Ein Brief an Wladimir P. mit Würdigung seiner Erfolge und Ausblick auf die Entwicklung in der Ukraine. Inklusive Geheimtipp für die nächste Eroberung!
Sdráwstwujte, Wladimir Wladimirowitsch! Ich sag einfach mal „du“ zu dir, okay? Wir haben schließlich einiges gemeinsam. Mein Vater zum Beispiel war Baltendeutscher, geboren und halbwegs aufgewachsen in Riga. Das liegt in Lettland und ist deshalb irgendwie auch russische Erde, stimmt’s? So gesehen, bin ich quasi ein halber Russe. Die andere Hälfte ist bayerisch, also fast wie deutsch, weswegen uns eine Menge Geschichte, Tradition und Kultur verbindet.
Ich schreibe daher hier von Mann zu Mann, von Russe zu Russe und von Skifahrer zu Skifahrer. Als Deutscher außerdem von Massenmörder zu Massenmörder, ist klar. Apropos, da sind wir schon mitten im Thema. Genau, es geht um deine, ähem, „spezielle militärische Operation“ in der Ukraine. Die läuft ja bisher eher so mittel, wenn ich das richtig sehe. Bitte nicht falsch verstehen, soll keine Kritik sein, im Gegenteil.
Ich möchte mich nämlich bei dir bedanken. Du hast in kürzester Zeit unmöglich Scheinendes erreicht, was Erwachsenenbildung und Führungskräfteschulung angeht. In Deutschland, meine ich natürlich. Nimm zum Beispiel unseren Oberlauch Olaf. Der mauserte sich innerhalb von Tagen zum Obermacker und machte in Führung. Das war neu. Vorher ging es ja zu wie bei Amazon oder im Biergarten – Lieferung nur auf Bestellung.
Land der Wichte und Blender
Jetzt auf einmal orientiert sich der Olaf an deinem Management-Stil. Quasi im Alleingang beschloss er die Erfindung von 100 Milliarden „Sondervermögen“ zur Kernsanierung der Bundeswehr. Gut, korrekt müsste es heißen „Sonderschulden“ statt „Sondervermögen“, aber wir wollen nicht kleinlich sein. Kohle ist Kohle, egal, wo sie herkommt. Könnte glatt eine deiner Lebensmaximen sein, nicht wahr, Wladimir Wladimirowitsch?
Möglich war der Coup d’Olaf nur, weil du das Mindset der Deutschen in Nullkommanichts auf links gedreht hast. Seit Jahrzehnten galt bei uns: Eine Armee braucht man so dringend wie Gürtelrose. Ähnlich viel Wert legte man zuletzt auf zuverlässige Energieversorgung. Plötzlich ist funktionierende Landesverteidigung ein Must-have, und man diskutiert lebensverlängernde Maßnahmen für böse Kraftwerke mit gutem Strom.
Es kommt mir fast vor, als lebte ich nicht mehr in Lala-Land, sondern in einem richtigen Staat mit ordentlicher Regierung und vernünftiger Politik. Klar, das wird nicht anhalten. Das Land der Dichter und Denker war mal, längst sind wir die Heimat der Wichte und Blender. Trotzdem, ein wohliges Gefühl ist schon was, auch wenn es nicht von Dauer ist. Man nimmt, was man kriegen kann. Beziehungsweise bekommen kann. Sorry für das K-Wort, war nicht böse gemeint.
Logopädische Wunderheilung
Dein Wirken hatte weitere positive Effekte, von denen du wahrscheinlich gar nichts ahnst, Wladimir Wladimirowitsch. Corona, Klima und andere Seuchen haben bei uns Pause. Im Schnellkurs lernten die Deutschen, dass ein Leben ohne Lauterbach-Daueralarm und täglichen Virusaufmacher möglich ist.
Sogar die jüngste Endzeitmeldung des Weltklimarats wurde entgegengenommen, wie es sich gehört: achselzuckend bis milde augenrollend. Echt jetzt, auf einmal wird die Erde nicht nur wärmer, sondern „unbewohnbar“? Bleibt die Frage, wie sich der Hysterie-Level beim nächsten IPCC-Bericht noch steigern lässt. Der Planet explodiert? Das Universum schmilzt? Gott stirbt an Dehydrierung?
Nebenbei gelang dir eine logopädische Wunderheilung, und zwar bei unserer Neuen fürs Auswärtige. Du weißt schon, die mit dem Völkerball-Vordiplom und der funny Strachspörung. Seit sie euch besuchte, kann sie bis zu vier gerade Sätze hintereinander aufsagen.
Dritter Weltfrieden ausgebrochen
Inhaltlich sieht’s bei ihr leider genauso mau aus wie vorher. Kaum hatten sich die Deutschen massenhaft entschieden, ukrainische Kriegs-, äh, Quatsch, Operationsflüchtlinge willkommen zu heißen, verfiel Blitzbirnchen in alte Muster und verkündete: „Wir werden alle aufnehmen, auch jene ohne ukrainischen Pass.“ Da kamen ungute Erinnerungen auf, an 2015 und den Zustrom hunderttausender Spontansyrer und Fake-Iraker.
Die üblichen Verdächtigen hatten sich zu diesem Zeitpunkt längst unter die echten Hilfsbedürftigen gemischt. Sogar ein ZDF-Mann bemerkte an Tag fünf deiner Spezialmilitärsache, dass „innerhalb des Grenzübergangs, also quasi im Niemandsland, ziemlich viele muslimisch aussehende Männer sich aufhielten“ (hier ab Min. 05:09).
Ein weiterer Erfolg: Du hast die Lullis in Politik und Medien bloßgestellt, vor allem die deutschen. Mich überfällt (upps, sorry!) ein Lachflash, wenn ich nur daran denke. Nachdem Annalena und Olaf bei euch vorbeigeschaut hatten, hieß es, die „eiserne Lady“ Baerbock habe euch „knallhart“ Bescheid gestoßen und der deutsche Kanzler den Sack zugemacht. Als der Scholzinator ins Homeland zurückkehrte, war der dritte Weltfrieden ausgebrochen. Theoretisch.
Auf Demütigung folgte Dämlichkeit
Tja, und als du dann mir nichts, dir nichts einmarschiert bist, sahen unsere „Wir müssen im Dialog bleiben“-Prediger ziemlich alt aus. Als wäre das nicht genug, packte Plapperlena auf Demütigung noch Dämlichkeit. Statt zu schweigen, übte sie sich in Mimimi. Du hättest sie doch glatt „belogen“, buhu. Was genau sie an den Begriffen „Politik“ und „Diplomatie“ bisher nicht verstanden hatte, bleibt ihr Geheimnis.
Man muss natürlich zugeben, deutschen Politikern einen vom Pferd zu erzählen, ist ungefähr so anspruchsvoll, wie Zweijährige zu verarschen. Bei den Chinesen sieht das anders aus, da sollte man es gar nicht erst versuchen. „Don’t bullshit a bullshitter“, lautet die passende Merkregel. Auch die Amis lassen sich nicht so leicht für dumm verkaufen. Die prophezeiten einen Angriff, als andere von „Truppenabzug“ träumten.
War clever von dir, den Marschbefehl um ein paar Tage zu verschieben. Das gab hiesigen US-Hassern ausreichend Gelegenheit, sich über die vermeintliche Falschmeldung lustig zu machen. Entschuldigt haben sich die später Blamierten natürlich nicht. Normal.
Köstlich auch die Atomnummer
Köstlich fand ich auch die Nummer mit der „erhöhten Alarmbereitschaft“ von Einheiten mit strategischen Waffen. Ich bin bestimmt kein Experte für atomar gepimpte Interkontinentalraketen, aber eines weiß ich: Die zuständigen Jungs sind permanent in Habacht, und zwar aus Prinzip. Ist logisch. Es wäre so ziemlich das Gegenteil von Abschreckung, wenn bei einer Vorwarnzeit im Minutenbereich die lokalen Schlüsselinhaber und Knopfdrücker erst aus dem Bett geklingelt werden müssten.
Durch die „erhöhte Alarmbereitschaft“ dürfte sich also faktisch nicht viel geändert haben. Trotzdem drehten Politik und Medien bei uns hohl. Inzwischen traut man dir sowieso alles zu. Da wird wild spekuliert, ob du krank, irre oder sonstwie vollverpeilt bist.
Kann dir nur recht sein. Der Nimbus der Unberechenbarkeit ist ein Riesenvorteil im globalen Powerplay. Nur, wir beide wissen, dass das Quatsch ist. Alle anderen könnten es auch wissen. Ich meine, ernsthaft: Wer holt sorgsam und termingenau sein nicht ganz fertiges 87-Millionen-Euro-Luxusspielzeug heim ins Reich und plant gleichzeitig das atomare Armageddon? Eben.
Das Problem mit dem Gehorsam
Auch für einen Einsatz taktischer Kernwaffen spricht nicht viel. Atomsprengsätze in einem Land zünden, das man noch erobern will, erscheint mir jedenfalls eher kontraproduktiv. So was würde die Usability der Ukraine erheblich einschränken. Ihr Russen seid bekanntlich hart im Nehmen. Aber Brot essen, das nachts die Wohnung ausleuchtet? Ich habe da meine Zweifel.
Außerdem dürfte sich eine gewisse Antriebslosigkeit bei den eigenen Truppen einstellen. In radioaktiv verseuchtes Terrain vorzurücken, ist nicht gerade motivationsfördernd. Das mit dem unbedingten Gehorsam ist ohnehin so eine Sache. Selbst wenn dir die Gesamtsituation irgendwann dermaßen auf die Klötze gehen sollte, dass du den Big Bang in Erwägung ziehst, gibt es da dieses praktische Problem.
Wie viele hohe Offiziere würden wohl „Satan 2“ und Kollegen auf den Weg schicken im Wissen, dass sie ein globales Feuerwerk auslösen? Das hat ja nicht mal 1983 geklappt, mitten im heißesten Kalten Krieg, als die Finger locker am Abzug saßen. Damals waren wir nur Minuten vom Inferno entfernt. Verhindert hat das ein gewisser Oberst Petrow, der sich geltender Befehlslage widersetzte, weil er Atomkrieg persönlich ungeil fand.
Im Grunde ein Feierbiest
Heute sind die Hürden für millionenfach erweiterten Suizid noch einmal deutlich höher. Der Kalte Krieg ist vorbei, Internet und iPhone haben die Welt verändert. Fast jeder kann sich fast überall mit ein wenig Geschick unabhängig informieren. Klar, im U-Boot nützt auch das beste WLAN selten was. Trotzdem, ich bezweifle, dass unmittelbar Verantwortliche heutzutage ohne lang aufgebaute Bedrohungslage und überzeugend vermittelten Feindangriff einen finalen Abschuss freigeben.
Ich glaube sowieso nicht, dass dir der Sinn nach Weltuntergang steht. Die Yacht, die Flugzeuge, die Paläste, die vielen zusammengeklauten, Verzeihung, zusammengeklaubten Milliarden, deine Tanzmarie, eure kleinen Kinder – wozu die ganze Mühe, wenn man’s dann einfach das Klo runterspült? Ich meine, du hast dich mördermäßig (upps, sorry!) für den nicen Lifestyle angestrengt und bist im Grunde deines Herzens ein Feierbiest. Da wirft man das Erreichte nicht wegen momentaner Übellaunigkeit weg.
Zugegeben, es kommt ein bisschen seltsam rüber, wenn du sogar mit den eigenen Leuten über eine Sieben-Meter-Lücke hinweg konferierst. Pandemie-Paranoia, heißt es. Kann man aber auch anders werten: Vorsicht, die deinen Lebenswillen beweist. Außerdem hat die neue Distanziertheit einen Zusatznutzen. Man weiß nie, welcher Speichellecker aus dem persönlichen Umfeld plötzlich den Brutus in sich entdeckt. Da hilft es, wenn man mehr als eine Messerlänge Abstand hat.
Keine Ahnung, Nullinger
Alle möglichen selbsternannten Experten und Exegeten dichten dir im Moment alles Mögliche an. Wir beide wissen, die haben keine Ahnung, Nullinger. Bei dir hat sich exakt gar nichts geändert. Okay, bis auf das Pfannkuchengesicht, aber das muss nichts mit Krankheit zu tun haben. Ich persönlich tippe eher auf eine kosmetische Fehlberatung deines Buddys Berlusconi. Shit happens.
Ansonsten machst du genau das, was du immer gemacht hast. Wer behauptet, „jetzt“ würdest du „durchdrehen“, seist „verrückt geworden“ oder „krank“ oder sonstwas, hat 24 Jahre lang den Schuss nicht gehört. Beziehungsweise die Schüsse. Stichwort Tschetschenien. Und Georgien, Krim, Donbass, Syrien, Libyen, Zentralafrika, Kasachstan.
Klar, du bist älter geworden, sind wir alle, aber du bist dir immer treu geblieben. Du machst einfach dein Ding, whatever it takes. Derzeit zerbrechen sich reihenweise Putin-Erklärer den Kopf über deine Motive. Verwirklichung imperialer Träume? Verhinderung von Demokratie in der Nachbarschaft? Ablenkung von Problemen im Inland? Was die Erklärbären dabei übersehen: Der Beweggrund im Einzelfall ist nicht wichtig. Entscheidend ist die Weisheit, die in diesem Klassiker steckt: „Warum leckt sich ein Hund die Eier? Weil er’s kann.“
Das Volk spielt keine Rolle
Dein Coming-out hattest du schon vor Jahrzehnten. Du bist Despot, und das ist halt so. Diese Identitätswahl bringt naturgemäß ein paar Begleiterscheinungen mit sich, die bei uns tendenziell negativ konnotiert sind: Unterdrückung, Willkür, Korruption, Mord, Terror, Krieg, lauter so Sachen. Die einen nennen das Verbrechen, für andere ist es die normale Toolbox des Tyrannen. Eine Frage des Standpunktes, wie so oft im Leben.
In diesem Zusammenhang gibt es eine schmerzhafte Erkenntnis, der sich westlich-demokratisch Sozialisierte gerne verweigern, weil sonst ihr Weltbild wackelt. Diese Wahrheit lautet: Das Volk spielt keine Rolle. Wie es dem Volk ergeht, ob es leidet, hungert, stirbt oder bockt, ist für den Fortbestand der Diktatur völlig wumpe. Sicher, wenn das Volk zufrieden ist und einem zujubelt, ist das ein nettes Goodie und macht den Workflow geschmeidiger. Ist aber ein Kann, kein Muss.
Entscheidend für eine erfolgreiche Gewaltherrschaft sind im Innenverhältnis zwei Faktoren: der Herrscher und sein Apparat. Solange der Herrscher vorhanden ist und der Apparat funktioniert, hat das Volk keine Chance. Dazu braucht der Herrscher Kohle – nicht unbedingt so viel, um das Volk zu ernähren, aber mindestens so viel, um den Apparat bei Laune zu halten. Nach außen ist wichtig, dass man entweder selbst stark ist oder mächtige Freunde hat.
Du wirst das Ding durchziehen
Wer das nicht glaubt, denke an Kuba, Nordkorea oder China. Oder an Väterchen Stalin. Oder an die DDR. Die ist schließlich nicht untergegangen, weil es eine „friedliche Revolution“ des Volkes gab, so gerne das heute behauptet wird. Dort ging es südwärts, weil der große Bruder pleite und man allein nicht überlebensfähig war. Bei entsprechender Stärke und Härte des Regimes wären die „Wir sind das Volk“-Skandierer genauso wirkungslos geblieben wie Ungarn 1956 oder Tiananmen 1989.
Im Gegensatz zu vielen westlichen Kaffeesatzlesern hast du das alles glasklar erkannt, Wladimir Wladimirowitsch. Und du handelst danach. Deine Russen sind dir genauso egal wie die Ukrainer. Verfügungsmasse. Auf ein paar mehr oder weniger kommt es nicht an. Wer anfängt, sich um das Wohlbefinden „der Menschen“ Gedanken zu machen, hat als Diktator schon verloren.
Du wirst daher die Ukraine erobern, komme, was wolle. Je stärker sie sich wehrt, desto heftiger wirst du draufschlagen. Die Ukrainer haben nicht die geringste Chance. Das will nicht jeder wahrhaben und nicht jeder aussprechen, aber alle mit ein bisschen Verstand und Klarsicht wissen es. Du wirst das Ding durchziehen, mindestens bis zur Absetzung der Regierung Selenskyj, weil alles andere ein Zeichen der Schwäche wäre. Und weil du weißt, dass sich ein Diktator vieles leisten kann, aber eines niemals: Schwäche.
Für den kleinen Hunger zwischendurch
Ich meine, was erwarten die Leute eigentlich? Dass du plötzlich weich wirst wie der Westen? Dass du „Kompromisse“ eingehst, „Verträge“ ernstnimmst, das „Völkerrecht“ achtest? Dass du am besten auch noch anfängst zu gendern und in deinen Palästen Klos für „Diverse“ installierst? Das wäre wirklich irre.
Natürlich wirst du irgendwann „Verhandlungen“ führen, vielleicht mit Unterstützung von Gas-Gerd, der alten Wanderhure. Und du wirst ein paar Scheinzugeständnisse machen. Du bist ja nicht blöd und weißt, dass du es nicht übertreiben darfst. Irgendwo gibt es auch für dich eine Grenze. Die könnte zum Beispiel bei Lettland liegen oder einem anderen NATO-Staat. Tipp am Rande: Für den kleinen Hunger zwischendurch empfehle ich zur Eroberung Malta. Das ist erstens übersichtlich und zweitens kein NATO-Mitglied, nur NATO-Partner. Genau wie die Ukraine. Was so ein Status wert ist, wissen wir seit kurzem.
Ansonsten musst du einzig darauf achten, dass weiterhin genug Kohle reinkommt, um deinen Apparat am Laufen zu halten. In der Beziehung sieht es trotz der „bisher schärfsten“ Sanktionen immer noch ziemlich sonnig aus. Eine Milliarde Euro fließt täglich allein aus der EU für Kohle, Öl und Gas in deine Kassen – nicht zuletzt auf besonderen Wunsch der Deutschen. Merke: Wenn es darauf ankommt, sind den Moralweltmeistern warme Wohnzimmer wichtiger als das Leben der Anderen. Weißte Bescheid.
In diesem Sinne: Läuft bei dir, Wladimir Wladimirowitsch!