Schon der knallrote Einband des Buches signalisiert: Vorsicht! Und genau das soll es auch, das neue Buch von Reinhard Mohr. „Deutschland zwischen Größenwahn und Selbstverleugnung“ ist als Warnruf, als Weckruf an die gesellschaftliche Mitte zu verstehen. Von der typischen Schwäche vieler seiner Berufskollegen für übertriebene Panikmacherei, Schwarzseherei und die Verkündung der grünen Heilsbotschaft lässt sich der Journalist Mohr nicht verführen. Zum Glück.
Stattdessen äußert er sachlich und konzis seine Beobachtungen: Deutschland kränkelt. Weder ökonomisch noch physiologisch. Sondern psychologisch. Wäre unsere Nation eine Dame, müsste sie ohne Umschweife auf die Psychoanalyse-Couch Sigmund Freuds. Die Diagnose steht bereits im Titel, „Deutschland zwischen Größenwahn und Selbstverleugnung“: Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung. Oder volkstümlich gesprochen: Deutschland, eine Narzisstin.
Bereits der aus Ägypten stammende Politologe Hamed Abdel-Samad wies auf diese psychologische Eigenheit Deutschlands hin. Dass diesen Befund jedoch einer stellt, der in Deutschland geboren und sozialisiert wurde, das schenkt Zuversicht. Für eine Genesung Deutschlands. Denn einerseits erfordert es die Stärke, sich von sich selbst zu distanzieren, um sich anschließend kritisch zu hinterfragen. Andererseits weiß der Volksmund „Einsicht ist der erste Weg zur Besserung“.
„Ein kritisch-realistisches Selbstbewusstsein immer noch eine Rarität“
Ebendiese selbstkritische Note durchzieht alle 159 Seiten. Weder schwermütig noch verzweifelt. Sondern leicht und bekömmlich. Böse Zungen würden Mohr einen unfeinen Nestbeschmutzer schimpfen. Vermutlich jene, die sich nicht von sich selbst distanzieren können. Vermutlich jene, die konstruktive Kritik nicht einstecken können. Auf einen Begriff heruntergebrochen, vermutlich Narzissten. Doch so einfach ist es nicht.
Mohr wägt ab und differenziert. Weder wirft Mohr alle Linken noch alle Rechten in einen Topf. Vielmehr unterscheidet er etwa zwischen Antifa, Linken und Linksliberalen. Ein feiner, aber wichtiger Unterschied. Für Haltungsjournalisten und Gesinnungskämpfer eine pure Provokation, ja eine Kampfansage. Dass Mohr sich ab und an von seiner eigenen Verve überrennen lässt, sei ihm verziehen. Oder wirft hier Mohr absichtlich den ideologiehungrigen Hunden einen Knochen zu? So etwa seine „nette“ Beschreibung Donald Trumps als „geistesgestörter Narzisst“. Oder seine Überraschung über die Wahl Trumps zum US-Präsidenten im Jahr 2017.
Diese kleinen Ausrutscher sind es, die Mohr tief verwurzelt in der DNS seiner Landsleuten sieht: „Auch deshalb ist im Land von Goethe, Hegel und Kant ein kritisch-realistisches Selbstbewusstsein immer noch eine Rarität“. Der Journalist geht sogar noch weiter und spricht von einer deutschen Selbstverleugnung und Selbstverkleinerung. Zum Beispiel die „Critical Whiteness“ sei ein Hinweis hierfür.
Selbstverzwergung und Selbstvergötterung
Dass die politisch-mediale Kaste in Deutschland gleichzeitig diese Selbstverzwergung und Selbstvergötterung befeuere, verfestige nur den Narzissmus Deutschlands. Die gesellschaftlich-politische Mitte erodiere, dränge stattdessen an die extremen Ränder. Sowohl links als auch rechts. Ein „struktureller Moralismus“ durchseuche die deutsche Gesellschaft. Doch nicht die AfD verantworte diese Entwicklung, sondern die links-grüne Hegemonie.
Anders als viele Grüne – damals mit ihren Schreckensszenarien toter Wälder, heute mit dem komatösen Patienten Mutter Erde – bewegt sich Mohr auf dem Fahrwasser der Realität. Seine Devise lautet nicht „Was wäre, wenn?“, sondern „Was ist?“ Nicht eine sado-masochistische Wunschvorstellung vom Weltuntergang interessiert Mohr, sondern die gegenwärtige Wirklichkeitsbeschreibung.
Wie bereits der österreichisch-britische Philosoph Karl Raimund Popper wusste: „Der Versuch, den Himmel auf Erden einzurichten, erzeugt stets die Hölle.“ Die ersten Flammen der grünen Hölle strahlen bereits als rigide und übereifrige Oktroyierung politischer Korrektheit auf die Erde. Der knallrote Einband von Mohrs Buch ist da nur eine notwendige Selbstverständlichkeit.
Reinhard Mohr (2021). „Deutschland zwischen Größenwahn und Selbstverleugnung. Warum es keine Mitte mehr gibt“. München: Europa Verlag. Hier bestellbar.