Kunst kommt nicht von Kollektiv

Noch immer oder schon wieder wollen uns mit scheinbar professoraler Autorität ausgestattete Leute einreden, Kunst sei eine Sache von Kollektiven und nicht von Individuen.

Noch immer oder schon wieder wollen uns mit scheinbar professoraler Autorität ausgestattete Leute einreden, Kunst sei eine Sache von Kollektiven und nicht von Individuen, die ja doch nur vereinzelt, entfremdet und deklassiert wären. Ich weiß zwar nicht, wo sie diesen Unfug hernehmen, denn die DDR, die UdSSR, ja, der ganze Ostblock, wo dieser Nonsens jahrzehntelang gelehrt wurde, existieren nicht mehr. Damit auch keine Autorenkollektive, keine Künstlerkollektive, keine Arbeitskollektive.

Kürzlich war in den „Kulturfragen“ so eine Professorin zu hören, die entweder selber ungebildet war – was unter Professoren inzwischen vorkommen soll – oder die Deutschlandfunk-Hörerschaft für solches hielt. Was sie an vermeintlichen Künstlerkollektiven aufzählte, waren keine: die Werkstätten, die in der Renaissance und auch noch Jahrhunderte später Großaufträge ausführten, waren künstlerisch begabte Handwerker, die Statuen oder Gemälde nach Vorgaben schufen. Auch die anspruchsvolleren Plakat- und Postkartenhersteller vom Anfang des 20. Jahrhunderts produzierten nach diesem Prinzip. Es ging hier um Kunsthandwerk und Gebrauchskunst, nicht um autonome Kunstwerke.

Und autonom, um das klarzustellen, hieß einfach nur, dass es keine vorgegebenen Regeln mehr gibt, nach denen Kunst produziert wurde, der Künstler diese Regeln vielmehr selber entwickeln musste. Die Künstlergruppen der „Blaue Reiter“ oder die „Brücke“ waren Zusammenschlüsse von Künstlerindividuen, die sich zusammentaten, um neue Stilrichtungen durchzusetzen, sich auszutauschen und zu bestärken, gemeinsam auszustellen und für ihre Stile zu werben. Ihre Mitglieder produzierten ihre Kunstwerke als Individuen! Ob Kandinsky oder Gabriele Münter, Franz Marc oder Marianne von Werefkin, Alexej von Jawlensky, August Macke oder Alfred Kubin, Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff oder Max Pechstein – alle mühten sich an ihren Arbeiten alleine.

Vor allem aber ging es um Kunst. Nie, wie auf der documenta 15, um außerästhetische Botschaften. Und weil das ruangrupa noch immer nicht verstanden haben will: Kunst unterscheidet sich von Propaganda oder Agitprop dadurch, dass dort allein das künstlerische Material und die Art seiner Verarbeitung zählen, während hier eine meist politische Botschaft im Zentrum oder Vordergrund steht und allem anderen übergeordnet wird. In der Kunst ist immer zuerst die Kunst die Aussage, alles andere ist nachrangig.

Im Agitprop und der Propaganda ist es genau umgekehrt. Natürlich konnten mitunter auch ein Agitpropfilm – man denke nur an Sergej Eisensteins Filme – oder ein Agitproptheaterstück – man denke nur an Brechts „Dreigroschenoper“ – künstlerisch von hoher Qualität sein, aber erstens waren sie das dann trotz und nicht wegen der propagierten Botschaft und zweitens ist es kein Zufall, dass Brechts beste Stücke Adaptionen oder Weiterverarbeitungen von Stoffen sind, die Andere vor ihm schon gemeistert hatten. Am 25. September findet die Kasseler „Antisemita“ endlich ihr Ende. Ich gebe zu, ich kann es kaum erwarten!

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Sylke Kirschnicks Blog.

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U. Hering / 18.09.2022

“dass Brechts beste Stücke Adaptionen oder Weiterverarbeitungen von Stoffen sind, die Andere vor ihm schon gemeistert hatten”. - Zum Beispiel Wilhelm Schüttelspeer oder Sophokles, Euripides oder Plautus.

A. Ostrovsky / 18.09.2022

Wer erinnert sich nicht an das “Künstlerkollektiv” “Zentrum für Politische Schönheit”, das vorwiegend durch Verleumdung, Zersetzung und massiver Stalkerei aufgefallen ist. Sie sind aggresive Gegner aller Waffen und wollen deutsche Waffenproduzenten ohne Bewährung ins Gefängnis bringen. Das wäre schon eine Kunst, haha. Aber leider ist es bei dem Kollektiv nicht Kunst, sondern Wulst. Dabei ist es natürlich legitim, gegen Waffenproduktion zu sein, wenn man dabei auf dem Boden des Grundgesetzes bleibt. Was man von diesem faschistioden Pazifismus dieser Truppe zu halten hat, kann jeder daran erkennen, dass sie überhaupt nichts gegen die LLieferung schwerer Waffen an die Ukraine haben. Jedenfalls bleibt deren “Kunst” da völlig im Verborgenen. Nein, Linksfaschismus ist keine Kunst, es ist vermutlich eine Straftat, wenn es zur Vollendung kommt. Interessant an denen ist nur, wer sie finanziert. Warum steht das noch nicht in der Wikipedia?

A.Schröder / 18.09.2022

Deshalb hatten wir in der DDR auch Volkskunstkollektive.

Rainer Niersberger / 18.09.2022

Ich hatte schon immer den Verdacht, dass die Meister vergangener Jahrhunderte, egal ob Maler, Bildhauer, Architekten, Schriftsteller, Komponisten etc allesamt aus Kollektiven stammten, die von den Meistern, den boesen weissen Maennern, nur geheim gehalten wurden, um sich den Ruhm, nicht selten allerdings erst posthum, alleine einzuverleiben. Endlich wird auch das mal aufgedeckt, erfreulicherweise immer von Expertinnen. Gut so.

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