Wenn die Allmacht des woken Mainstreams auf den Theater- und Opernbühnen einmal enden sollte, wird das weniger an der AfD, als am ökonomischen Niedergang liegen.
Im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung erschien kurz nach der Landtagswahl in Thüringen, bei der die AfD stärkste Kraft wurde, ein wunderlicher Artikel. Es handelte sich um die Besprechung einer Opernpremiere im Staatstheater Meiningen, der, so die reißerische Überschrift, „ersten Opernpremiere in Thüringen nach der Wahl“. Aufgeführt wurde Giuseppe Verdis „Don Carlos“ in der Inszenierung des Regie-Altmeisters Achim Freyer, der für seine bildermächtigen Inszenierungen bekannt ist, aber nicht als typischer Vertreter eines politisch engagierten „Regietheaters“ gilt.
So war, wie man der Kritik entnehmen kann, auch Freyers „Don Carlos“ kein flammender Appell gegen die AfD, sondern eine, wie es der Rezensent etwas kryptisch formuliert, „einzigartige Mischung aus statischer Abstraktion und permanenter Bewegung“. Doch nach der Schicksalswahl sei eben „alles, was das Theater macht, auf einmal ein Akt des Widerstandes“, bemühte sich der SZ-Beobachter der politischen Linie seines Blattes gerecht zu werden.
Wobei der Meininger Intendant Jens Neundorff auf Nachfrage des Reporters selbst zu Protokoll gibt, dass er bislang noch keinen „Angriff von rechts erlebt habe“. Und man weiß auch nicht, was man von dessen Mitteilung halten soll, dass es „einige Absagen“ von Gästen gegeben habe, die angeblich in der Aufführung nicht neben einem AfD-Wähler hätten sitzen wollen. Vielleicht sollte man künftig AfD-geneigte Theaterbesucher mit einem braunen Band kennzeichnen, um es AfD-Hassern leichter zu machen.
Auf jeden Fall ist der merkwürdige Bericht dazu geeignet, Angst zu schüren vor einem möglichen Umschwung in der Kulturpolitik, wobei die AfD von wirklichen Machtpositionen dank „Brandmauer“ noch weit entfernt ist. Doch allein die Möglichkeit, dass es mit der Allmacht des woken Mainstreams auf den Theater- und Opernbühnen, mit Willkommenskultur, Genderismus, Inklusions- und Diversitätshype, Klimareligion und Traditionsverachtung einmal ein Ende haben könnte, jagt zumindest Kulturjournalisten schon heute einen gehörigen Schrecken ein. Wobei ein Durchregieren der AfD selbst im „schlimmsten“ Fall kaum vorstellbar wäre, will doch die Partei bei aller nationalen Rhetorik den Kulturföderalismus nicht in Frage stellen.
Explodierende Kosten, schwindende Ressourcen
Schon allein deshalb wäre die Errichtung eines „nationalen Kulturrates“ mit umfassenden Kompetenzen und Durchgriffsrechten wie in Ungarn kaum vorstellbar. Sehr wohl vorstellbar sind mehr oder weniger deutliche Akzentverschiebungen in der Förderpolitik und bei der Besetzung herausragender Posten, wobei sich die AfD angesichts der linksgrün dominierten Ausrichtung des Kulturbetriebes und seiner wesentlichen Protagonisten schwer tun könnte, in ihrem Sinne geeignete Persönlichkeiten zu finden. Dass sich demokratisch gewählte Mandatsträger der Partei dagegen wehren, wenn auf Bühnen mit öffentlichen Mitteln gegen sie agitiert wird, sollte indes niemand wundern.
Doch die Angstkampagne bezüglich eines von der AfD angeblich beabsichtigten „kulturellen Kahlschlages“ verdeckt das eigentliche Problem der Kulturszene: explodierende Kosten einerseits und schwindende finanzielle Ressourcen andererseits. Hierfür direkt verantwortlich sind allzu spendable Kulturpolitiker, die in fetten Jahren gebaut und ausgebaut haben, was das Zeug hielt, ohne die Folgekosten zu beachten. Und natürlich jene heute am Ruder sitzenden Amtsträger, die Milliarden für eine dysfunktionale „Energiewende“ verpulvern und einen rasanten wirtschaftlichen Niedergang Deutschlands eingeleitet haben, der die Kultur mit ihrer traditionell schwachen Lobby zuerst treffen wird.
In Berlin tobt gerade eine Debatte um eine geplante, zehnprozentige Kürzung des Kulturetats, die laufende Sanierungsprojekte wie Instandsetzung und Umbau der Komischen Oper in Gefahr bringen könnte, deren Kosten von ursprünglich veranschlagten 227 Millionen Euro nun fast eine halbe Milliarde betragen könnten. Auch die Deutsche Oper ist in die Jahre gekommen und soll im laufenden Betrieb saniert werden. Kosten: mindestens fünfzig Millionen Euro. Der Kulturetat mache gerade einmal 2,5 Prozent des Berliner Haushaltes aus, klagt Thomas Ostermeier, Intendant der Schaubühne. „Wie soll es den Landeshaushalt sanieren, zehn Prozent von 2,5 Prozent zu sparen?“
Man könnte Ostermeier entgegen: Kleinvieh macht auch Mist. Außerdem dürfte ihm möglicherweise entgangen sein, dass viele Kosten, die in die Kultur fließen, unter anderen Haushaltstiteln firmieren, etwa dem Einzelplan der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen. Die Sanierung der Lindenoper hatte übrigens 400 Millionen gekostet, fast doppelt so viel wie ursprünglich geplant. Immerhin trug die Bundesrepublik Deutschland einen großen Teil der Kosten, wiewohl natürlich ebenfalls, was sonst, aus Steuermitteln.
Marode Theaterspielstätten in der ganzen Republik
Nicht nur Brücken sind marode, sondern auch Theaterspielstätten in der ganzen Republik. Und Berlin ist allenfalls die Spitze des Eisberges. In Köln beispielsweise zieht sich die Sanierung des dortigen Opernhaues seit 2012 hin und wird, inklusive Kosten für Kredite, wohl deutlich über eine Milliarde Euro teuer. Wann der Spielbetrieb nach diversen Verschiebungen wiederaufgenommen wird, steht weiter in den Sternen.
Ein ähnliches Desaster ist bei der Generalsanierung des Großen Hauses und dem Bau moderner Betriebsgebäude für das Augsburger Theater zu konstatieren. Mit den Arbeiten begonnen wurde 2017, ursprünglich sollte das Haus 2028/29 wiedereröffnet werden. Jetzt soll dies frühestens zum Opernball in der Faschingssaison 2030 möglich sein. Die Kosten stiegen von 186 auf aktuell 417 Millionen, wobei das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht sein dürfte.
In Stuttgart ist seit Jahrzehnten ebenfalls geplant, die denkmalgeschützte Littmann-Oper im Hofgarten auf Vordermann zu bringen. Wann genau es mit den auf zehn bis fünfzehn Jahre kalkulierten Baumaßnahmen losgehen soll, ist noch unklar. Doch schon vor Beginn wird inklusive einer Ersatzspielstätte mit Kosten von mindestens einer Milliarde gerechnet. Darunter fallen auch Zuschläge für „klimaschutzfördernde Maßnahmen“. Stuttgart 21 lässt grüßen!
Auch in Frankfurt am Main sind die Städtischen Bühnen in die Jahre gekommen. Weil eine Sanierung des bisherigen Gebäudes von Oper und Schauspiel mit dem markanten, gläsernen Foyer und der goldenen Welle teurer kommen würde als Abriss und Neubau, soll an einem anderen Standort neu gebaut werden. Kosten: rund 1,3 Milliarden Euro, Tendenz steigend.
In München steht irgendwann die Sanierung des vom Freistaat Bayern getragenen Nationaltheaters an, ein Mammutprojekt inklusive sündteurem Ausweichquartier, womöglich in einer alten Paketposthalle. Derweil dilettiert sich die Stadt München mit der Sanierung des Gasteig-Kulturzentrums und der akustischen und optischen Aufrüstung der dortigen Philharmonie in ein Milliardengrab, während noch ein weiteres Prestigeprojekt auf Realisierung wartet: der Bau eines neuen Konzerthauses am Münchner Ostbahnhof. Der ursprüngliche Entwurf - Kostenpunkt 1,3 Milliarden Euro - wurde jüngst auf weniger als die Hälfte eingedampft, wobei fraglich ist, ob der Saal als neue Heimstatt des Sinfonieorchesters des Bayerischen Rundfunks (BRSO) angesichts der sich verdüsternden Haushaltslage überhaupt noch kommt. Falls nicht, wären Millionen für Planung und ein Erbbaurecht in den Kamin geschossen.
Vorgeschmack auf drohende Verteilungskämpfe
Apropos Rundfunkorchester: Was würde mit diesen Klangkörpern geschehen, wenn es zu einer dringend nötigen Reform der Staatssender mit Abschaffung zumindest einzelner Anstalten käme? Wobei die AfD, Gottseibeiuns aller woken Kulturschaffenden, die Rundfunkbeiträge grundsätzlich in Frage stellt, was wohl auf eine Steuerfinanzierung und eine radikale Schrumpfung der öffentlich-rechtlichen Medien- und Kulturangebote hinausliefe.
Der Entrüstungssturm war schon beträchtlich, als jüngst der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in den Raum gestellt hatte, die Zahl der öffentlich-rechtlichen Klangkörper um die Hälfte auf zwölf zu reduzieren. Kein ganz unsinniger Vorschlag, denn eigentlich hat sich die ursprüngliche Aufgabe der Rundfunkorchester und -chöre, in Radio und Fernsehen für angemessene musikalische Unterhaltung zu sorgen, weitgehend erledigt - in der Regel wird ohnehin nur noch populäre Konservenmusik abgedudelt.
Auf jeden Fall sind die Klagen der um ihre Pfründe kämpfenden Kulturschaffenden, die schon heute geführt werden, nur ein bescheidener Vorgeschmack auf die Verteilungskämpfe, die drohen, wenn die deutsche Wirtschaft am Boden liegt. Dabei geht es auch um die von linken Kulturpolitikern gehätschelte „freie“ Kulturszene, die den Graswurzelrevolutionären als Vorfeldorganisationen beim Kampf um kulturelle Hegemonie dient.
Sollten die finanziellen Ressourcen versiegen, kommt es wahrscheinlich von ganz allein zu dem, was „Rechte“ fordern: weniger Subventionen, mehr Eigenrentabilität, stärkere Orientierung am Publikumsgeschmack, weniger Egotrips von Intendanten und Regisseuren. Wenn das Erstarken der AfD dafür sorgte, dass man wieder ökonomischer mit dem Geld der Steuerzahler umginge und die Tradition respektierte statt die Theater zum verlängerten Arm woker Politik zu machen, wäre viel gewonnen.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.