Deborah Ryszka, Gastautorin / 11.08.2024 / 16:00 / Foto: WikiCommons / 7 / Seite ausdrucken

Kultur-Kompass: „Die Essenz des Seins“

Der Psychologe Jordan B. Peterson hat ein neues Buch herausgebracht, in dem er erklärt wie die Trias von Verantwortung, Beziehungen und Gott zu Gesundheit und Glück führen.

Seine Anhänger verehren ihn, seine Opponenten hassen ihn. Die Rede ist von keinem Geringeren als Jordan B. Peterson. Wie kein anderer entwaffnet er seine Gegner elegant argumentativ. Seine Zunge ist hierbei sein Florett, seine Worte sind seine Hiebe. Kein Wunder, dass insbesondere Ideologen ihn meiden. Das Argument zählt in diesen Kreisen nicht.

Für diejenigen, die Peterson nicht kennen, kurz einige Worte zu ihm: In Kanada geboren und aufgewachsen, ging er nach zwei Bachelor of Art Abschlüssen und seinem Ph.D. in Klinischer Psychologie an der McGill University an die Universität von Harvard. Als Psychologie-Professor an der Universität von Toronto mit seinen auf YouTube veröffentliche Lehrveranstaltungen erlangte er weltweite Bekanntheit. Er war der erste Intellektuelle mit öffentlicher Wirkmacht, der sich selbst, seinen Werten und seinem Verstand treu blieb, und nicht, wie viele seiner Kollegen sich dem links-grünen Zeitgeist anbiederte.

Inmitten links-grün wuchender Ideologien, stellt Peterson eine Bastion konservativ-liberaler Vernunft dar. Diese Rarität verschaffte ihm geradezu einen Helden-Status, ja Kult-Status. Sogar auf Welttour geht Peterson mittlerweile und seine Anhänger pilgern in Scharen zu ihm. Allen voran sind es junge Männer. In einer links-grünen Welt gilt schließlich die Gleichung Männlichkeit gleich toxisch und Weiblichkeit gleich sakral. Es ist eine pessimistische, es ist eine inhumane, es ist eine verstörende Welt. Ein eklatanter Gegensatz zum Kosmos, den Peterson ihnen aufzeigt.

Doch zurück zu Peterson: Während er zunächst noch an die Existenz eines Gottes zweifelte, änderte er seine Meinung, nachdem sich seine Ehefrau auf unerklärliche Weise von einem Krebsleiden erholte. Seit diesem „Wunder“ spielt der christliche Glaube eine zentrale Rolle nicht nur für Peterson, sondern für seine gesamte Familie und für eine wichtige Überzeugung von ihm: Gott sei für eine gesunde, glückliche Identität unabdingbar. Ohne etwas dem Menschen Transzendentes, könne es keinen Sinn und keine Lebenskraft geben. Die immanente Selbstbezüglichkeit des Menschen zerstöre ihn nur.

Nur subsidiäre Identität ist wahre Identität

Unter anderem diese Gedanken kann ein jeder in Petersons (und Jonathan Pageaus) neuem Buch lesen: „Die Essenz des Seins. Über das Zusammenspiel von Identität und Verantwortung“. Es geht dort zwar weniger um Gott, Glauben oder Religion. Doch der Glaube spiele nach Peterson eine identitätsstiftende Rolle im Leben eines jeden Menschen. Deswegen untersucht er auch in „Die Essenz des Seins“ den Zusammenhang von Identität und Verantwortung. Seine These lautet hierbei: „Nur subsidiäre Identität ist wahre Identität. Persönliche Verantwortung ist der Preis für unsere Teilhabe an dieser Identität und führt uns in das eigentliche Abenteuer unseres Lebens“.

Um diese These zu begründen, bewegt sich Peterson auf verschiedenen inhaltlichen Terrains. Einerseits geht er auf den Menschen als Beziehungswesen ein. Kein Mensch könne unabhängig von jeglichen Bindungen und Beziehungen leben, es widerspreche einfach der psychologischen Grundkonstitution des Menschen. Ebenso wie die Unterdrückung des Individuums durch ein Kollektiv tödlich sei.

Das wiederum lässt ihn andererseits das bei vielen zu beobachtende ungesunde Missverhältnis zwischen Individualismus und Kollektivismus zu thematisieren. Aufgrund eines falschen Verständnis von Individualismus im Sinne von Bindungs- und Beziehungslosigkeit, keine Verantwortungsübernahme für seine Liebsten und sein eigenes Handeln, was der Mensch also tatsächlich verantworten könne, füllten mehr und mehr staatliche Strukturen diese so wichtige soziale Lücke. Das führe, wie wir heutzutage beobachten könnten, zu einem übergriffigen, ja totalitären Staat, der sich in Angelegenheiten einmische, in denen er eigentlich nichts zu suchen hätte.

Trias aus Verantwortung, Beziehungen und Gott

Daher rührte auch der Anstieg psychischer Störungen. Zu viele Menschen betrachteten nur noch sich selbst als den Nabel der Welt und vergäßen hierbei, dass andere Menschen für ihre eigenes Wohlbefinden und Glück essenziell seien. Deswegen sollten sich Menschen abermals auf ihre sozialen Bedürfnisse besinnen und ihre egozentrischen Wünsche hinten anstellen. Sich für den anderen zu „opfern“ lohne sich letztlich nicht nur für den anderen, sondern auch für einen selbst. Selbstverständlich nicht kurz gedacht, sondern auf lange Sicht.

Verantwortung plus innige, bedeutsame Fürsorgebeziehungen sind unabdingbar. Der Glaube an Gott sorge darüber hinaus für eine optimistische, hoffnungsvolle Grundhaltung. Diese Trias aus Verantwortung, Beziehungen und Gott stelle die Grundformel für ein gelingendes Leben dar. Diese drei Aspekte erst führten den Menschen zu Gesundheit und Glück. Wie das genau aussieht, kann jeder selbst auf den etwas über 140 Seiten in „Die Essenz des Seins“ nachlesen.

Mit zwei Schriftstücken zeigen dort Peterson und Pageau auf, wie es jeder selbst in der Hand hat, sein eigenes Glück auf Erden zu finden. Deswegen vermutlich auch die leicht verständliche Sprache, die dem Buch einen Ratgeber-Charakter gibt. Dieser macht das Buch vor allem für jene empfehlenswert, die im Leben auf der Suche sind, die nicht weiter wissen und die eine Leere in sich spüren. Und natürlich für alle Peterson-Fans, die das Buch lieben werden. Während die Peterson-Gegner es hassen werden.

Peterson, Jordan B. (2024). „Die Essenz des Sein. Über das Zusammenspiel von Identität und Verantwortung“. Basel: fontis.

Dr. phil. Deborah Ryszka, geb. 1989, Kind politischer Dissidenten aus Polen, interessierte sich zunächst für Philosophie und Soziologie, dann für Kunst und Literatur und studierte Psychologie. Später lehrte sie an verschiedenen Hochschulen und ist seit 2023 Vertretungsprofessorin für Psychologie an einer privaten Hochschule. Zudem schreibt sie regelmäßig Beiträge zu gesellschaftspolitischen Themen und bespricht Bücher.

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Foto: Gage Skidmore from Peoria, AZ, United States of America - Jordan Peterson, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Sam Lowry / 11.08.2024

“Deutse Lan, gute Lan.” Mehr fällt mir dazu nicht mehr ein…

Rolf Menzen / 11.08.2024

Soll jeder glauben was er will, solange er mir damit nicht auf den S*** geht. Aber ich bin bisher auch ohne “Glauben” gut über die Runden gekommen und ich weile schon ein bisschen länger auf diesem Planeten als der gute Mr. Petersen. Und ein guter Mensch kann ich auch trotzdem sein. Dafür reicht es schon, wenn man andere so behandelt wie man selbst behandelt werden möchte (na gut, Masochisten mal ausgenommen :-)))

Gabriele Klein / 11.08.2024

Was die Fragen anlangt, die Peterson aufwirft, scheint mir eine ungemein wichtige Quelle der Philosoph George H. Mead zu sein sowie vermutlich auch diverse seiner Zeitgenossen die er teils um sich scharte. Schade, dass, soweit ich in Peterson’s Vorträgen erkennen kann, er keinen Bezug darauf nimmt. Ohne nun eine Mead Expertin zu sein (die einfachste Lektüre ist Meads Werk sicherlich nicht…) vermute ich, dass dies eine der wichtigsten Quellen sein könnte für die von Peterson aufgeworfenen Fragen. Das sich Befassen mit G.H. Mead scheint mir auf jeden Fall der Mühe wert für jeden der sich mit Fragen erfolgreichen Zusammenlebens auf d. Basis sauberer Kommunikation befasst.

Lutz Liebezeit / 11.08.2024

“Seit die Menschen nicht mehr an Gott glauben, glauben sie nicht an nichts, sondern allen möglichen Unsinn.” Gilbert Keith Chesterton / Die psychischen Störungen, Depressionen, Manien, Suizide sind das Produkt der medialen Dauerberieselung, die vor allem erzieherisch sein will. Wie steigt man in die Straßenbahn ein, aus, was tut man, was nicht, nicht Herumlärmen, alten Leuten helfen - da hält sich niemand dran. Ausgewiesene Schmuddelblätter wollen uns die Wirklichkeit erklären, wie man seine Frau befriedigt, glücklich wird, reich wird, dabei stecken wir da mitten drinnen. Wenn die so schlau sind, warum sind die dann nicht reich? Alles ist Täuschung, als einziger Deutscher in einer Türkenklasse zu sitzen, die Pulks aus jungen Männern, die Schlägereien und Mordversuche, der antideutsche Rassismus, die Rüpelhaftigkeit, der Müll auf der Straße, die Ratten, die organisierte Bettelei - die Zahlen sagen etwas anderes. Die Jubelpresse lebt in einem Paralleluniversum, das Internet erzeugt eine Blase. In einem früheren Artikel einer renommierten Zeitung schrieb ein Journalist, er möchte im Internet leben. Ist das krank, oder krank, oder krank? Zusätzlich zum politischen Horror kommt noch der mediale Horror. Da wird uns alles vorgemacht, Menschen gegen den Kopf treten, Köpfe abschneiden, Herzen herausreissen, oder einfach nur mit der Machete in die Menge hauen. Das ist das Umfeld fürs Glück.

Klaus Keller / 11.08.2024

Zitat: Aufgrund eines falschen Verständnis von Individualismus im Sinne von Bindungs- und Beziehungslosigkeit, keine Verantwortungsübernahme für seine Liebsten und sein eigenes Handeln, was der Mensch also tatsächlich verantworten könne, füllten mehr und mehr staatliche Strukturen diese so wichtige soziale Lücke. Das führe, wie wir heutzutage beobachten könnten, zu einem übergriffigen, ja totalitären Staat, der sich in Angelegenheiten einmische, in denen er eigentlich nichts zu suchen hätte… dem würde ich zustimmen, da ich aber wohl dauerhaft vom Glauben abgefallen bin und mich Jesus eher als Persönlichkeit mit interessanten Ansichten in einer schwierigen Zeit betrachte, kann ich mit dem Glaubensanteil in der o.g. Vorstellung wenig anfangen. Mit dem festen Glauben an Gott das richtige zu tun, sprengen sich Angehörige einer anderen Fraktion in die Luft. Die Aufforderung, Kehret um! Das Himmelreich ist nahe, inwendig in euch, vielleicht als meditative Praxis gedacht, gefällt mir besser als die Idee mit Gottes Hilfe die Welt gut machen zu wollen, womit wir nämlich wieder beim übergriffigen Staat wären.

Gabriele Klein / 11.08.2024

@Brugger was Sie schreiben klingt mir schon sehr dogmatisch, zumal sie keine Begründung ihres Urteils anführen. Also mein Urteil über einen Autor würde ich niemals an seinem Glauben oder Nichtglauben festmachen sondern an seinen Argumenten. Eine Aussage wie Herr X ist unlogisch oder dumm ist von vornherein tabu, was man eigentlich auf jedem Seminar betr. Umgang mit Kindern oder Mitarbeitern als Erstes lernt. Eine Kritik sollte sich immer nur aufs Handeln, aber niemals auf die Person d. Andern beziehen.  Und hier wären wir vielleicht bereits bei einem wichtigen Unterschied zwischen theozentrisch orientierten und ego-zentrisch orientierten Menschen. Ersteren wird gelehrt den Andern als ein gleichwertiges Geschöpf das n. Seinem Bilde geschaffen wurde zu achten, während er für den Nicht-theozentrisch orientierten Menschen zum beliebigen Objekt seiner Projektionen wird, das er nach seinem Bilde gestaltet und formt. Mancher Kommentar auf Achgut ,wo sich Fromme und Atheisten treffen bestätigt mir diese meineThese. Von theozentrischen Kommentatoren auf Achgut wären mir jetzt keine Kommentare bekann,t die die Person des “Andern” negativ thematisieren.  Auf der atheistischen Seite findet man sowas sehr viel eher. Dass “Atheisten” zur Übergriffigkeit geg. dem Andern neigen ließe sich vermutlich recht leicht sogar durch eine kleine einfache Studie nur mit Hilfe von Achgut Kommentaren belegen. (Bitte jetzt nicht mißverstehen:, mit Schärfe der Kritik an sich hats nix zu tun solang diese wohl begründet ist u. sich NUR auf die Handlung eines Andern bezieht bzw. diese beantwortet

G. Brugger / 11.08.2024

Dass Peterson glaubt, die Gesundung seiner Frau sei auf einen Gott zurück zu führen, zeigt, dass er alles andere als ein rational logischer Mensch ist. Ich habe mit einigem Erstaunen seinen Weg in die Gläubischkeit verfolgt und werde kein Buch und auch keinen Aufsatz von ihm mehr lesen. “Aber er hat ja gar nichts an!”

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