Deborah Ryszka, Gastautorin / 09.03.2025 / 17:00 / Foto: Pixabay / 17 / Seite ausdrucken

Kulturkompass: Der Egozentrismus der Grünen

Die Grünen sind eine soziale Bewegung von milieuspezifischer Beschränktheit des geistigen Horizonts. Statt Ökologie geht es ihnen in erster Linie um ihre eigenen Interessen.

Spätestens am 23. Februar diesen Jahres rüttelte die Wirklichkeit das gesellschaftliche Establishment wach. Die Bevölkerung strafte die etablierten Parteien ab: Für ihre jahrelang falsch ausgerichtete links-grüne Politik, für ihre ziemlich grandiose Imitation der „drei Affen“ und für ihre Lieblingsbeschäftigung, dem Unterhaken, Hand in Hand, in ihrem „Kampf gegen rechts“.

Nur wenige Stimmen im akademischen Milieu kritisierten bisher diesen Kurs der „Fortschrittskoalition“, allen voran denjenigen der Grünen. Vielmehr lautete es im Umgang mit ihnen: „Kuscheln statt kuschen“. Ziemlich erleichternd ist es da zu sehen, dass es Leute gibt, die sich nicht kopflos ihrem Milieu anbiedern und sich selbst treu bleiben. Wie Bernd Stegemann. Denn der Professor für Theatergeschichte und Dramaturgie, Essayist und Sachbuchautor legt sich eine Hand aufs Herz und blickt hinter die grüne Fassade. Mit „In falschen Händen. Wie Grüne Eliten eine ökologische Politik verhindern“ entlarvt er nämlich die Grüne Partei als das, was sie ist: eine politische Partei. Punkt.

Obwohl sich die Grünen den Umweltschutz auf ihre grüne Fahne schreiben würden, ginge es ihnen ausschließlich darum, die Ziele des eigenen Milieus durchzusetzen. Was bei den Sozialdemokraten früher der Arbeiter war, ist heute der kreative Akademiker für die Grüne Partei. Dieser Umstand sei zugleich ein einzigartiges Paradoxon, was die Grünen von allen anderen Parteien unterscheide. Von außen betrachtet blickten sie vermeintlich ganzheitlich, also ökologisch, auf gesellschaftliche Probleme. Von innen aber sehe man, dass es einzig und allein, um die eigenen Interessen des kreativen akademischen Milieus gehe. Stegemann spricht hier von einem „radikalen Individualismus“ oder auch „reflexiven Individualismus“. „Egozentrismus“ würde es jedoch besser beschreiben.

Milieuspezifischer Beschränktheit des geistigen Horizonts

Um diese Interessen durchzusetzen, und sich gleichzeitig politisch zu legitimieren, griffen die Vertreter der Grünen zu zwei Kniffen: Erstens hielten sie ihre hohe Bildung, in Form von Wissenschaftsgläubigkeit, wie eine Monstranz vor sich her. Ein vermeintliches Gütesiegel für den Besitz ihrer absoluten Wahrheit. Zweitens präsentierten sie sich als Kämpfer für das „Gute“, das sie automatisch auf der „richtigen“ Seite erscheinen lasse. (Wer möchte schon nicht dazugehören und daher als „böse“ abgestempelt werden?) Die Konsequenz seien ein „säkularer Hochmut“ und die Bedeutsamkeit der eigenen Gefühle.

Das wiederum erlaube den Grünen zwei hinterlistige Kommunikationstaktiken: das Spiel mit der Betroffenheit und dasjenige mit der Belehrung. Während im ersten Fall das eigene Gefühl das Argument ersetze („reflexiver Individualismus“), erlaube es der vermeintliche Besitz der absoluten Wahrheit den Grünen die pädagogische (Moral-)Keule zu schwingen. Gegen jeden und alles. Wer, wenn nicht sie, könne schließlich die Unwissenden bekehren? So wie Hedwig Richter und Bernd Ulrich zum Beispiel. Sie seien ein Paradebeispiel für eben jene grüne Weltsicht. Ihr 2024 erschienenes Werk „Demokratie und Revolution“ könne nur als Zusammenfassung einer grünen Lebenseinstellung betrachtet werden, die sich letztlich selbst entlarve.

Diesem und noch viel mehr geht Stegemann, stets sachlich und nachdenklich, auf etwa 170 Seiten nach. Seine alles andere als belehrende Art sowie der leichte Schreibstil machen „In falschen Händen“ zu einem intellektuellen Leichtgewicht: Inhaltlich intellektuell, formal volkstümlich, die perfekte Abendlektüre zum Entspannen. Mit Stegemann ist der Leser daher in besten Händen. Denn was bleibt, ist die Erkenntnis: Die Grünen sind eine soziale Bewegung von milieuspezifischer Beschränktheit des geistigen Horizonts. Statt ökologisch zu denken, wollen sie knallhart ihre eigenen Interessen durchsetzen. 

 

Stegemann, Bernd (2024). „In falschen Händen. Wie Grüne Eliten eine ökologische Politik verhindern“. Neu-Isenburg: Westend.

Dr. phil. Deborah Ryszka, geb. 1989, Kind politischer Dissidenten aus Polen, interessierte sich zunächst für Philosophie und Soziologie, dann für Kunst und Literatur und studierte Psychologie. Später lehrte sie an verschiedenen Hochschulen und ist seit 2023 Vertretungsprofessorin für Psychologie an einer privaten Hochschule. Zudem schreibt sie regelmäßig Beiträge zu gesellschaftspolitischen Themen und bespricht Bücher.

Die in diesem Text enthaltenen Links zu Bezugsquellen für Bücher sind teilweise sogenannte Affiliate-Links. Das bedeutet: Sollten Sie über einen solchen Link ein Buch kaufen, erhält Achgut.com eine kleine Provision. Damit unterstützen Sie Achgut.com. Unsere Berichterstattung beeinflusst das nicht.

Foto: Pixabay

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Volker Kleinophorst / 09.03.2025

Die SPD schreddert den Sozialstaat, die CDU die Sicherheit und die Grünen Umwelt und Frieden (und den Feminismus gleich mit). Ich seh da ein Muster. Alle drei zerstören ihre vorgeblichen Kernkompetenzen. Wähler: Das ist ja super. Sag mal einer, die können sich nicht verändern.

Franz Klar / 09.03.2025

“Erstens hielten sie ihre hohe Bildung, in Form von Wissenschaftsgläubigkeit, wie eine Monstranz vor sich her . “Wissenschaftsgläubigkeit” ist ein Paradoxon . Wissenschaftlich Erwiesenes muß nicht geglaubt werden , es steht außer Frage . Falls Hypothesen gemeint sind , ist der Text sprachlich unsauber formuliert und somit wertlos .

Th. Gerbert / 09.03.2025

Die Grünen der Anfangsjahre hatten sich tatsächlich dem Umweltschutz verschrieben. Dann verschob sich das Machtgleichgewicht in der Partei zugunsten der “Realos”, zum Nachteil der “Fundis”. Viele, denen weniger an Machtspielen, als tatsächlich am Umweltschutz gelegen war, warfen frustriert das Handtuch. Im Laufe der Jahre reüssierten dann die “Wohlfühl”-Grünen der oberen Mittelschicht, die sich vor allem darin gefielen, immer das Richtige zu tun, und sich selbst dafür auf die Schulter zu klopfen. Dafür war Klimaschutz einfach besser geeignet als klassischer Umweltschutz, dafür wurden dann klammheimlich auf Landesebene schon mal Vogelschutzrichtlinien geschreddert, auch von Dem-den-man-nicht-Schwachkopf-nennen-darf, als er noch Landesumweltminister war. Mehr Frust und Parteiaustritte von denen, die sich für Artenschutz und Renaturierung einsetzten in Folge. Im Ergebnis die jetzige Parteiriege, die Weltverbesserung als Lifestyle mit “feel good”-Touch betreibt, sich an ihre eigenen Maßstäbe nicht hält, und hinsichtlich ihrer Wahlversprechen (Klimageld) die selbe Form von Demenz zeigt wie der Anführer einer ihrer Ampelkumpel. Doof nur, dass die Wähler sich sehr gut daran erinnern konnten, und daher auf Wahlplakate von Robert H. mit Dackelblick und dem Slogan “Ein Mensch ein Wort” vielfach mit dem Überlaufen zur Linkspartei reagierten. Hätte man in der beauftragten Agentur ahnen können; ebenso, dass ein Foto von H. mit Schmerzensblick, als sei die Oma gestorben und als stünden Hungerjahre bevor, sich nicht als Wahlplakat eignet, auch wenn man das Wort “Zuversicht” drauf pappt. Aber in den Ländern läuft es ja noch ganz gut, da sperrt man gemeinsam mit der CDU biologische Männer in Frauengefängnisse und wirft Geld für Meldestellen zur Förderung des Denunziantentums zum Fenster hinaus.

T. Weidner / 09.03.2025

“Kreativer Akademiker” als Ziel-Klientel der Grünenpartei? Wohl eher die Absolventen von Gaga-Studiengängen basieren auf der waschkorbweisen Verteilung von Hochschulreife… Die niemand in der wertschöpfenden Wirtschaft brauchen kann - und die nicht selten auf ökosozialistisch-staatlich-finanzierten “N"GO-Stellen sitzen.

S.Buch / 09.03.2025

„Die Grünen sind eine soziale Bewegung…“ —> Nach allem, was ich weiß, sind die Grünen eine zutiefst ASOZIALE Bewegung. Mit dieser Zuschreibung ist alles gesagt.

L. Luhmann / 09.03.2025

Die Grünen:innen haben ein vollkommen neues Menschheitskonzept entwickelt: Alle Menschen und Menschinnen sollen gleich sein und nur wenige sollen gleicher sein!

Harald Hotz / 09.03.2025

Zwei Dinge möchte ich bezweifeln: 1. dass das grüne Milieu im eigentlichen Sinn kreativ wäre, also in irgendeinem Sinn wertschöpfend, werthaltiges Neues hervorbringend oder auch nur originelles, witziges, unterhaltsames und 2. daß das grüne Milieu wissenschaftsaffin oder gar wissenschaftlich gebildet wäre. Die allermeisten Grünen sind vermutlich “MINT-fern” gebildet und beruflich entsprechend wissenschaftsfern unterwegs und eher Esoteriker, die eine eingebildete Elite darstellen, jedenfalls eine Gruppe, ohne die jede Gesellschaft problemlos und bestens auskommen kann, weshalb sie sich wohl auch dem Zustand annähern, in dem sie nur noch von sich selber gewählt werden. In gewisser Weise sind sie nur die akademische Ausgabe des deutschen Kleinbürgers, des geistigen Schrebergärtners (nichts gegen reale Schrebergärtner!) ... “steifer stets an Kopf und Knie, unbegeistert, ungespäßig, unverwüstlich mittelmäßig” (Nietzsche) - eigentlich noch nicht einmal das.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Deborah Ryszka, Gastautorin / 18.05.2025 / 16:00 / 5

Der erste deutsche Philosoph

Die Zeitgenossen ignorierten und verschmähten Jakob Böhme. So ließ der Ortspfarrer Böhmes erste Schrift, „Die Morgenröte im Aufgang“ verbieten, und verhängte sogar ein Schreibverbot über…/ mehr

Deborah Ryszka, Gastautorin / 20.04.2025 / 16:00 / 3

„Das Leben fing im Sommer an“

„Zufälle“ und „Schicksalsereignisse“ machen das Leben spannend und lebenswert. Das weiß auch der Fußballer Christoph Kramer und schrieb ein Buch über seine Jugend. Viele finden…/ mehr

Deborah Ryszka, Gastautorin / 30.03.2025 / 16:00 / 14

Kulturkompass: „Feindliche Nähe“

Nicht nur der Islam und das Judentum sind Rivalen, sondern auch das Judentum und das Christentum. Und diese Feindschaft besteht schon lang. Christian Wulff, vielen…/ mehr

Deborah Ryszka, Gastautorin / 16.02.2025 / 14:00 / 6

Kulturkompass: „Hauptsache Haltung“

Jeder weiß: Besserwisser nerven. Jeder auf seine eigene Weise. Doch was haben sie alle gemeinsam? Geschenkt. Besserwisser mag keiner. Sie sind überheblich und eingebildet. Deswegen…/ mehr

Deborah Ryszka, Gastautorin / 12.01.2025 / 15:00 / 18

Kultur-Kompass: „Was heißt persönliche Verantwortung in einer Diktatur?“

Am Beispiel des Nationalsozialismus geht Hannah Arendt der Frage auf den Grund, was „Verantwortung“ in unseren modernen Gesellschaften bedeutet. In ihrem Essay fragt Hannah Arendt: „Was…/ mehr

Deborah Ryszka, Gastautorin / 24.11.2024 / 14:00 / 8

Kultur-Kompass: „Herzensbildung“

Jesuit Klaus Mertes prangert eine fehlende Herzensbildung oder eine falsch verstandene Menschlichkeit in vielen Kreisen unserer Gesellschaft an. Was jedoch Mertes konkret damit meint, kann…/ mehr

Deborah Ryszka, Gastautorin / 17.11.2024 / 16:00 / 0

Kultur-Kompass: „Gespenster wie wir“

Stefan Meetschens „Gespenster wie wir“ lädt statt zum Gruseln zum Lachen, Weinen, Hoffen, Bangen, Genießen und Denken ein. Lang, lang ist’s her, als „Made in…/ mehr

Deborah Ryszka, Gastautorin / 03.11.2024 / 14:00 / 8

Kultur-Kompass: Für ungeneigte Leser

Die hegemoniale Neigung der deutschen Journalisten nach links und zu den Grünen ist so hartnäckig wie die Schlagseite des schiefen Turms von Pisa. Aber es…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com