Unsere neue Justizministerin Katarina Barley hat sich für die Aufnahme des Gendersterns in den Duden ausgesprochen. Das meldet der Tagesspiegel und fragt: „Soll Geschlechtergerechtigkeit sich auch in den offiziellen Regeln der deutschen Sprache durch ein kleines Zeichen bemerkbar machen?“
Ja. Katarina Barley findet das gut. Sie freue sich, sagt sie, „über jede Veränderung, die dazu beiträgt, unseren Blick auf andere Formen von Identität und Lebensweisen zu entspannen“.
Stopp. Ich kann nicht mehr. Ich muss kurz unterbrechen. Wer es geschafft hat, bis hier zu lesen, musste schon so viele Kröten schlucken, dass ihm, wenn er nicht gerne Kröten schluckt und womöglich unter Kröten-Unverträglichkeit leidet, schlecht wird. So einer bin ich.
Ich hoffe, es ist deutlich, was ich damit sagen will: Wir lesen flüchtig, wir haben den Scanner-Blick, wir sind ungeduldig und glauben vorschnell, dass wir mit den Ausdrücken, die uns aufgetischt werden, etwas anfangen können.
Aber nein: Wir müssen, wenn wir solche Sätze lesen, Kröten schlucken, das heißt Begriffe hinnehmen, die mit Voraussetzungen behaftet sind, die wir nicht teilen. Wir können sie jedoch nicht bei jeder Gelegenheit zurückweisen, auch dann nicht, wenn wir das eigentlich tun sollten. Wir können es uns nicht leisten, immer wieder auf die Bremse zu treten und die Begriffe zu überprüfen. Ich versuche es dennoch.
Das Gendersternchen ist so eine Kröte. Davon haben wir womöglich schon gehört. Wo? Wann? Haben wir eine Vorstellung davon? Was soll das eigentlich sein, ein Gendersternchen? Es sieht bekanntlich so aus: *.
Wer legt fest, was dieses Gender-Sternchen bedeuten soll? Wer legt fest, was es aussagen soll? Wer kann erklären, wozu es gut sein soll? Ich mach’s. Ich werde es erklären. Aber ich bitte noch um einen Moment Geduld, ich will zunächst noch einen Schritt zurückgehen.
Gute Frage. Schlechte Antwort
Es wurde anfangs die Frage gestellt, ob sich Geschlechtergerechtigkeit in den Regeln der deutschen Sprache bemerkbar machen soll. Katarina Barley meint: Ja. Meine Antwort lautet: Nein! Eindeutig nein.
Geschlechtergerechtigkeit ist, nebenbei bemerkt, auch eine Kröte, eine besonders fette sogar, die ich bei anderer Gelegenheit sezieren werde. Darauf soll es jetzt nicht ankommen. Tun wir mal einen Moment lang so, als könnte es tatsächlich so etwas wie Geschlechtergerechtigkeit geben und als wäre sie wünschenswert.
Selbst wenn es so wäre, sollte sie sich nicht in den Regeln der deutschen Sprache bemerkbar machen. Nicht nur die Geschlechtergerechtigkeit sollte das nicht. Nichts und niemand sollte sich in den Regeln der deutschen Sprache bemerkbar machen. Nichts und niemand kann den Anspruch erheben, in den Regeln der deutschen Sprache bemerkbar zu sein.
Auch die schlichte „Gerechtigkeit“ ohne die vorangestellten „Geschlechter“ sollte sich nicht in den Regeln der deutschen Sprache bemerkbar machen. Haben wir etwa jemals jemanden sagen hören: Gerechtigkeit sollte sich in den Regeln der deutschen Sprache bemerkbar machen? Nein. Das haben wir nicht. Warum wohl nicht? Fehlt uns was? Keine noch so hohle und wohlfeile Abstraktion sollte sich in den Regeln der deutschen Sprache bemerkbar machen.
Auch die Freiheit sollte sich nicht in den Regeln der deutschen Sprache bemerkbar machen, nicht mal die Freiheit sollte das oder die Vielfalt. Die Gutmütigkeit sollte sich ebenfalls nicht in den Regeln der deutschen Sprache bemerkbar machen. Toleranz sollte sich nicht in den Regeln der deutschen Sprache bemerkbar machen. Der Weltschmerz sollte sich erst recht nicht in den Regeln der deutschen Sprache bemerkbar machen und auch das Regierungsprogramm der Grünen sollte sich nicht in den Regeln der deutschen Sprache bemerkbar machen. Nichts und niemand.
Die Gleichgültigkeit des Ausrufezeichens
Vor allem sollte sich nichts und niemand in den „Regeln“ der deutschen Sprache bemerkbar machen. Ich habe extra immer wieder von den „Regeln der deutschen Sprache“ geschrieben und habe es so oft wiederholt, dass es auffällt: In den Regeln wird nichts bemerkbar gemacht. Da nicht. Regeln tragen keine Bedeutung. Regeln sind neutral. Das Regelwerk der deutschen Sprache ist so etwas wie ein Tisch, der keine Aussage macht über die verschiedenen Speisen, die uns da – wie man so schön sagt – aufgetischt werden.
Dem Ausrufezeichen ist es egal, ob es hinter einem üblen Schimpfwort steht wie hinter „ ...!“, oder hinter einem flotten „Olala!“ Im Duden wird leidenschaftslos die korrekte Rechtschreibung festgelegt, die allerdings – wie wir inzwischen wissen – anfällig für Reformen ist. Da sind gewisse Änderungen möglich. Konrad Alexander Friedrich Duden hatte das nach ihm benannte Regelwerk entwickelt, als es noch keine automatische Rechtsschreibkorrektur gab. Wenn man in der guten, alten Zeit nicht wusste, wie etwas richtig geschrieben wird, musste man im Duden nachsehen. Schon Heinz Erhardt wurde immer wieder von seiner Ehefrau gefragt: „Was weißt du denn?“
Darüber hinaus gibt es noch das besonders von Schülern gefürchtete Regelwerk der Grammatik mit all den Problemen von Singular und Plural, Aktiv und Passiv, mit dem lästigen der, die das und dem sonstigen langweiligen Kram, der sich im Unterschied zur Schreibweise nicht ändert, der zu den „closed categories“ gehört, wie es unter Linguisten heißt.
Die Grammatik ist so etwas wie ein Betriebssystem, es macht keine Aussagen und nimmt keine Wertungen vor, es sorgt dafür, dass der Laden läuft, mehr nicht. Das grammatische System haben wir so tief verinnerlicht, dass es auch dann funktioniert, wenn es fehlerhaft angewendet wird. Wenn wir jemanden hören, der grammatische Fehler macht, dann verstehen wir ihn trotzdem, weil wir wissen, wie es richtig sein müsste.
Die grammatischen Regeln ändern sich nicht. Zwar hat der Postillion vorgeschlagen, ausnahmsweise eine neue Zeitform einzuführen, und zwar das Futur Drei, weil es andernfalls nicht möglich ist, über die Eröffnung des Berliner Flughafens zu sprechen. Aber das ist ein Sonderfall.
Eingriffe in die Regeln der deutschen Sprache richten immer nur Schaden an. Sie sind zerstörerisch. Sie können nur kaputtmachen. Sie haben nichts Gutes. Sie haben keine positiven Effekte. Die können sie auch nicht haben. Sie können die gewünschten positiven Aussagen nicht machen, weil sie grundsätzlich keine Aussagen machen. Wozu also ist das Gendersternchen gut? Es ist zu gar nichts gut. Es ist schlecht.
Was so ein unschuldiges Sternchen aussagen soll, sagt das Sternchen gar nicht aus. Es erklärt sich nicht von selbst. Was auch immer es ist, es wird dem Sternchen lediglich angedichtet. Es wird ihm zugeschrienen. Von wem eigentlich? Hier wird die Machtfrage gestellt. Das ist nicht nur eine gute, das ist sogar eine sehr gute Frage. Von wem also? Wer kann das machen? Wer darf die Machtposition einnehmen?
Vielleicht die Gesellschaft für deutsche Sprache? Die Humboldt-Gesellschaft für Wissenschaft, Kunst und Bildung? Der PEN? Der Alterspräsident im Bundestag? Das Grimm-Museum in Hanau? Der VS(S), der Verband der Schriftstellerinnen- und Schriftsteller, also die ewig Schreibenden und Urhebenden in der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di? (möglicherweise habe ich die aktuelle Selbstbezeichnung nicht korrekt wiedergegeben). Von wem soll über das Gendersternchen bestimmt werden?
Der Krieg der Sterne
Ich weiß es. Es sind einige namenlose Menschen aus Berlin, die selber tief betroffen sind und die nun selbstherrlich bestimmen wollen, was das Gender-Sternchen bedeuten soll und warum wir es brauchen:
„Wir sind einige Menschen aus Berlin und wir sind wütend. Verdammt wütend sogar. Unsere Wut hat verschiedene Gründe. Denn wir haben unterschiedliche Hintergründe und verschiedene Erfahrungen. Während manche von uns von Cis-Sexismus/Trans*-Feindlichkeitbetroffen sind, haben andere Klassismuserlebt. Von Sexismussind wir alle in unterschiedlicher Form betroffen.
Wir verorten uns alle mehr oder weniger in der Radikalen Linken und haben keine Lust mehr darauf, dass die linke Szene einerseits den Kampf gegen Diskriminierung auf die Fahnen schreibt und andererseits selbst etliche Ausschlüsse produziert, die kaum oder gar nicht beachtet, geschweige denn kritisch reflektiert und abgebaut werden. Und weil wir vor allem keine Lust mehr darauf haben, mit unserer Wut alleine zu sein, haben wir uns organisiert und dem Ganzen einen Namen gegeben: trans*genila f_antifa.
Wir benutzen den Unterstrich, zum Beispiel bei ‚Kommunist_innen’ oder ‚Jüdinnen_Juden’. Der Unterstrich soll Platz schaffen für alle Menschen, die nicht in das System der Zweigeschlechtlichkeithineinpassen, zum Beispiel Inter*- und Trans*-Menschen.
Das Sternchen bei ‚Frauen*’ und ‚Männer*’ soll auf die Existenz von verschiedenen Identitätskonzepten von Weiblichkeit und Männlichkeit hinweisen, zum Beispiel trans* und cis oder hetero und lesbisch.“
Aha. So ist das also. Das hatte die trans*geniale f_antifa bereits im April 2014 festgelegt. Damals fing der Krieg der Sterne an. Die Sternenkrieger wollen uns vorschreiben, wie wir sprechen – d.h. wie wir denken – sollen. Wir sollten uns lieber danach richten. Denn die Sternenkrieger sind wütend, verdammt wütend sogar. Wir wissen, was passieren kann, wenn die Antifa wütend ist.
Warum nennen sie sich eigentlich so?
„Antifa, weil Nazis und die Zustände, die ihre Ideologie möglich machen noch immer abgeschafft gehören.
F_ weil Feminismus nicht nur heißt, das Patriarchat kaputtzumachen, sondern auch andere Herrschaftsverhältnisse mitzudenken und zu sabotieren.
Trans*genial, weil immer noch viel zu viele Leute glauben, es gäbe nur zwei Geschlechter und wir diese Behauptung wegglitzern werden.“
Ein Stern, der deinen Namen trägt
Wie gesagt: Das war im April 2014. Lang ist es her, aber so lange nun auch wieder nicht. Steigen wir spaßeshalber in ein Raumschiff, das Zeitreisen ermöglicht, und düsen wir vier Jahre in der Zeit zurück. Wenn ich den lieben Lesern damals die aktuelle Sternenkunde der Fantifa vorgestellt hätte, sie hätten mich ausgelacht – nicht wahr? Sie hätten nur müde den Kopf geschüttelt und gesagt: Ach, das darf man nicht so ernst nehmen. Das erledigt sich von selbst.
Ich habe Grund zu der Annahme, dass es so gewesen wäre, denn ich habe hin und wieder Texte über Sprachentwicklungen geschrieben, die mir spanisch (oder irgendwie anders) vorkamen und habe oft genug gehört, dass ich mich lieber um andere Fragen kümmern sollte. Das wäre nicht so wichtig.
Es ist wichtig.
Es ist inzwischen unsere aktuelle Politik. Hier sprechen keine unbedeutenden Randgruppen. Hier spricht der Staat. Die Fantifa regiert. Katarina Barley macht genau das, was die wütenden Menschen in Berlin ihr vorgeschrieben haben. Sie macht das, was die Antifa will. Sie will es womöglich sogar selber. Oder sie denkt, dass sie es selber will. Wir können sie ja mal fragen, warum sie für den Genderstern ist und was sie daran so gut findet. Wetten, dass sie nicht mehr sagen kann, als das, was die trans*geniale f_antifa zu dem Thema geschrieben hat?!
Glaubt sie im Ernst, dass damit irgendetwas Gutes getan wird? Weiß sie wirklich nicht, dass Eingriffe in die Regeln der deutschen Sprache immer schädlich sind? Hat sie womöglich Angst vor den wütenden Berlinern und kuscht? Oder ist sie in Wirklichkeit mit ihnen verbündet? Ist sie gar ein Fan der trans*genialen f_antifa? Ist sie ihr Sprachrohr?
Hofft sie, dass diese Menschen aus Berlin etwas weniger wütend werden, wenn sie sich für das Gendersternchen stark macht? Glaubt sie, dass sie damit den Menschen, die sich keinem Geschlecht eindeutig zuordnen können, irgendeinen Gefallen tut? Kennt sie diese Leute überhaupt? Glaubt sie, dass die Implantierung der Gendersterne in die Regeln der deutschen Sprache ihnen in irgendeiner Weise hilft?
Rechnet Katarina Barley damit, dass es eines Tages einen Stern geben wird, der ihren Namen trägt – wie in dem Schlager ‚Ein Stern, der deinen Namen trägt‘ –, weil man ihr auf Erden für ihren Einsatz für den Genderstern ewig dankbar sein wird? Möchte sie als die Gender-Stern-Katarina in die Geschichte der deutschen Sprache eingehen? Möchte sie im Weltall einen symbolischen Fußabdruck hinterlassen?
Wird sie von jemandem bezahlt oder erpresst und glaubt in Wirklichkeit selber kein Wort von dem, was sie vor der Presse gegenüber zum Besten – besser gesagt: zum Schlechtesten – gibt, spielt aber tapfer ihre Rolle bis zum bitteren Ende, weil sie es tun muss. Oder vertritt sie eine Richtung innerhalb er SPD, der sie mit Leib und Seele anhängt und wird dabei von ihren Genossinnen solidarisch unterstützt?
Ist es etwas, das sie wirklich will, als hätte sie immer schon den Traum gehabt, eines Tages der Presse erklären zu können, dass sie sich schon auf den Genderstern freut? Geht dieser Traum nun in Erfüllung?
Genießt sie den Machtschwips eines trotzigen Kindes, das vor aller Augen etwas kaputtmacht und dabei selbstgefällig grinst, weil sie sich das leisten kann? Keiner traut sich, einen kritischen Pieps zu sagen.
Wir müssen nicht länger spekulieren. Katarina Barley hat sich selbst dazu geäußert. Mit eben dem Satz, bei dem ich aufgehört hatte, weiterzulesen und erst einmal eine Pause brauchte. Ich sage es ehrlich: Ich glaube ihr nicht. Sie sagte, wie ich schon erwähnt habe: Sie freue sich „über jede Veränderung, die dazu beiträgt, unseren Blick auf andere Formen von Identität und Lebensweisen zu entspannen“.
Entspannen? Entspannen mit der Antifa? Die sind wütend, verdammt wütend sogar, verdammt noch mal. Ist das ihr Ernst?
Wenn sie entspannen will, soll sie einen Wellness-Urlaub buchen. Woher will sie wissen, wie andere sich entspannen wollen? Für mich – da bin ich wahrscheinlich nicht der einzige – bringt der Genderstern keine Entspannung. Ganz im Gegenteil.
Einen wirklich entspannten Umgang mit dem Thema bieten dagegen die munteren Gesellen von Duivelspack mit ihrem Gassenhauer „Die Schönheit, die von innen kommt“. Die gefallen mir. Der Kleidungsstil ist „bunt“ – da kann man nicht meckern. Das Instrumentarium ist bemerkenswert. Die Musik hat was. Der Text ist kreativ und informativ. Da wird alles gesagt und gesungen, was ich auch sagen wollte. Das Lied ist gut.
Das möchte ich den lieben Lesern und treuen Freunden der deutschen Sprache mit ihren hartnäckigen Regeln nicht vorenthalten – bitteschön: Schönheit, die von innen kommt – das Gendersternchen kommt natürlich auch drin vor.