Kultur-Kompass: „Außenseiter“

Ja, ich gebe es zu. Maßgeblich für meine Entscheidung, folgendes Buch zu besprechen, war sein Titel: „Außenseiter – Von Rebellen, Heiligen und Künstlern auf der Klippe“. Dieser sprach mich direkt an. Warum? Weil ich eine Einzelkämpferin bin. Nirgendwo passe ich so recht rein. Für die Linken bin ich zu rechts, für die Rechten zu links, für die Liberal-Konservativen zu progressiv und für die Progressiven zu altmodisch. Stets pendle ich zwischen den Parteien, stets befinde ich mich im haltlosen „Intervallum“.

Abgesehen von dieser persönlichen Betroffenheit: Matusseks „Außenseiter“ sei insbesondere, aber nicht nur, denen zu empfehlen, die weit von der Klippe entfernt sind. Denn in elf Kapiteln und auf insgesamt 210 Seiten illustriert Matussek auf unterhaltsame Weise das Schicksal von elf Außenseitern. Zwar handelt es sich bei der Textauswahl um bereits veröffentlichte Beiträge aus den Jahren zwischen 1988 und 2012 – überwiegend aus dem Spiegel. Doch gerade diese gelungene Zusammenstellung ermöglicht es dem Leser, zu beobachten, wie sich der ehemalige Spiegel-Reporter mit den Jahren zum Feuilletonisten mit Wiedererkennungswert entwickelte.

Und nicht nur das. Matusseks Schriften in „Außenseiter“ wirken wie die Lobeshymnen eines Verliebten. Einerseits begegnet er den Auserwählten in zärtlichen und zaghaften Tönen, andererseits sprudelt es nur so leidenschaftlich aus ihm heraus. Dabei lässt er sich jedoch nicht von seiner rosaroten Brille blenden. Vielmehr nutzt Matussek seine Passion als Antrieb und seinen Verstand als Ruder.

Können, gepaart mit Esprit

So setzt er sich mit Heinrich Heine, dem „Champ“, wie er ihn nennt, auseinander. Von Heine geht es weiter zu „Georg Büchner, die geniale Stichflamme, der deutschen Literatur“. Origineller und poetischer kann man es nicht formulieren! Hiernach kommen Hölderin, das „Blumenkind unter heiteren Himmel“ (!), James Joyce, das Duo Clever/Syberberg und Kleists „Penthesilea“, Sam Shephard, Anatol Ugorski und Irene Dische, Harold Brodkey, Cormac McCarthy und, last but not least, der Cowboy himself, Clint Eastwood.

Den Inhalt dieser einzelnen Hymnen hier wiederzugeben, verfehlte das Ziel. Was maßgeblich das Lesevergnügen dieses Buches ausmacht, erahnen wohl Matussek-Leser. Es ist die einzigartige Handschrift, die sein Autor trägt: Können, gepaart mit Esprit, Handwerk, gepaart mit individueller Note. Heutzutage Eigenschaften, die immer weniger gefragt sind und immer seltener gewürdigt werden – ebenso, wie eine eigene Meinung zu besitzen.

Im Gegensatz hierzu zeigt Matussek erfreulicherweise in allen Kapiteln Rückgrat. Sowohl stilistisch als auch inhaltlich. Selbstverständlich kann er es sich in seiner Position auch leisten. Selbstverständlich ist das aber nicht – wie die große Anzahl der Schweigenden und Duckmäuser des alltäglichen Lebens zeigen. Würde daher eine Neuauflage von „Außenseiter“ erscheinen, so müsste diese um eine Person erweitert werden: Matthias Matussek. Auch er gesellt sich in die Reihe der Außenseiter. Seinem Schicksal kann sich keiner beugen.

„Außenseiter – Von Rebellen, Heiligen und Künstlern auf der Klippe“ von Matthias Matussek, 2021, Dresden: edition buchhaus loschwitz. Hier bestellbar.

Foto: Melanie Feuerbacher CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia Commons

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Helmut Driesel / 30.04.2021

  Ich gebe unumwunden zu, dass ich von Außenseitern nichts lesen möchte. Es ist sowieso ein Begriff, der über Erfolg und Misserfolg nichts aussagt. Ob jemand ein Außenseiter ist oder so betrachtet wird, möchte ich gar nicht wissen. Wie viel Menschenkenntnis ist denn nötig, um so ein Urteil fällen zu können? Darum möchte ich hier an dieser Stelle einmal daran erinnern, dass der ehemalige und vorzügliche Achse-Autor Richard Wagner am 10. April Geburtstag hatte. Er ist nur wenig älter als ich und hat wahrscheinlich zehn- bis zwanzig mal soviel erlebt. Etwa ein Außenseiter? Ich wage das nicht zu behaupten. Ich wünsche ihm von hier noch viele möglichst gute Tage, soweit das mit seiner schweren Krankheit möglich ist. Mein Respekt!

Dieter Kief / 30.04.2021

Oh - bitte nicht: “Es ist die einzigartige Handschrift, die sein Autor trägt:” - Der Satz enthält mehr Fehler als Gedanken. Der Artikel insgesamt - puh. Scheints wird nicht soviel redigiert, wie man könnte. Nah - sollte. Bei TE einen Ausschnitt aus dem Buch gelesen, der ebenfalls stichflammenartig fehlerhaft aufschien. Passt.

Markus Kranz / 30.04.2021

Wer alleine ist, ist leicht zu beherrschen.

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