKWs unterstützt, jetzt sollen auch die LKWs mit Millionen an dem Pleitegeschöft beteiligt werden. Drum merke: Nur besoffen oder bekifft kann man sich solche Mega-Transformations-Projekte ausdenken. Und: Wer Tote erwecken will, bekommt Zombies!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Thomas Rietzschel / 21.11.2024 / 14:00 / 62

Sie reden so, wie es in ihnen denkt

Werden Bürger auf der Straße befragt, vor oder nach einer Wahl, was sie von dem Ergebnis halten, müssen sie nicht lange nachdenken. Kinder, Jugendliche, Ältere und…/ mehr

Thomas Rietzschel / 09.11.2024 / 16:00 / 45

Der Kanzler und die Krise bei VW

Wenn Scholz von Fehlern des VW-Managements spricht, spielt er schamlos auf der Klaviatur des Populismus. Denn das meiste geschah mit Duldung, mehr noch auf Veranlassung…/ mehr

Thomas Rietzschel / 31.10.2024 / 16:00 / 20

Das fliegende Kabinett

Die aufschneiderische Reiselust unserer politischen Rädelsführer hat Methode. Wenn sie daheim nicht mehr ein noch aus wissen, jetten sie in die weite Welt, um ein Verantwortungsbewusstsein vorzutäuschen,…/ mehr

Thomas Rietzschel / 09.10.2024 / 13:00 / 33

Abgeordneten-Bezüge: Reden wir über Geld – und Steuern

Es wird  Zeit, dass die Einkünfte der Abgeordneten genauso versteuert werden, wie die jedes anderen Gehaltsempfängers auch. Von einer "Entschädigung" kann ja schon lange nicht…/ mehr

Thomas Rietzschel / 24.09.2024 / 10:00 / 38

„Frankfurter Armutskonferenz“: Für Verpflegung ist gesorgt

Wo es keine Probleme gibt, die dringend gelöst werden müssen, werden sie kurzerhand kreiert, um nachher den Eindruck zu erwecken, man habe sie gelöst.  Wer…/ mehr

Thomas Rietzschel / 17.06.2023 / 15:00 / 12

Kaube weiß, was Habeck mit Börne verbindet

Vor einer Woche wurde der Börne-Preis für Essays, Kritik und Reportage an Wirtschaftsminister Robert Habeck verliehen, in der Frankfurter Paulskirche. Man muss schon eine Weile…/ mehr

Thomas Rietzschel / 22.03.2023 / 16:00 / 24

Der beleidigte Lauterbach

Karl Lauterbach, Gesundheitsminister im Kabinett von Olaf Scholz, hat viel an Ansehen verloren. Aber er vertraut sich selbst noch immer, wie einst der nackte Kaiser,…/ mehr

Thomas Rietzschel / 13.03.2023 / 11:00 / 17

Pazifistische Kriegsführung mit Erfolgsgarantie

Dass unsere Panzer eher zufällig als zuverlässig anspringen, dass sie kaum Munition haben, die sie verschießen könnten – alles nicht so schlimm, lässt sich der Feind…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com