Die Islamisierung ist ja bekanntlich eine rechte Verschwörungstheorie, aber die Ramadan-Bräuche und die genauen Gebetszeiten sollten auch sächsische Ureinwohner heutzutage bitteschön kennen. Deutsche Medien kümmern sich darum.
„Fadschr“ war in Dresden heute bereits um 4:25 Uhr, in Leipzig nur wenig später, um 4:29 Uhr. „Assr“ fällt, wie gewöhnlich, etwas freundlicher, um 15:27 Uhr in der sächsischen Haupt- und um 15:32 Uhr in der Messestadt. Beste Kaffee- und Kuchenzeit sozusagen. Aber eben nur sozusagen. Der wache Zeitgenosse hat es nicht lediglich erraten, nein, er weiß, worum es geht, er hat es verinnerlicht, es ist gegenwärtig: Die Rede ist natürlich von islamischen Gebetszeiten. Und die sind derzeit von besonderem Interesse, befinden wir uns doch seit fast einer Woche im Ramadan. Der, wie wir wissen, in unserem Land seinen festen Platz hat. Ein Bundespräsident sagte es 2010 klar und deutlich für alle, die es bis dahin nicht verstanden hatten, „der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“. Anlass der Feststellung war der Tag der Deutschen Einheit, der hierzulande seit 1997 wahlweise auch als „Tag der offenen Moschee“ begangen werden kann. Vielfach, um nicht zu sagen vielfältig sichtbar, ist die besagte Zugehörigkeit und damit eben auch der Ramadan. So etwa in Form von neckischen Kalendern für die Kleinen oder städtischer Festbeleuchtung. Die eine oder andere Weihnachtlichkeit wird da gern kulturell übereignet.
Um diejenigen, die noch nicht ganz so intensiv mit der Materie des jetzt Zugehörigen vertraut sind, macht sich gerade die „Sächsische Zeitung“ verdient. Nicht nur angesprochen, sondern ausdrücklich aufgefordert fühlen sollten sich alle. Klare Aussage der Überschrift: „Ramadan in Sachsen: Was Sie zu Iftar und Gebetszeiten wissen sollten“. Keine Sorge, worum es sich bei „Iftar“ handelt, erklärt Ihnen die „Sächsische Zeitung“, es ist das Fastenbrechen. Ebenso werden andere Wortschatzerweiterungselemente eingeführt, wie „Fadschr“ und „Assr“, aber auch „Dhuhr“, „Maghrib“ und „Ischaa“. Derartiges, nämlich die Bezeichnung der Gebetszeiten, sollten Sie künftig wohl besser parat haben. Für die laufenden Ramadantage werden die Zeiten minutiös – im wörtlichen Sinne – von der „Sächsischen Zeitung“ ausgewiesen, zumindest für die beiden Metropolen. In Dresden ist „Dhuhr“ morgen um 12:13 Uhr, in Leipzig um 12:19 Uhr, „Maghrib“ um 18:13 Uhr bzw. um 18:19 Uhr.
Schöne neue Normalität. Alle sind willkommen.
Liebevoll wird noch einmal erklärt, was es mit dem Ganzen so auf sich hat. Etwa, dass das „rund vierwöchige Ramadan-Fasten“ für gläubige Muslime bedeute, „tagsüber auf Essen, Trinken, Rauchen und Sex zu verzichten“. Erst „am Abend, wenn die Sonne untergeht, endet das Fasten traditionell mit einer Dattel und einem Schluck Wasser“. Eine „der fünf Glaubenssäulen des Islam“ sei der Ramadan, und er gelte „als göttliches Gebot“. Um ein bewegliches Fest handle es sich, jedes Jahr finde eine Verschiebung statt. Im Dunkel der Tages-Entbehrungen ist der Blick immer auf ein Licht gerichtet, denn: „Nach dem Fasten ist vor dem Fest“. Hierbei handelt es sich um „Eid al-Fitr“, das Zuckerfest. „Es wird drei Tage lang mit viel Essen, Familie, Freunden und Nachbarn gefeiert. Vor allem muslimische Kinder profitieren von den Feierlichkeiten, denn sie bekommen Geschenke und Süßigkeiten überreicht. Daher hat das Zuckerfest auch seinen Namen.“ Alles so wunderschön normal, Alltag in Deutschland halt. Und die für hiesige Zungen etwas schwierigen Begrifflichkeiten bekommen wir schon noch hin.
Dogmatisches ist dem Ramadan fremd. Schwangere Frauen, stillende Mütter, Alte und Kranke müssen nicht fasten. Kinder dürfen es, ihnen werde „empfohlen, nur wenige Stunden zu fasten und sich mit dem Alter zu steigern“, also eine Art Training. Ein besonderer Höhepunkt ist in diesem Abschnitt des Artikels der „Sächsischen Zeitung“ zu finden: „Menstruierende Menschen sind ebenfalls ausgenommen.“ Bekanntlich ist die Geschlechtergleichstellung und -vielfalt fest in der islamischen Welt verankert, etwas unsensiblere Geister sollen bereits von einem wahren Mekka für das Gender-Mainstreaming geschwärmt haben.
Wird irgendwer ausgeschlossen? Natürlich nicht. Jeder ist willkommen, denn „auch nicht muslimische Menschen dürfen zum Beispiel am Fastenbrechen teilnehmen oder an Veranstaltungen, die es häufig im Zusammenhang mit dem Fastenmonat gibt. Zum Teil öffnen Moscheen ihre Türen für neugierige Nicht-Muslime.“ Nichts wie hin. Spätestens den Abschluss solle man sich nicht entgehen lassen: „In manchen sächsischen Städten laden Gemeinden gemeinsam mit Bürgervereinen zum Zuckerfest ein. In Dresden findet das große Fastenbrechen traditionell auf der Cockerwiese statt. Es werden 1.500 Gäste erwartet.“ Traditionen. Schön, dass es die noch gibt.
Unsere Realität im Frühjahr 2024. Eigentlich ganz nett, oder? Damit man sich weiter daran gewöhnt, wird im Rahmen des Artikels auch gleich noch eine Umfrage geboten. „Von welchen dieser muslimischen Festtage haben Sie schon einmal gehört?“ Sie wissen nicht, was es mit der „Nachtreise des Propheten“ oder mit „Aschura“ auf sich hat? Jetzt aber schnell bei Tante Google kundig machen!
Verschwörungstheorien bezüglich einer Islamisierung, gar Pegida mit Sitz in Dresden und einer Reihe von Ablegern… derartige Stichworte würden harmonische Belehr-Stücke wie „Ramadan in Sachsen“ nur stören, und irgendwie wäre das dann auch kompliziert. Lassen wir es daher lieber. Übermorgen, Montag: „Ischaa“ in Dresden Punkt 20 Uhr, in Leipzig um 20:07 Uhr.
Anmerkung der Redaktion: Das obige Foto aus Dresden zeigt keine Moschee, sondern ein Gebäude, das 1909 für die damalige Orientalische Tabak- und Cigarettenfabrik Yenidze errichtet worden ist.
Dr. Erik Lommatzsch ist Historiker und lebt in Leipzig.