Von Moritz Mücke.
Was Donald Trump und seine Regierung betrifft, bin ich im Hinblick auf die deutschen Medien auf eine Art Naturgesetz gestoßen: Mindestens die Hälfte aller Berichte die neue Administration betreffend sind entweder vollständig erfunden oder zumindest bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Das liegt vermutlich vor allem daran, dass die Redaktionen in Deutschland nicht viel eigene Recherche betreiben, sondern in erster Linie von amerikanischen Kollegen abschreiben, insbesondere von der New York Times und der Washington Post. In Deutschland mag man diese für glaubwürdige Quellen halten, aber in den USA gelten sie nicht zu Unrecht als verlängerter Arm ihrer milliardenschweren Besitzer (Carlos Slim und Jeff Bezos) sowie der Demokratischen Partei.
Haben Sie, zum Beispiel, gehört, dass Donald Trump sich über die körperliche Behinderung eines Journalisten lustig gemacht hat? Wenn Sie diese Frage mit „Ja“ beantworten, sind Sie vermutlich Opfer von postfaktischer Berichterstattung geworden. Ich musste erst einen Artikel der verpönten Ann Coulter auf Steve Bannons Nachrichtenseite Breitbart lesen, um die tatsächlichen Zusammenhänge herauszufinden (Die Gestik, die Trump in der angeprangerten Rede benutzte, verwendete er auch in Bezug auf seinen Rivalen Ted Cruz und einen amerikanischen General, von denen beide keinerlei Behinderungen aufweisen. Trumps Geschnatter mag teilweise geschmacklos sein, aber es richtet sich nicht gegen Behinderte). Dennoch: Dank der intellektuellen Anstrengungen der Massenmedien auf beiden Seiten des Atlantik gibt es nun Millionen Amerikaner – und Millionen Deutsche – die glauben, der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sei die Art von Person, die körperliche Behinderungen witzig findet.
Diese Fake-News-Mentalität hört bei Trump noch lange nicht auf. Denn auch seine Mitarbeiter stehen im Fadenkreuz der Zombie-Medien.
Das letzte Objekt dieses Feldzugs ist Steve Bannon, der Mann, der gelegentlich als der „dunkle“ Einfluss im Trump-Netzwerk beschrieben wird, aber eigentlich ein seit vielen Jahren bekannter konservativer Aktivist ist. Nicht jeder mag mit ihm übereinstimmen, aber der Grad an Diffamierung, den Bannon nicht nur hierzulande erfahren hat, verdient höchste Skepsis, insbesondere im Lichte der größtenteils illusorischen Kampagnen, die von deutschen Medien wie dem SPIEGEL gegen den Präsidenten gefahren wurden. Nun hören wir, Bannon wolle den amerikanischen Staat „rückbauen,“ obwohl er sich ursprünglich ausschließlich auf den „administrative state“ bezogen hatte. Wo genau liegt der Unterschied?
Der Verwaltungsapparat als verfassungswidrige Kombination
Nun, wenn wir dem SPIEGEL glauben können, geht es hierbei um „ein verschränktes System aus Steuern, Regulierungen und internationalen Abkommen.“ Mit Regulierungen hat das Thema durchaus zu tun, aber die Idee, es ginge hier um Steuern oder internationale Abkommen ist eine Halluzination. Wenn Bannon vom „administrative state“ spricht, meint er den amerikanischen Bundes-Verwaltungsstaat – ein Monster, das zu reparieren man sich durchaus berufen fühlen sollte, allein schon aus verfassungsrechtlichen Gründen.
Was ist das Problem mit diesem „administrative state“? Zunächst sollte man sich in Erinnerung rufen, dass die Gründer des amerikanischen Staates im Sinne hatten, dass dieser Staat in erster Linie den natürlichen Rechten der Bürger, die ihn durch einen Gesellschaftsvertrag erschaffen haben, zu dienen habe. Um zu verhindern, dass das amerikanische politische System von Tyrannei absorbiert wird, machten die Gründerväter, gestützt auf den Philosophen Montesquieu, Gebrauch von dem Prinzip der Gewaltenteilung, so dass die exekutive, legislative, und judikative Macht in getrennten Abteilungen unterbracht wurde.
Der „administrative state“ hingegen ignoriert dieses Prinzip der Gewaltenteilung. In vielen Fällen haben bundesstaatliche Agenturen, wie etwa die Umweltschutzagentur (EPA) nicht nur legislative Autorität (das Verschreiben von Regulierungen, die die Kraft von Gesetzen haben), sondern auch exekutive und justizielle Kompetenzen, also die Findung und Beurteilung von fehlerhaftem Verhalten durch die Agentur. Im Sinne der amerikanischen Gründerväter ist diese Kombination von Kompetenzen absolut verfassungswidrig. In der juristischen Praxis jedoch hat dieses Verhalten einen Advokaten namens „Funktionalismus“ gefunden, der die existierenden Elemente dieses Verwaltungsstaates grundsätzlich als verfassungskonform einstuft. Dieser Theorie hängen mindestens vier Mitglieder des obersten Gerichtshofes an.
Es braucht keinen Steve Bannon, um mit dem amerikanischen Regulierungsstaat unzufrieden zu sein. Der Herausgeber des Jura-Kursbuchs „Federal Administrative Law“, Gary Lawson, hat sich immer wieder kritisch mit der Praxis der Behörden auseinandergesetzt, die er für weitgehend verfassungswidrig hält. Wie moderne Staatlichkeit im Netz der Verwaltung wirklich aussieht hat er anhand des Beispiels der Federal Trade Commission (FTC) einmal so formuliert:
„Die Kommission verkündet substanzielle Verhaltensregeln. Daraufhin erwägt die Kommission, ob sie Ermittlungen über die Frage, ob die Regeln der Kommission gebrochen wurde, autorisiert. Wenn die Kommission sich so entscheidet, werden Ermittlungen von der Kommission durchgeführt und die Ergebnisse werden an die Kommission weitergeleitet. Falls die Kommission zu der Schlussfolgerung kommt, dass die Ermittlungsergebnisse eine Vollstreckungshandlung erforderlich machen, reicht die Kommission Beschwerde ein. Diese Beschwerde der Kommission, dass eine Regel der Kommission gebrochen wurde, wird dann von der Kommission verfolgt und anschließend von der Kommission gerichtlich beurteilt. Der Entscheid der Kommission findet statt entweder vor der vollen Kommission oder vor einem semi-autonomen Verwaltungsrichter. Falls sich die Kommission für letzteres entscheidet und der Beschluss von der Kommission als ungünstig eingestuft wird, kann die Kommission gegenüber der Kommission in Berufung gehen.“
Es ist genau der hier beschriebene Mangel an Rechenschaft und Verantwortung, der nicht nur Steve Bannon in den Wahnsinn treibt. Wenn er und seine Kollegen es hinbekommen, die Schaffung von allgemeinen Regeln wieder in den Kongress zu verlagern, wo sie ursprünglich ihren Platz hatte und wo sie auch hingehört, so wäre das kein geringes Verdienst.
Moritz Mücke studiert Politik an der Graduiertenschule des Hillsdale College in Michigan.