Gastautor / 31.07.2019 / 14:00 / Foto: Pixabay / 2 / Seite ausdrucken

Kuba – Agonie im linken Sehnsuchtsort (2)

Von Manuel Menéndez.

Wen interessiert in der weiten Welt, was auf dieser kleinen Insel vorgeht?! Von 1960 bis 1990 wies Kuba eine erhebliche internationale Bedeutung auf. Diese resultierte aus der Auseinandersetzung mit den USA und ihrem damit verbundenen Ansehen in Lateinamerika sowie aus den zahlreichen kubanischen – aber sowjetisch finanzierten – Unterstützungen von antikolonialen Kriegen, von Kämpfen gegen Diktaturen und von Terrororganisationen. In der damaligen „Dritten Welt“ nahm der kubanische Diktator Fidel Castro eine herausragende Position ein. Kuba war ein wichtiges Land in den Auseinandersetzungen zwischen den USA und der UdSSR während des Kalten Krieges.

In Lateinamerika ist die Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Demokratie nach wie vor virulent. In ihrem Mittelpunkt befindet sich Kuba. Weltweit unterhält Kuba zu kommunistischen Parteien enge Kontakte. Das ist nicht frei von possenhaften Erscheinungen, wenn zum Beispiel der Führer der kommunistischen Partei Luxemburgs mit Pomp in Havanna empfangen wird, aber gar nicht possenhaft für Deutschland ist es, wenn der Ehrenvorsitzende der Partei „DIE LINKE“, Hans Modrow, in Kuba wie ein Staatsgast behandelt wird. In Afrika, dem Kontinent mit dem längsten und umfangreichsten Militäreinsatz Kubas, werden zahlreiche Staaten von Diktatoren beherrscht, die enge Beziehungen zu Kuba unterhalten. 

Allerdings konzentrieren sich die internationalen Auseinandersetzungen auf den Gegensatz USA – China. Dabei stehen die wirtschaftlichen Ambitionen Chinas im Mittelpunkt („neue Seidenstraße“), während die militärischen Ziele Chinas nur eine Randfrage darstellen. Noch! Schon heute sind russische Militäraktionen im Ausland nur mit Hilfe der wirtschaftlichen und politischen Absicherung Chinas denkbar. Es ist absehbar, wann die chinesische Militärtechnologie die russische überholt haben wird. Schon heute ist es jedoch durchaus möglich, dass China in den wirtschaftlichen Auseinandersetzungen mit den USA die Trumpfkarte Kuba ausspielen wird, beispielsweise, indem sie sich gegen Kredite den kubanischen Hafen Cienfuegos übertragen lässt. In einigen asiatischen Staaten hat China dies bereits praktiziert. Damit würde Kuba kurzfristig stabilisiert werden können. Für die USA wäre dies eine nicht hinnehmbare Bedrohung, auf die sie mit anderen Mitteln als nur mit Zöllen reagieren müsste. Zweifelsohne würde dies Auswirkungen auf Lateinamerika haben.

Sehr schnell kann Kuba erneut in den Mittelpunkt neuer internationaler Auseinandersetzungen geraten!

Wird Kuba kurzfristig implodieren?

Die Auswirkungen auf Deutschland hängen von der weiteren Entwicklung in der EU und von ihrem Verhältnis zu den USA ab. Ob Großbritannien aus der Europäischen Union austreten wird und wenn ja, wie, und ob es danach kein Großbritannien mehr geben wird, sondern ein England und ein Schottland, all diese Fragen sind für die Beziehungen der EU zu Kuba unwesentlich. Jedoch nur zuerst! Verblieben die Briten in der EU, würde sich dies für die EU positiv auswirken, weil der Veränderungsdruck zunähme. Zugleich jedoch würde die britische Position geschwächt sein, denn die Drohung einer engeren Anbindung an die USA würde verblassen. Zugleich jedoch hätten es die USA mit einer stärkeren EU zu tun.

Träten die Briten tatsächlich aus, und eventuell die Schotten ein, nähme der Druck der USA auf die EU enorm zu, dadurch müsste sich die EU weitaus stärker als bisher gegen die USA positionieren, wolle sie wirtschaftlich und politisch nicht hoffnungslos abgehängt werden. Dann kämen die Beziehungen zu Kuba wieder ins Spiel. Auf den ersten Blick sähe dies wie ein Trauerspiel aus, weil die EU ein kommunistisches System unterstützen würde. Auf den zweiten jedoch nicht, wenn die EU verstärkt darauf setzen würde, Kuba demokratisch und marktwirtschaftlich zu verändern, aber dies mit anderen Mitteln als sie bisher – zumal im Moment – die USA einsetzten.

Im Mittelpunkt der deutschen Kubapolitik steht eine entscheidende Frage: Wird Kuba kurzfristig implodieren oder kann es noch einige Jahre weiter degenerieren? Auf genau diese Frage müsste sich die deutsche beziehungsweise die EU-Außenpolitik einstellen. Leider gibt es dafür keinerlei Anzeichen. Die deutsche und die EU-Außenpolitik setzen ihre Hoffnungen darauf, dass sich Kuba, wie in den zurückliegenden Jahrzehnten, irgendwie durchmogeln wird, bestenfalls auf einen allmählichen Wandel. Das ist eine Illusion, denn dafür existieren im gegenwärtigen Kuba keine Voraussetzungen mehr. Das gegenwärtige Kuba ist ein anderes, als es nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war.

Desillusionierte Jugend

Die Bevölkerung, einschließlich die Mitglieder der Kommunistischen Partei und insbesondere die Jungend, ist völlig desillusioniert über den Kommunismus. Es ist kein Vertrauen mehr in die staatliche Führung vorhanden. Die Arbeitsmoral ist weitgehend zerrüttet (1.). Hoffnungen auf breitflächige Privatisierungen und Aufbrechen der bürokratischen Erstarrungen scheitern am Altersdurchschnitt des Politbüros der kommunistischen Partei (oberstes Führungsgremium Kubas) von 73 Jahren. Im letzten Jahr hielt der vietnamesische Parteichef anlässlich der Verleihung eines Ehrendoktors vor der Universität eine Rede, an der auch der jetzige kubanische Präsident teilnahm. Auf jeder Seite seiner Rede betonte er wenigstens einmal, dass Sozialismus ohne Marktwirtschaft undenkbar sei. Diese Rede wurde in Kuba nicht wiedergegeben (2.). Es existiert in Kuba keine ausreichend große Schicht von Fachkräften in Verwaltung und Wirtschaft (3.). Die mittlere und die jüngere Generation verfügen mittels Mobilfunk und Internet über moderne Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten.

Hinzu kommen die Erfahrungen aus den Besuchen amerikanischer Verwandter sowie aus eigenen Besuchen in westlichen Ländern (4). Seit zehn Jahren arbeitet bereits etwa eine Million Kubaner innerhalb des „Kleinen Kapitalismus“ (5.). Etwa 3 Millionen westliche Touristen besuchen jährlich das Land. Ein drastischer Rückgang würde nicht nur die Finanzprobleme der Regierung weiter verschärfen, sondern auch die Einkommen der Kubaner einschneidend verringern, vor allem in den Städten (6.). Etwa 80 Prozent der Nahrungsmittel und fast alle technischen Konsumgüter werden aus marktwirtschaftlich orientierten Staaten importiert (7.). Die Regierung sagt offen, dass die kubanische Wirtschaft nur durch ausländische Investitionen und westlichen Tourismus entwickelt werden kann (8.). Nach Angaben der Regierung fehlen 800.000 Wohnungen bei einem Neubau von jährlich 40.000, aber weiterem Zerfall der vorhandenen Substanz, einer der Gründe für die Perspektivlosigkeit der Jugend (9.). Alle Sphären der Gesellschaft sind von Korruption geprägt, bis hinauf in die Regierung (10.).

Deutsche und europäische Optionen sind eng mit dem Verhalten der USA verbunden. Bänden sich Deutschland und die EU stärker an die USA, würden sie automatisch in deren Auseinandersetzung mit Kuba hineingezogen. Sie würden in einen Gegensatz zu Lateinamerika geraten, was nun ganz gewiss nicht deutschen und europäischen Interessen entspräche, wodurch mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Außenpolitik der EU gravierend auseinanderdriften würde.

Entwickelte die EU hingegen eine eigenständige Wirtschafts- und Außenpolitik, so würde diese auch eine eigenständige Politik gegenüber Kuba einschließen. Die muss nicht zwangsläufig auf unterschiedliche Interessen zurückgehen, weil beispielsweise gegenüber Russland, Iran und China die deutschen beziehungsweise europäischen Interessen sich nicht prinzipiell von den amerikanischen unterscheiden, wobei dies auf das Verständnis des Interesses ankommt. Allerdings sind in den letzten Jahren die Interessen innerhalb der EU enorm auseinandergedriftet, Deutschland versus ganz Osteuropa, Italien gegen die ganze EU. Die baltischen Staaten und Polen misstrauen der Bereitschaft der EU, sie vor militärischen Aggressionen Russlands schützen zu wollen und vertrauen mehr den USA.

Wiederaufbau müsste privat finanziert werden

Seit sechs Jahrzehnten setzt die amerikanische Politik auf eine Implosion des kubanischen kommunistischen Systems und versucht, dies durch außenpolitischen und wirtschaftlichen Druck zu erreichen. Diese langjährige Erfolglosigkeit muss nicht unbedingt auch zukünftige Erfolglosigkeit bedeuten. Aber in dieser Zeit hat sich Kuba in allen wirtschaftlichen Parametern grundlegend verändert, die der amerikanischen Führung wohl bewusst sind. Ein wirtschaftlicher Wiederaufbau Kubas wäre für die USA zu teuer. Welcher amerikanische Kongress würde die vielen Milliarden bereitstellen, um die kubanische Infrastruktur wiederherzustellen: die Straßen, den öffentlichen Nahverkehr, das Eisenbahnnetz, die Häfen, das Elektrizitätsnetz, die Wasserversorgung und Entwässerung, den Bau der erforderlichen Wohngebäude, die Finanzierung des Gesundheitswesens, der Renten und des Bildungssystems, der öffentlichen Sicherheit und, und, und.

Das alles wäre nicht in wenigen Jahren zu leisten, und dafür würde auch wohl kaum ein „Solidaritätsbeitrag“ den US-Kongress passieren. Sicherlich würden die USA Mittel zur Milderung einer möglichen humanitären Katastrophe bereitstellen, und bei sich abzeichnenden innenpolitischen militärischen Auseinandersetzungen Truppen schicken oder eine lateinamerikanische Streitmacht unterstützen, aber im Wesentlichen müsste der Wiederaufbau privat finanziert werden. 

Gleiches würde auch für eine wirkungsvolle wirtschaftliche Hilfe der EU gelten. Indessen würden für den Aufbau der Infrastruktur private Investoren mittelfristig keine Renditen erzielen können. Im Unterschied zu Venezuela, das sich über den Wiederaufbau der Erdölwirtschaft selber gesunden könnte, verfügt Kuba über keine vergleichbaren natürlichen Ressourcen. Der Wiederaufbau der Infrastruktur würde sich nur parallel zum Aufbau einer vollständig privaten Wirtschaft vollziehen können.

Übertragung aus dem Spanischen.

Lesen Sie morgen: Die Voraussetzungen für einen Wiederaufbau der kubanischen Wirtschaft.

Folge 1 dieser Serie finden Sie hier.

Folge 3 dieser Serie finden Sie hier.

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Leserpost

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Richard Loewe / 31.07.2019

Kuba hat keine natuerlichen Ressourcen? Was ist mit den Straenden und dem Wetter? Private Tourismus-Investitionen koennten Kuba ueber Nacht harten Waehrungen ins Land spuelen und viele Jobs schaffen.

Petra Wilhelmi / 31.07.2019

Ich war 2003 in Kuba zu Silvester. Man konnte zu dieser Zeit schon privat mit dem Leihauto durch Kuba fahren. Meines Erachtens lässt sich Havanna nicht wieder vollständig aufbauen. Die Häusersubstanz, denen man das gut- bis großbürgerliche Vorleben noch ein bisschen ansah, waren in einem schlechteren Zustand, als je Altbauhäuser in der DDR. Und das will schon was heißen. Reden wir dabei nicht von kleineren Orten, wo i.d.R. keine Touristen hinkommen. Bauern pflügten dort, wie bei uns irgendwann in grauer Vorzeit. Sie schaffen ihre geernteten Güter mit einer Art Schlitten nach Hause. Ein funktionierendes Transportsystem gab es nicht. Befahrbare Straßen außerhalb der größeren Tourigebiete gab es nicht. Wir sind damals nach der Uhrzeit gefahren, wenn wir bis zu einer bestimmten Zeit nicht dort waren, wo wir hin wollten, drehten wir um, um ja nicht in die Dämmerung zu kommen, wegen der schlechten Straßen. Manches Mal war es sogar unmöglich an etwas abgelegenere Orte zu kommen, weil vor lauter tiefer Schlaglöcher kein vorankommen war. Ich glaube kaum, dass sich zwischenzeitlich sehr viel zum Positiven geändert haben könnte, mal abgesehen von Vorzeigeobjekten entlang der touristischen Zentren und Rundfahrtstraßen. Wir haben dort auch eine strenge Hierarchie bemerkt. Cubaner mit afrikanischer Herkunft waren am unteren Rand zu finden, mal von Fitness-Trainern abgesehen, wo man Mucki benötigt, je weißer, desto höher war man in der Hierarchie bei den lukrativeren Arbeitsplätzen im Hotelwesen. Wie das in den abgesperrten Touri-Zentren am Meer ist, weiß ich nicht. Wir haben den Alltag erlebt direkt bei den Menschen. Ich will damit sagen, dass kaum jemand soviel Geld hätte, das Land in Ordnung zu bringen, da es verwüsteter ist, als es die DDR je war. Und wenn wir in die mitteldeutschen größeren Städte oder auch in die abgelegeneren kleineren Städte kommen, die keine touristische Sehenswürdigkeiten haben, sehen wir hier sogar noch heute aus DDR-Zeiten verfallene Bauten.

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